Gemeinderat, 2. Sitzung vom 11.12.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 101
Zum jungen Kollegen von den Grünen möchte ich gerne sagen: Es war Ihre erste Rede, damit haben Sie ja Welpenschutz. Ich möchte Ihnen nur mitgeben, dass in einem Regierungsübereinkommen, das 200 Seiten hat, natürlich längst nicht alles drinnen steht, was man fortführt, was man sonst noch macht. Mieterschutz, Mieterhilfe ist weiterhin ein Thema und auch viele andere Dinge sind uns wesentlich, auch wenn sie nicht da drinnenstehen. Da muss man aber sagen, dass die Zeit, die wir schon für diese Stadt gearbeitet haben und die Leistungen, die wir für diese Stadt erbracht haben, uns recht geben. Wir müssen bei Dingen, die für uns selbstverständlich sind, nicht jedes einzelne Vokabel in ein Übereinkommen schreiben.
Wir haben 220.000 Gemeindewohnungen in Wien und jetzt kann man sich die Frage stellen, wie wir denn überhaupt dazu kommen. Schaut man sich nämlich europaweit um, so sind wir die Einzigen, die das vorweisen können, 220.000 Gemeindewohnungen in einer Stadt, die knapp 2 Millionen Einwohner hat. Das liegt daran, dass die Sozialdemokratie seit 100 Jahren Gemeindewohnungen baut. Vor 100 Jahren haben wir damit begonnen und Wohnen immer als unverzichtbares Grundbedürfnis angesehen, und heute wohnen 62 Prozent aller Wienerinnen und Wiener in irgendeiner Form des sozialen Wohnbaus. Vor Corona kamen ganz viele Delegationen zu uns, jede Woche eine Delegation, vor allem aus dem deutschsprachigen Raum oder aus der Schweiz oder auch aus Bratislava, die sich anschauen wollten, wie denn Wohnen in Wien tatsächlich funktioniert. Oft war es dann so wie in München, die zwar einen kommunalen Wohnbau hatten, aber diesen in den 80er Jahren verscherbelt haben, damals schnelles Geld gemacht haben, damals den Mietern versprochen haben, für zehn Jahre die Mieten einzufrieren - wir wissen selbst, wie schnell zehn Jahre vergehen. Dann wurde der Mietpreis deutlich angehoben, sodass sich selbst Leute, die einen mittelständischen Verdienst haben, diese Mieten nicht mehr leisten konnten. Nun steht zum Beispiel München vor einer Lose-lose-Situation, denn das erhaltene Geld für diese Wohnungen ist längst ausgegeben, die Flächen für den kommunalen Wohnbau sind für immer verloren und die Mieter oder auch die MietanwärterInnen können selbst mit dem eben angesprochenen Mittelstandsgehalt die Wohnkosten nicht mehr tragen.
Wien geht da einen anderen Weg. Wir haben schon vor vielen Jahren den Wohnfonds, oder damals noch Bodenbereitstellungsfonds, gegründet und die Stadt Wien verfügt derzeit über etwas mehr als 3 Millionen Quadratmeter, die sorgsam gehütet werden. Wir verkaufen deutlich weniger, wir vergeben deutlich mehr Baurechte. Das heißt, wir haben derzeit über 3,2 Millionen Quadratmeter, auf die die Stadt Wien zurückgreifen kann.
Ich habe vor einiger Zeit, und das war hochinteressant, im Norddeutschen Rundfunk einen Bericht über das Wohnen in einer deutschen Großstadt gesehen, und da sind mir drei Dinge aufgefallen, an denen ich Sie gerne heute teilhaben lassen möchte. Erstens, eine ältere Dame hat zwei randvolle dicke A4-Ordner im Fernsehen gezeigt und hat gesagt, die Wohnung, in der sie lebt, hat mittlerweile den 37. Besitzerwechsel. Die Frau hat beklagt, dass es schon seit vielen Jahren keine Sanierungsansätze mehr gegeben hat und man hat gesehen, als das Fernsehteam da rundherum gegangen ist, dass der Rasen rund um das Wohnheim abgesperrt war, weil nämlich aus der Betonfassade Stücke ausgebrochen waren.
Zweitens, ein pensioniertes Lehrerehepaar wurde gezeigt, das von einem Tag auf den anderen eine Mietzinserhöhung bekommen hat. Sie konnten sich das mit ihrer Lehrerpension beide nicht mehr leisten - von einem Tag auf den anderen. Drittens kam dann ein Makler zu Wort, der leidenschaftlich erklärt hat: Der Markt regelt sich selbst.
Jetzt nach Corona müssen wir uns wirklich fragen: Der Markt regelt sich selbst? - Also wenn wir eines aus dieser Krise gelernt haben, dann das, dass der freie Markt die zurücklässt, die es dann am ehesten brauchen.
Und wie hat die Stadt Wien auf diese Anforderung reagiert, zum Beispiel auf Corona? - Sofort wurde zum Beispiel für Gewerbetreibende, die durch den ersten Lockdown ursächlich betroffen waren, die Miete für einen Monat erlassen - völlig unbürokratisch, ohne irgendetwas, die mussten einfach nicht überweisen. Und wenn sie die Miete für März bereits überwiesen hatten, dann haben sie sich die für April sparen können. Einfach so, ohne irgendetwas, ohne ein Formular, ohne eine bürokratische Hürde. Jetzt und sofort hat die Stadt Wien für Unternehmungen und Unternehmen reagiert.
Und ebenso schnell hat sie für ihre Mieterinnen und Mieter reagiert. Für all jene, die von diesem ersten Lockdown betroffen waren und nicht mehr in der Lage waren, ihre Miete zu zahlen, wurde ein Delogierungsstopp angesetzt, damit sie nicht in Gefahr geraten, ihre Wohnungen zu verlieren. Dieser Delogierungsstopp gilt auch jetzt noch - vielleicht dem jungen Kollegen ins Stammbuch geschrieben, der hier mit einem Antrag hausieren geht. Wir wissen, wie es funktioniert, danke schön.
Aber weil ja aufgehoben nicht aufgeschoben bedeutet, werden die Mieterinnen und Mieter von Wiener Wohnen in dieser schwierigen finanziellen Notlage unterstützt, damit ein drohender Verlust wegen Mietzinsrückständen abgewendet werden kann. Das heißt, wenn Mieterinnen und Mieter auf Grund von Corona in Zahlungsschwierigkeiten geraten, dann werden sie ersucht, sich möglichst früh an Wiener Wohnen zu wenden, damit gemeinsam eventuell die Möglichkeit einer Ratenzahlungsvereinbarung sondiert werden kann.
Auch die Wohnbeihilfe gibt es natürlich weiterhin. In Sachen der Wohnbeihilfe wurde bis auf Widerruf eine Vereinfachung bei der Antragsstellung vorgenommen. Das heißt, Unterlagen wie Dokumente betreffend die Arbeitslosigkeit beziehungsweise Leistungsansprüche durch das AMS konnten und können nachgereicht werden. Die Stadt Wien nimmt vorab eine Einschätzung des Falls vor und kann die Wohnbeihilfe befristet auf ein halbes Jahr gewähren. Ebenso ist bei Verlängerung der Wohnbeihilfe eine Weitergewährung auf Basis des letz
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