Gemeinderat, 63. Sitzung vom 29.01.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 99
geht nicht darum, Familienväter, die drei kleine Kinder in der Volksschule haben, jetzt ins hintere Ötztal zu versetzen und sie zu zwingen, dort einen Job anzunehmen. Natürlich nicht! Das wissen Sie auch, Herr Kollege Stürzenbecher, auch wenn Sie jetzt in die Bank schauen.
Nein, es geht darum, anzudenken, dass Arbeitslose, die ganz frisch am Arbeitsmarkt sind, zum Beispiel Menschen, die einen positiven Asylbescheid bekommen haben, ganz frisch im Land sind, auch eine Arbeitsstelle beispielsweise im westlichen Österreich annehmen sollten. Ich glaube, das ist zumutbar, das ist sogar sinnvoll. Wir alle wissen, dass gerade im ruralen Bereich ein sehr großer Fachkräftemangel da ist und viele Unternehmen, gerade im ländlichen Bereich, darüber klagen, dass sie keine Arbeitskräfte finden.
Wenn man das für zumutbar erachtet, Herr Kollege Stürzenbecher, dann glauben Sie es doch einmal ausnahmsweise auch dem Kollegen Juraczka, bevor Ihnen dann vielleicht in zwei, drei Wochen der burgenländische Landeshauptmann oder der Linzer Bürgermeister über die Medien ausrichten, dass das eigentlich ein vernünftiger Zugang wäre. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Es geht nicht um ein Wien-Bashing, sondern es geht um einen Hausverstand. Denn wir alle - sei es Bund, sei es Land, sei es Regierung, sei es Opposition, alle, die daran arbeiten, dass dieses Wien unternehmerfreundlich ist, dass der Arbeitsmarkt ein positiver ist, dass die Wirtschaft floriert - sollten eigentlich die politischen Scheuklappen beiseitelegen und darüber nachdenken, was vernünftig ist. Insofern verwundert mich das vom Herrn Bürgermeister, wie gesagt, ich habe ihn eigentlich sonst immer anders kennen gelernt. Es wäre jedenfalls sinnvoll, in sich zu gehen, nachzudenken und Wien als Beschäftigungsmotor weitere Impulse zu geben.
Meine Damen und Herren! Wenn wir davon ausgehen, ich habe es zuerst gerade angesprochen: 11,7 Prozent Arbeitslosigkeit, wie gesagt, langsam rückgängig, aber noch immer auf einem Level, der eigentlich uns alle nicht zufriedenstellen kann. Dann sollte man sich auch darüber im Klaren sein, dass Wien, was die reinen Zahlen betrifft, seinen Hausaufgaben nur unzureichend nachkommt. Was meine ich damit? Die Arbeitslosenrate ging 2019 beispielsweise - es geht hier um nackte Statistik, nackte Zahlen - um 3,1 Prozent zurück, österreichweit um 3,5 Prozent. Auch der Anteil Wiens an den österreichweiten Arbeitslosen hat sich massiv erhöht, innerhalb der letzten 10 Jahre um 29 Prozent, im Jahr 2010 war der Anteil Wiens an allen Arbeitslosen 38,1 Prozent. Das ist keine statistische Größe, das ist eine relevante Veränderung in der Arbeitslosenlandschaft in diesem Land, die uns zu denken geben sollte.
Wenn Bgm Ludwig bei diesem Medientermin letzte Woche davon gesprochen hat, dass er die Bundesregierung nicht versteht, denn der Rückgang bei den Arbeitslosen sei ja hauptsächlich auf Wien zurückzuführen, dann ist das, bei aller Wertschätzung, schlicht und einfach nicht die Wahrheit. (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn wir uns den Arbeitsmarkt und die Arbeitsmarktzahlen weiter ansehen: Tirol 4,5 Prozent, Salzburg 4,6 Prozent, Oberösterreich 4,8 Prozent, Vorarlberg 5,3 Prozent, Steiermark 6 Prozent, Burgenland 7,3 Prozent, Niederösterreich 7,5 Prozent, das rote Kärnten Vorletzter mit 8,8 Prozent und Wien mit 11,7 Prozent, dann wäre es - aus meiner Sicht gesehen - auch im Interesse der Wiener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eigentlich sinnvoll, dass der Bürgermeister das Gespräch mit der Bundesregierung, den Konsens sucht und nicht Barrieren aufbaut.
Wien hat sich seit 2010 nämlich leider wirklich sukzessive vom restlichen Österreich entfernt. Die anderen Bundesländer sind jetzt auf Grund der Entspannung am Arbeitsmarkt wieder auf einem Level wie vor etwa 10 Jahren, Wien hat diesbezüglich einfach einen zusätzlichen Sockel von rund 40.000 Menschen. Wir reden über 40.000 Schicksale, meine Damen und Herren, um die wir uns wirklich annehmen müssen.
Zum Abschluss aber durchaus wieder versöhnlich werdend, nachdem ich aufgezeigt habe, dass Wien da durchaus noch Hausaufgaben zu bewältigen hat: Ich weiß, wir haben einen Stadtrat, der Unternehmen nicht als Feindbild sieht. Wir haben ja gerade erst in der Aktuellen Stunde bei der Wortmeldung des Umweltsprechers, der jetzt leider ... oh ja, er ist hinten, erlebt, dass ein Mandatar aus der Sozialdemokratie die Industriellenvereinigung als Feindbild sieht. Man glaubt, das ist irgendeine terroristische Untergrundorganisation. Nein, ganz im Gegenteil, auch diese Herrschaften sind durchaus dazu da, den Wirtschaftsstandort zu beleben und Arbeitsplätze zu generieren. Man sollte daher nicht so schablonenhaft, sondern in einem Miteinander denken, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)
Was mir - und das sage ich zum Abschluss -, noch erlaubt sei zu vermerken, weil ich mich dieser Tage durchaus wundern musste, als ich die Zeitungen gelesen habe: Wir sollten handwerkliche Fehler vermeiden. Ich kann mich gut erinnern, als wir im Wirtschaftsausschuss im Sommer des Jahres 2018 eine immerhin 1 Million EUR betragende Förderung für das Opel-Werk in Wien-Aspern in 2 Tranchen - 2018 und die 2. Tranche 2019 - beschlossen haben. Auf meine damalige Nachfrage im Ausschuss, ob damit eine Jobgarantie verbunden sei, denn es gab natürlich damals schon Gerüchte über Abwanderungstendenzen, hat man gesagt, nein, man ist sich natürlich von Seiten Opels darüber im Klaren, dass man auf Grund dieser Förderung natürlich Arbeitsplätze erhalten wird müssen. Na denkste! Am 15. Jänner 2020, 15 Tage nach Auslaufen dieser Förderunterstützung gibt Opel-Wien bekannt, dass 270 Arbeitsplätze, nämlich alle die, die der Motorenherstellung gedient haben, im Opel-Werk abgebaut werden.
Meine Damen und Herren! Wenn man öffentliches Geld in die Hand nimmt, um Wirtschaftsförderung anzugehen, durchaus ein gutes und interessantes Thema und ein wichtiges Thema, dann sollte man es aber so machen, dass letztendlich auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Standort davon profitieren.
In dem Sinne: Es gibt noch viel zu tun. Gehen wir es an! - Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
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