Gemeinderat, 65. Sitzung vom 28.02.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 53 von 73
dass Gewerbebetriebe ein solches Fahrrad beschaffen und dann der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Ich habe mir jetzt einmal angeschaut, wie denn das angenommen wurde: Hat die Wirtschaft tatsächlich bei diesem Vorschlag zugegriffen? - Die Erste in der Liste ist die Börse. Okay, soll sein! Im 2. Bezirk gibt es zwei Förderungsnehmer, einer davon ist die Mobilitätsagentur selber. Das ist also doch eine sehr skurrile Situation! Sie haben sich dort offensichtlich ihr eigenes Fahrrad gefördert, wirklich eine spannende Angelegenheit!
Dann gibt es ein paar Fahrradgeschäfte oder Werkstätten, die solche Geräte anbieten, es gibt - siehe da! - auch das WUK als Anbieter, inwieweit das ein Gewerbebetrieb ist, weiß ich allerdings nicht. Außerdem gibt es noch verschiedene Einrichtungen wie „Smarter together“ oder das Stadtteilmanagement Seestadt Aspern. - Also bitte! Letzteres ist eigentlich eine Organisation, die der Stadt zugeordnet ist und keineswegs ein Wirtschaftsbetrieb, der Grätzel-Fahrräder anbietet. Eigentlich geht das also, gemessen an der ursprünglichen Idee, ziemlich ins Leere, meine Damen und Herren, und das finde ich nicht in Ordnung.
Der Rest verteilt sich auf private Förderungen, 11 an der Zahl gibt es auf dieser Ebene für 300.000. Den Rest haben Sie also an Private verteilt, und da sind sich auch noch einmal rund 300 Exemplare ausgegangen. Wie weit es tatsächlich sinnvoll ist, die Hälfte eines Fahrrades an Bürger zu verschenken, das muss ich schon sehr bezweifeln. Das ist aber, das muss ich Ihnen zugeben, wirksame Klientelpolitik. Ich traue mich nämlich wetten, dass es bei den 300 nicht einen einzigen Wähler der Freiheitlichen oder der ÖVP gibt! Insofern wird das aus Ihrer Perspektive wohl ein sinnvolles Mittel sein, aus unserer Perspektive ist es hingegen eine Verschwendung von Steuergeldern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich habe mich sonst noch ein bisschen auf der Homepage der Mobilitätsagentur umgeschaut. - Als das erste Mal über die Lastenfahrräder diskutiert wurde, war es dort ja unter anderem ein Werbesujet, dass Kinder in diesem Lastenfahrrad transportiert wurden, die offensichtlich jünger als zwölf Jahre waren und keinen Helm trugen. Dieses Sujet ist jetzt verschwunden, dafür ist ein neues Sujet sehr ähnlicher Art dort aufgetaucht: Jetzt hat nur mehr eines der Kinder keinen Helm auf, das andere sieht man nur so schlecht, dass man nicht beurteilen kann, ob es zwölf Jahre alt ist oder nicht.
Faktum ist: Die Mobilitätsagentur in ihrer Gesamtheit hat bei ihrem Werbeauftritt sehr wenige Fotos von Personen, die Helme tragen, obwohl das ja auch für Erwachsene ein wünschenswertes Ziel wäre! Im Hinblick darauf frage ich mich, warum es nicht möglich ist, in diesem Zusammenhang tatsächlich entsprechend für die Sicherheit zu plädieren und derartige Maßnahmen zu fördern. Stattdessen gibt es immer nur eine Hochglanzästhetik mit lächelnden Personen, die womöglich gar nicht auf die Straße schauen, sondern lieber in die Kamera. - All das ist nicht wirklich vorbildhaft, und ich würde Ihnen nahelegen, diese Dinge einmal einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und lieber Werbung für sicheres Radfahren zu machen!
Ebenfalls interessant ist, dass sich auf dieser Homepage etwas findet, was wir in der letzten Sitzung hatten und im nächsten Verkehrsausschuss besprechen werden, nämlich Werbung für die „Coolen Straßen“. Wir haben uns darüber unterhalten und gemeint, dass das da und dort durchaus sinnvoll sein kann, aber keineswegs in jedem Fall. Es kristallisiert sich nämlich jetzt immer mehr heraus, dass dieses Instrument der „Coolen Straßen“ sich von der Idee, temporär eine Entlastung im Sommer zu schaffen, wegentwickelt, und zwar in Richtung es weiteren Instruments, nämlich Straßen schlicht und ergreifend für den Verkehr zu sperren oder zumindest die Parkplätze dort los zu werden, was natürlich unsere Freude nicht besonders steigert.
Die Entwicklung der ganzen Angelegenheit ist besonders interessant, und damit sind wir wieder beim Thema Wahlkampf beziehungsweise Vorbereitung darauf: Im ersten Akt der Zurverfügungstellung von Mitteln für die „Coolen Straßen“ ist insgesamt ein Betrag von rund 3,5 Millionen vorgesehen. Schaut man sich die Aufgliederung an, dann stellt man fest, dass dabei für Öffentlichkeitsarbeit und lokale Betreuung knapp die Hälfte, nämlich 1,7 Millionen, ausgegeben wird. Meine Damen und Herren! Das wundert mich schon sehr! Da wird mit Steuergeldern Öffentlichkeitsarbeit für ein Projekt finanziert, das eigentlich für sich selber spricht, denn wenn man eine „Coole Straße“ hat, spricht das ja für sich selbst! Dabei wird also Öffentlichkeitsarbeit in einem sehr hohen Ausmaß aus Steuermitteln finanziert, und dafür stehen wir sicherlich nicht zur Verfügung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Aber zurück zu den Lastenfahrrädern: Unsere Begeisterung hält sich in sehr engen Grenzen, denn Lastenfahrräder haben im Gegensatz zu normalen Fahrrädern die unangenehme Eigenschaft, groß und schwer zu sein, und damit ist natürlich auch das Gefahrenpotenzial ungleich größer. Es kommt aber noch dazu - und das sage ich jetzt als Politiker des 1. Bezirkes -, dass die Lastenfahrräder und derartige Sonderbauarten von Fahrrädern wie die Faxis in unangenehmer Weise in den Fußgängerzonen eingesetzt werden, und zwar einerseits deswegen, weil dort natürlich die meisten Fahrgäste für die Faxis akquiriert werden können, andererseits aber auch die Werbefläche quasi unbezahlbar ist, denn in der Innenstadt kann man an den Stellen ein solches Fahrzeug sehen, wo sonst niemand eine Werbefläche anbringen könnte.
Deswegen ist das eine sehr billige und effiziente Methode, die aber letztendlich genau das Gegenteil von dem bewirkt, was Sie selber immer umzusetzen meinen, nämlich dass Platz für die Fußgänger zum Flanieren, et cetera vorhanden ist. Schauen Sie sich einmal an, was sich am Stock im Eisen-Platz abspielt! Da können Sie nicht mehr gerade gehen, und zwar nicht deshalb, weil so viele Leute dort sind, sondern weil dort so viele Faxis kreuz und quer herumstehen. Deswegen sind wir der Meinung, dass man auf diesem Sektor dringend etwas unternehmen muss, und Kollege Niegl wird dann einen
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