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Gemeinderat, 71. Sitzung vom 29.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 11 von 93

 

angenehm sind und die daher den Oppositionsparteien möglichst noch bis zum Wahltermin verborgen bleiben sollen.

 

Das ist, wie gesagt, unsere große Kritik. Wichtige Reformen wurden nicht durchgeführt und es fehlt uns jetzt das Geld, das wir dringend bräuchten, jetzt in der Phase der Corona-Krise, jetzt, wo wir wirklich auch Geld in die Hand nehmen sollten, um diese Krise zu bewältigen. Das ist auch der Grund, warum wir diesem Rechnungsabschluss nicht zustimmen können. Sie haben, anstatt Reserven anzulegen, Schulden angelegt, und uns fehlen die Mittel, diese Corona-Krise wirksam zu bekämpfen. Deshalb können wir diesem Rechnungsabschluss nicht zustimmen, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Es fehlt aber nicht nur an den Reserven, sondern es fehlt auch an Überblick und an Durchblick, was unterschiedliche Maßnahmen betrifft, die Sie jetzt auch in Bezug auf die Corona-Krise gesetzt haben. Niemand weiß, ob die Hilfsmittel, die wir auch teilweise mitbeschlossen haben, weil wir ja diese Krise auch gemeinsam bewältigen wollen, wirklich dort ankommen, wofür sie gedacht waren. Seit diese Maßnahmen beschlossen wurden, sehr geehrter Herr Finanzstadtrat, fehlt jegliche Transparenz. Wir müssen alle Informationen über diese Hilfsgelder mühsam hinterfragen und wir wissen natürlich nicht, ob sie wirklich dort ankommen, wo sie auch gebraucht werden, nämlich bei den Menschen, bei den Unternehmerinnen und Unternehmern, oder ob sie irgendwo im System versickern oder vielleicht dazu verwendet werden, irgendwelche Budgetlöcher zu stopfen. Auch das kennen wir schon etwas länger in Wien: Dass das Geld nicht immer so verwendet wird, wofür es gedacht war und im Zweifelsfall in diesem System irgendwo versickert.

 

Ein anderes Beispiel für diese Intransparenz ist auch Ihre Beteiligungsgesellschaft, wo wir die Idee dahinter ja auch prinzipiell teilen, dass man sich mit Eigenkapital an für den Standort Wien wichtigen Unternehmen beteiligt. Auch da von Anbeginn: Wir haben immer wieder Fragen gestellt, wir wollten wissen, wie sieht diese Beteiligungsgesellschaft aus, wie wird sie aufgestellt, et cetera, und auch da mussten wir Ihnen jede Information mühsamst aus der Nase ziehen. Bis heute wissen wir nicht mehr über diese Beteiligungsgesellschaft, als wir mühsam irgendwie hinterfragt haben. Meistens lesen wir in den Medien mehr, als wir dann natürlich im Finanzausschuss oder in allen Gremien erfahren. Nichtsdestotrotz ist diese Beteiligungsgesellschaft bis heute für uns ein Phantom geblieben. Sehr geehrter Herr Finanzstadtrat, Sie haben vor drei Monaten diese Beteiligungsgesellschaft angekündigt, vor drei Monaten! Wenn Sie dieses Ding nicht bald auf die Beine stellen, sehr geehrter Herr Finanzstadtrat, dann wird das keine Beteiligungsgesellschaft, sondern ein Insolvenzfonds, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Meine große Bitte ist auch: Wir wollen nicht wieder auf den Rechnungsabschluss 2020 warten müssen, um zu sehen, wo diese Gelder, die wir jetzt auch im Rahmen der Corona-Krise beschlossen haben, wirklich ankommen. Wir wollen uns auch nicht im Jahr 2021 anhören, wie viel Geld wo überall verwendet wurde. Kollege Wiederkehr hat es auch vollkommen zu Recht gesagt: Wir wollen uns auch nicht anhören in den nächsten zehn Jahren, in den nächsten folgenden zehn Jahren, dass alles, was wir an Geld mehr ausgeben und Schulden machen, immer nur zur Bewältigung der Krise notwendig ist, sondern Sie werden schon auch einen guten Haushalt führen müssen und vor allem einen Haushalt, der transparenter ist, als es bisher der Fall war.

 

Sehr geehrter Herr Finanzstadtrat, denn das muss ich Ihnen schon vorwerfen und das hätten wir uns von Ihnen auch anders erwartet: Egal, worum es geht, auch bei Ihnen herrscht Intransparenz, es werden keine Informationen veröffentlicht, im Finanzausschuss muss man ewig lange nachfragen. Das ist aus unserer Sicht unredlich, unsauber und es ist vor allem die Politik der alten SPÖ, so wie wir sie in dieser Stadt kennen, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Wenn man sehen will, wie es anders funktionieren kann, im Gegensatz zu dieser rot-grünen Pop-up-Wirtschaftspolitik - das ist der dritte Themenbereich, wo Pop-up anscheinend auch sehr beliebt ist -, dann muss man sich die Arbeit der Bundesregierung anschauen, im Vergleich zur Arbeit der Wiener Stadtregierung. (Zwischenruf.) - Ja, wirklich, Herr Kollege, auf Bundesebene wurden vor allem strukturelle und nachhaltige Maßnahmen zur Entlastung von Menschen und Unternehmen beschlossen und vor allem aber auch Investitionen in die Zukunft.

 

Die Liste der Maßnahmen, die getroffen wurden, sehr geehrte Damen und Herren und sehr geehrter unglaubwürdiger Kollege, ist sehr lange. Ich könnte ewig lange Beispiele aufzählen: Senkung der ersten Tarifstufe, Erhöhung der Negativsteuer, was vor allem Niedrigverdiener entlastet, eine Weiterführung der Kurzarbeit, 300.000 Arbeitsplätze in Wien wurden damit gesichert, 12.000 Betriebe können in Wien ihre Schlüsselarbeitskräfte halten, Steuerstundungen in 65.000 Wiener Betrieben, was zu 2,3 Milliarden EUR mehr an Liquidität führt, ein Fixkostenzuschuss, einzigartig in Europa, bei dem 75 Prozent der Fixkosten übernommen werden, ein Gemeindepaket in der Höhe von 1 Milliarde EUR, wo alleine die Stadt Wien ein Viertel daraus bekommt, 238 Millionen EUR für Investitionen gegen die Krise in Wien und zusätzlich noch viele verschiedene Investitionen, die die Bundesregierung hier getätigt hat, in Zukunftsbereichen, Green Economy, im Bereich der Digitalisierung, und vieles mehr.

 

Während also auf Bundesebene in nachhaltige Bereiche investiert wird und vor allem strukturell investiert wird, sind wir in Wien mit rot-grünen Pop-up-Maßnahmen konfrontiert. Ein Beispiel, das wurde ja auch schon erwähnt, ist der Gastro-Gutschein. Wir haben immer gesagt, der Gastro-Gutschein ist per se eine sinnvolle Maßnahme, weil alles, was der Gastronomie in dieser schwierigen Zeit hilft, gut und richtig ist. Man muss aber auch ehrlich sein, es ist natürlich nur ein sehr kleiner Hebel und es stünden Ihnen, sehr geehrter Finanzstadtrat, auch in der Stadt größere Hebel zur Verfügung. Welche das sind, darauf komme ich noch.

 

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