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Gemeinderat, 74. Sitzung vom 24.09.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 67 von 101

 

zielt unser Dringlicher Antrag heute ab. Die Lage ist ernst, in Wien geht die Entwicklung der Corona-Zahlen gerade durch die Decke, heute etwa sind es mehr als 800 Fälle - das ist natürlich dramatisch. Obwohl Wien nur 20 Prozent der Einwohner Österreichs hat, kommen rund 48 Prozent, also rund die Hälfte, der Neuinfektionen im September aus Wien. Länder wie Deutschland oder die Schweiz haben einzig und allein Wien auf die Rote Liste gesetzt, auf die höchste Reisewarnstufe. Also wieder eine Rote Liste, auf der Wien gelandet ist und die uns Rot-Grün beschert hat.

 

Das hätte nicht sein müssen, wenn Herr StR Hacker rechtzeitig reagiert hätte, wenn er nicht wochenlang die Situation als sehr harmlos dargestellt hätte, wenn er die Hilfe der Polizei angenommen hätte - das Angebot des Innenministeriums gibt es seit Mai - und wenn er unsere Stadt ordentlich auf die zweite Welle vorbereitet hätte.

 

Sowohl für unser Gesundheitssystem, meine Damen und Herren, vor allem aber auch für unseren Wirtschaftsstandort ist das ein Desaster. Es ist heute schon diskutiert worden, die Stadthotellerie spricht von einem Todesstoß für die Wiener Tourismusbetriebe: Die Gäste bleiben aus, der Tourismus liegt lahm, die Stadthotellerie kämpft ums Überleben. Viele bangen um ihre Existenz, viele um ihren Arbeitsplatz.

 

Nur zwei sind offensichtlich nicht so besorgt, das sind Bgm Ludwig und sein Gesundheitsstadtrat Hacker. Bgm Ludwig erklärt, die höchste Reisewarnstufe für seine Stadt sei keine Besonderheit - interessant -, und StR Hacker ist seit Wochen unterwegs, um die dramatischen Zahlen schönzureden und zu verharmlosen. Dabei steht, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Corona-Situation in Wien tatsächlich auf der Kippe. Es ist 5 Minuten nach 12 und nicht 5 Minuten vor 12!

 

Genau aus diesem Grund haben wir diesen Dringlichen Antrag heute und warnen erneut, denn gewarnt haben wir ja schon vor Monaten. Seit Mai haben wir auf den Ernst der Lage hingewiesen. Wir haben x Anträge gestellt und weiß Gott wie viele Schreiben an den Herrn Stadtrat gerichtet. Wir haben auch schon eine Diskussion, eine Dringliche, gehabt.

 

Wie ernst aber die Situation in Wien momentan wirklich ist, sieht man auch anhand der Statistiken. Es ist heute in der Fragestunde schon einiges vom Herrn Stadtrat aufgezeigt worden, allerdings natürlich nie zugebend, dass da Schuld auch dabei ist, sondern schuld sind immer die anderen, vor allem ist die Bundesregierung in erster Linie schuld. Wien hat aber rund die Hälfte aller Neuinfektionen, wie ich schon gesagt habe. Wien hat über 4.000 aktive Covid-Fälle, während es Mitte August 850 waren. Seit Mitte des letzten Monats ist die Zahl der Covid-Fälle somit um beinahe das Fünffache gestiegen - ja, das ist unglaublich. Die Reproduktionszahl ist seit Anfang Juli über 1. Sie wissen, 1 ist die Grenze, über die sie nie kommen soll, und sie befindet sich derzeit bei 1,27. Wien testet zwar recht viel, das ist heute auch vom Herrn Stadtrat gesagt worden, und das stimmt auch, aber, wie gesagt, Hamburg testet doppelt so viel und Berlin drei Mal so viel. Das heißt also, auch hier kann man durchaus noch zulegen, da ist noch Luft nach oben.

 

StR Hacker hat in Einzelgesprächen, aber auch öffentlich immer wieder gesagt, dass eine zweite Welle kommen wird, aber reden allein reicht halt nicht, er hat zu wenig reagiert, er hat zu wenige Maßnahmen gesetzt.

 

Wir wissen seit Monaten, dass der Herbst und der Winter eine große Herausforderung in der Bekämpfung der Pandemie sein werden, weil natürlich auch die Influenza zu sehen ist. Influenza ist etwas, das wir jährlich haben und gerade heuer hat man vor - und das ist ganz richtig -, die Impfung verstärkt zu bewerben, da derzeit nur ungefähr 8 Prozent der Mitbürgerinnen und Mitbürger eine solche durchführen haben lassen. Das sollte mindestens verdreifacht werden, das ist richtig und notwendig. Dadurch ist aber natürlich die Situation eine noch viel schwierigere. Ich muss auch sagen, die Influenza-Impfstrategie nach dem jetzigen Stand finde ich für sehr sinnvoll und gut, allerdings hätte ich es nicht mit der Nummer 1450 in Verbindung gebracht. Die Nummer 1450 ist sowieso sehr stark überlastet und jetzt kommt Influenza noch dazu. Ich würde sagen, man sollte es anders abwickeln, aber grundsätzlich ist es eine positive Sache.

 

Ich möchte jetzt noch ein paar Beispiele aus dem täglichen Leben erzählen, damit man sich in die Lage versetzen kann, was es bedeutet, wenn Mitbürgerinnen und Mitbürger in die Situation kommen, dass sie Angst davor haben, positiv zu sein und dann nicht getestet werden. Es dauert tagelang, bis jemand kommt und dann dauert es wieder tagelang - das hat der Herr Stadtrat selbst in einer schriftlichen Anfrage bestätigt -, teilweise bis zu sieben Tage. Das muss man sich vorstellen, sieben Tage nachher, drei, vier Tage vorher, da ist dann die Quarantäne eh schon vorbei. Oft ist der Bescheid gekommen, als die Quarantäne bereits vorbei war. Das muss man sich einmal vorstellen, da sind Fälle, die wir gerade am Anfang gesehen haben, zwar nicht in Österreich, aber in Italien. Da kommt dann schon teilweise Angst auf, das muss man verstehen. Daher muss man eben alles tun, um das dementsprechend zu verkürzen.

 

Ich habe da ein Beispiel von einem 80-jährigen Wiener, einem Covid-Verdachtsfall: Beim Warten auf das Testteam ist es ihm immer schlechter gegangen, und am Anfang ist einmal kein Rettungsteam gekommen, er ist nicht getestet worden. Dann ist doch ein Rettungsteam gekommen, man hat Antibiotika verschrieben und es ist nicht getestet worden. Daraufhin reichte es seiner Frau, sie fuhr mit Mann und Maske im Taxi ins AKH, wo die Diagnose Covid-positiv gestellt wurde.

 

Erst sechs Tage später - sechs Tage später! - kam ein Testteam, allerdings war der Mann nicht mehr zu Hause, er war bereits auf der Intensivstation. Die Frau wollte dann getestet werden, weil sie natürlich in Sorge war, sie hatte zwar keine Symptome, aber sie war immer mit ihm beisammen gewesen und hatte natürlich Sorge. Es war nicht möglich, weil sie nicht im System von 1450 war. - Also ich glaube, das sagt alles.

 

Ein weiteres Beispiel aus Niederösterreich: 1 Minute Wartezeit am Telefon bei der Nummer 1450, 40 Minuten

 

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