Gemeinderat, 74. Sitzung vom 24.09.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 72 von 101
Schule gibt es eine andere Ampel als bei der Bundesregierung. Für die Universitäten gibt es wieder eine eigene Ampel. Diese Klarheit existiert gar nicht, obwohl sie so wichtig wäre.
Es geht auch um eine Verlässlichkeit und eine Planbarkeit, nämlich dass vor allem Betriebe und Unternehmerinnen und Unternehmer wissen, wie sie die nächsten Wochen und Monate gestalten müssen. Und ja, eine Pandemie ist nicht immer planbar, aber die Entwicklung war schon vorhersehbar. Es ist vollkommen verwirrend, wenn man in der einen Woche vom Licht am Ende des Tunnels spricht und dass alles wieder gut wird, und in der nächsten Woche ist die zweite Welle da und Maßnahmen müssen wieder verschärft werden. Da braucht es mehr Verlässlichkeit, da braucht es mehr Planbarkeit und vor allem auch Ehrlichkeit. Ehrlichkeit dahin gehend, dass man sagt, wie wir mittelfristig mit dem Virus leben werden, denn immer nur zu sagen, im Jänner oder im Februar oder im März, wann auch immer, wird es eine Impfung geben. Damit möchte ich mich nicht zufrieden geben, denn wir wissen es alle nicht. Es ist unehrlich, jetzt schon die Hoffnung zu machen, dass eh bald ein Impfstoff kommen wird, denn wir wissen nicht, wann er kommt und wir wissen dann auch nicht, wie wirksam er ist. Das heißt, da braucht es vollkommene Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung, und diese vermisse ich sehr stark.
Zur Verlässlichkeit gehört auch, dass rechtsstaatlich sauber gearbeitet wird. Schaut man sich die letzten Monate und die Verordnungen an, die der Reihe nach aufgehoben wurden oder noch werden, dann sieht man das Gegenteil von Verlässlichkeit, denn in der Krise ist es wichtig, dass die Gesetze so erlassen werden, dass sie auch halten, dass die Gesetze auch im Rahmen des Rechtsstaates sind, dass die Verordnungen sich an die Verfassung halten. Die Haltung zu haben, ja, wenn es aufgehoben wird, dann gilt es ja eh nicht mehr, dann ist es ja eh nicht mehr nötig, und der Rechtsstaat ist irgendwie ein notwendiges Übel, trifft mich als Liberalen sehr stark, weil vor allem in der Krise der Rechtsstaat, die Verfassung zu ehren und vor allem auch einzuhalten sind.
Da macht es mich sehr betroffen, dass das, was mit ÖVP, GRÜNEN und der SPÖ im Gesetz beschlossen wurde, ein massiver Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger ist, ein massiver Eingriff auch dahin gehend, dass der Gesundheitsminister eine unglaubliche Macht bekommt, auch darüber zu entscheiden, wie weitgehend auch Ausgangsbeschränkungen erlassen werden. Ich möchte in keinem Staat leben, wo die Exekutive willkürlich nach Gutdünken derart in Freiheitsrechte eingreifen kann, und darum haben wir diese Gesetzesänderung auch ganz klar abgelehnt.
Die Position der Stadt hilft auch nicht dabei, Verlässlichkeit auszustrahlen und Planbarkeit zu geben. Es ist ein Zickzackkurs, auch von Gesundheitsstadtrat Hacker, der vor ein paar Wochen noch gemeint hat: Nein, alles viel zu streng und eigentlich nicht so nötig, implizit der schwedische Weg ist eh gut. Und dann hat er auf einmal die Position komplett geändert auf: Die Bundesregierung ist nicht streng genug, wir brauchen eine strengere Einschätzung auch für Wien, wir wollen am liebsten noch härtere Maßnahmen. Jetzt, erst vor zehn Minuten, habe ich als APA-Meldung gelesen, dass es ab Montag eine Registrierungspflicht in Restaurants geben wird. - Verlässlichkeit für die Betriebe ist da keine gegeben. Wer liest, so wie ich, alle paar Minuten - viel zu oft - die APA-Meldungen? - Die Gastronomen in dieser Stadt sicher nicht. Bis diese erfahren, was gilt, müssen sie sich schon wieder adaptieren, neue Sachen implementieren. Das ist keine Verlässlichkeit, wenn Hals über Kopf neue Bestimmungen ohne wirkliche Vorbereitung für die Betroffenen erlassen werden.
Das besonders Bedauerliche ist, dass die Entwicklung der Pandemie ja keine große Überraschung ist. Es waren sich eigentlich so gut wie alle einig, dass mit dem Herbst die Herausforderung größer wird, dass die Zahlen wieder nach oben gehen. Nur, es wurde geschlafen. Die Bundesregierung hat geschlafen, aber auch die Stadtregierung hat verschlafen, die Maßnahmen zu setzen. Ja, 1450 war in den Sommermonaten weniger belastet, aber dann Personal zu reduzieren, obwohl man weiß, dass im Herbst die Zahl der Fälle wieder steigen wird, ist unverantwortlich. Das ist nicht nur unverantwortlich, sondern das ist auch nicht vorausschauend. Es wurde geschlafen, der Sommer wurde nicht dazu genützt, dass wir uns auch für diese schwierige Situation jetzt im Herbst vorbereiten.
Wir sehen, dass Geschwindigkeit so wichtig wäre, aber die Ressourcen fehlen. Die Ressourcen fehlen bei 1450, die Ressourcen fehlen bei den mobilen Teams beim Testen, die Ressourcen fehlen bei Contact Tracern. Wenn nicht mehr jeder zweite Fall in dieser Stadt nachverfolgt werden kann, dann haben wir ein Problem, und dieses Problem kann noch größer werden. Und ja, es ist gut, dass jetzt zumindest neues Personal angestellt wird, aber warum wurde das nicht im Sommer gemacht? Warum hat man sich nicht im Sommer explizit an Medizinstudierende gewandt, um die dafür zu gewinnen? Das ist viel zu spät und es dauert jetzt auch noch lange, bis das Personal überhaupt eingeschult wird. Da hat man geschlafen und da wurde wichtige Zeit verpasst.
Wir bekommen alle Fälle mit, wo es nicht gut funktioniert, zum Beispiel in Kindergärten, wo man eine Woche lang bei einem Verdachtsfall warten muss, bis ein Testergebnis da ist. Wenn ein Kindergarten einen Quarantänebescheid bekommt, wenn die Betroffenen wieder genesen sind, dann ist es doch inakzeptabel für alle Betroffenen. Ich habe gestern auf Twitter von einem Betroffenen gelesen, der 40 Telefonate führen musste, bis überhaupt geklärt war, was wirklich Status ist - innerhalb von zwei Wochen. Das ist inakzeptabel für jeden Betroffenen und führt natürlich auch zu Verunsicherungen in den Bildungseinrichtungen und darüber hinaus.
Was es jetzt braucht, ist Geschwindigkeit. Es braucht genug Tests, es braucht schnelle Testergebnisse. Es ist gut, dass der Gurgeltest jetzt auch breiter angewandt wird. Wir wollen, dass jede Woche auch an den Wiener Schulen 10.000 Tests stattfinden, dass man auch über die Wiener Schulen hinweg weiß, wie das Infektionsge
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