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Gemeinderat, 4. Sitzung vom 28.01.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 49 von 100

 

sen und dem Online-Unterricht gefolgt sind, dabei ihre Freundinnen und Freunde gesehen und dem Lehrer oder der Lehrerin zugehört haben, danach vielleicht die Hausübungen gemacht haben.

 

Diese Mädchen sind von einem auf den anderen Tag in einem Gebäude hinter einem 3 m hohen Zaun untergebracht worden, das sie vorher noch nie gesehen haben, als hätten sie etwas verbrochen. Und sie sind heute wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt schon in einem Land, das sie kaum kennen und dessen Sprache sie nicht sprechen, in einem Land, in dem sie auf die Freundschaften, die sie hier über ihre ganze Kindheit und Jugend aufgebaut haben, nicht zurückgreifen können und die nicht verfügbar sind.

 

Ich war, als ich das vorgestern Abend mitbekommen und gelesen habe, nicht nur sprachlos, sondern hätte im gleichen Moment auch laut schreien können, weil ich mir nicht vorstellen können hätte, dass so etwas so leicht in Österreich möglich ist!

 

Es mag die Bundesregierung rechtlich diesbezüglich auf der sicheren Seite sein. Moralisch und politisch ist diese Aktion aber eine Bankrotterklärung. Liebe ÖVP! Liebe GRÜNE! Ich habe Ihre Worte hier vernommen, auch die, welche von Seiten der Wiener GRÜNEN geäußert wurden. Ich nehme sie bedauernd zur Kenntnis, muss sie allerdings als Ihre persönliche Meinung abtun, weil Sie als GRÜNE und als GRÜNE im Bund dafür die Verantwortung mitübernehmen.

 

Wenn Sie es im Bund nicht schaffen, diesfalls ein Veto einzulegen und sich dagegen aufzulehnen beziehungsweise dagegen aufzustehen, dann wollen wir für Wien für derartige Härtefälle ein Stoppschild aufstellen dürfen. Sie sind natürlich alle eingeladen, sich diesem Antrag anzuschließen, und zwar auch auf dieser Seite. Ich glaube beziehungsweise hoffe es zutiefst in meinem Herzen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Unmenschlichkeit und Kälte wirklich von jeder einzelnen Person ausgeht! Beweisen Sie Rückgrat! Zeigen Sie, dass Sie ein Gewissen haben, und treten Sie unserem Anliegen heute bei. Vielen Dank.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist Herr GR Ellensohn. Ich erteile es ihm.

 

14.30.00

GR David Ellensohn (GRÜNE)|: Herr Vorsitzender! Liebe Abgeordnete!

 

Ich spreche jetzt nur zum eingebrachten Antrag betreffend humanitäres Bleiberecht. Alle, die die Bilder gesehen haben, sind natürlich betroffen, geschockt. So etwas passiert übrigens leider viel, viel öfter als nur in dieser Nacht. Es ist ganzjährige Praxis seit vielen, vielen Jahren in diesem Land. Das macht es nicht besser, sondern schlechter.

 

Jetzt gibt es zum Glück Aufmerksamkeit, sodass man darüber reden kann, und zwar vor allem darüber, was man an der Situation verbessern kann. Man kann jetzt vieles tun. Auf der einen Seite stehen die Leute, die es nicht so sehen wie der Herr Innenminister, Herr Nehammer, der das Werkzeug in der Hand hat. Er hätte es im Übrigen als Einziger in dieser Nacht in der Hand gehabt: Er darf nämlich rechtlich ganz allein sagen: Ich mache jetzt eine humanitäre Ausnahme unter dem Titel des humanitären Bleiberechts. Die Personen werden nicht abgeschoben. Er hätte sogar in der Nacht mit dem Auto dort hinfahren und sagen können: Schluss, Abbruch, fertig! Alle fahren nach Hause, wir reden am nächsten Tag wieder darüber! - Das hätte rein rechtlich sonst niemand in dieser Nacht machen können.

 

Was kann man darüber hinaus machen? - Politik. Nun können diejenigen, die es anders sehen, zusammen Politik machen oder auch noch gegeneinander arbeiten. Wir können einander jetzt gegenseitig absprechen, wer es eh nicht ernst meint, eh zu wenig macht oder nichts tut. Dabei wird immer auf diejenigen vergessen, die die Gesetze tatsächlich so haben wollen, wie sie sind. Wir haben rund um das Bleiberecht, rund um das, was den 12-Jährigen passiert, Gesetze, die von irgendjemandem in den letzten 10 bis 20 Jahren beschlossen worden sind, von uns im Übrigen aber nicht. Keine einzige Verschlechterung in Bezug auf Menschenrechte, Asylverfahren beziehungsweise Aufenthaltsrecht ist von einem Grünen oder einer Grünen mitbeschlossen worden, kein einzige!

 

Es bringt allerdings nichts, wenn ich jetzt aufzurechnen anfange und sage, oh, bis 2014 hatten wir ein besseres humanitäres Bleiberecht, dieses ist dann aber abgeschafft worden. Von welcher Bundesregierung? - Dazu hat es nicht einmal die FPÖ in der Regierung gebraucht. Und damit beginnt dann das Hinhacken auf die Partei, die hier in diesem Haus die größte ist. Das bringt uns aber auch nichts. Es bringt uns nichts, die Versäumnisse von alten Regierungen anzukreiden und durchzugehen, wer welche Gesetze beschlossen hat.

 

Ich kann gut sagen: Kein einziger Grüner hat eines davon zu verantworten, keines davon passt uns und keines davon wird mit uns schlechter gemacht. Dass das schon als Fortschritt im momentanen Zustand gilt, ist eh zum Speiben. Die „Es wird nicht schlechter“-Einstellung, dass jetzt schon mehr geschehen ist als in den letzten 20 Jahren, als das Ausländervolksbegehren von Jörg Haider Punkt für Punkt umgesetzt wurde, mit und ohne Freiheitliche in der Regierung, nutzt uns jetzt überhaupt nicht.

 

Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, ob wir irgendwo in irgendwelchen Fragen, wenn auch nicht in allen, irgendwie zusammenfinden mit jenen, die es anders sehen. Damit meine ich nicht einmal die NEOS, die SPÖ, die Grünen, sondern ich denke an viele Leute darüber hinaus, die am Sonntag in die Kirche gehen und das ernst meinen, was sie dort herunterbeten und was sie dort hören. Es ist nämlich kaum zum Aushalten, dass Leute am Sonntag dort hingehen, Nächstenliebe predigen und es toll finden, wenn man Zwölfjährige abschiebt. Das ist brutal!

 

Es gibt aber ganz viele, die das anders sehen. Es gibt da kein Bündnis in diesem Haus. Mein Gott, natürlich habe ich genug Texte, die zeigen, was irgendjemand von der SPÖ irgendwann in der Frage in Bezug auf diese Gesetze falsch gesagt hat. Das zu erörtern, ist jetzt aber sinnlos. Das bringt uns heute nichts. Das ist die Rechnung von gestern. Und es bringt auch nichts, wenn man den fünf NationalrätInnen von den GRÜNEN, die in der

 

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