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Gemeinderat, 9. Sitzung vom 28.04.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 114

 

anzustecken, frei von der Sorge, dass wir geliebte Menschen durch eine Viruserkrankung verlieren könnten. - Aber dort sind wir noch nicht.

 

Was wir auch sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das finde ich eigentlich ziemlich beeindruckend, ist, dass wir nach wie vor relativ wenig über das Virus wissen. Ja, die Wissenschaft leistet Enormes, die internationale Zusammenarbeit hat sich, glaube ich, durch das Virus sehr positiv bewährt und ist beschleunigt worden. Gleichzeitig müssen wir aber auch zur Kenntnis nehmen, dass gewisse Forschungsprozesse Zeit brauchen. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass wir eigentlich immer noch viele Daten nicht haben und oft in einem Datenblindflug operieren - und das in einer Zeit, in der Mars-Landungen stattfinden. Wir erleben also sehr viel Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem, von Widersprüchlichem. Die Pandemie - das ist aus meiner Sicht so - hat vieles auf den Kopf gestellt, und gleichzeitig, auch wenn wir es noch so sehr wünschen und uns selbst auf den Kopf stellen wollen, beeindruckt das die Pandemie genau nicht. Wir sind nach wie vor in einem Ausnahmezustand, der uns allen viel abverlangt und zumutet.

 

Die Pandemie hat weitreichende Auswirkungen ökonomischer Natur, ökologischer Natur, psychischer Natur. Das Gesundheitssystem, wie gesagt, ist ziemlich ans Limit gekommen, und dennoch ist dort auch das Helfende in ganz bewundernswerter Art und Weise zutage getreten und tritt weiter zutage.

 

Herr Bgm Ludwig hat gestern in seiner Pressekonferenz zu den Öffnungsschritten in Wien davon gesprochen, dass er eigentlich die letzte Phase der Pandemie sieht. Ich wünsche mir natürlich, dass er recht behalten möge. Gleichzeitig frage ich mich natürlich schon, woher der Herr Bürgermeister diese Gewissheit hat und woran er das Ende der Pandemie fest macht, denn aus meiner Sicht kann man derzeit nicht wirklich sagen, wo und wann das Pandemiegeschehen ein Ende findet. Wir wissen nicht, wie das Impfen auf Mutanten und Fluchtmutanten wirkt, ob das Viren beeindruckt. Wir wissen nicht, wie es wirklich mit dem Schützen ist, auch wenn es optimistische Untersuchungen dahin gehend gibt, dass die Übertragungen reduziert werden. Wir wissen auch nicht, wie sich das Öffnen auswirkt, wie die Reisetätigkeit wirkt. Wir wissen nicht, wie Menschen, die an Long Covid erkrankt sind, weiter an diesen Folgen leiden werden. Klar ist aber: Wir brauchen Anlaufstellen, wir brauchen Therapie, Reha und multiprofessionale Teams, um PatientInnen mit Long Covid auch behandeln zu können.

 

Das sind nur einige Beispiele, sehr geehrte Damen und Herren, mit denen ich zeigen möchte, dass die Pandemie leider, leider noch lange nicht vorbei ist. Wir brauchen weiterhin klare Regeln, Ziele und Vereinbarungen, damit wir zu einem Lockdown-freien Leben kommen können.

 

Ich frage mich manchmal schon, ob es wirklich so sinnvoll ist, dass da - ich bezeichne das jetzt einmal so salopp - doch immer wieder einzelne Landeskaiser - das sind Männer - ihr eigenes Süppchen kochen und trotz meiner Befürwortung von Regionalisierung und Lokalisierung doch irgendwie immer unterschiedlich auf das gleiche Phänomen reagieren. Ich glaube nicht, dass das zu mehr Sicherheit und Verständnis beiträgt, sondern dass es dazu beiträgt, in der Gesellschaft zu polarisieren. Ich glaube, das ist genau das, was wir derzeit nach wie vor nicht brauchen können.

 

Um Ihnen ein Beispiel dafür zu geben: Der Wildwuchs beim Impfen hat sich auch in Wien abgezeichnet. Wien ist beim Impfen entgegen den Empfehlungen des nationalen Impfplans doch in gewisser Weise auch einen eigenen Weg gegangen und es wurde nicht ausschließlich auf Alter, Hochrisiko- oder Risikogruppen abgezielt, sondern ganz stark auf Berufsgruppen. Gut, diese Parallelstrategie hat gewiss auch seine Vorteile, aber gleichzeitig hat sie viele Menschen vor den Kopf gestoßen. Beispielsweise gibt es da die Frage: Warum ist meine alte demente Mutter im Pflegeheim noch nicht dran, während ein junger Verwaltungsmitarbeiter im Spital doch schon die Spritze bekommen hat? Warum hat ein Risikopatient mit Diabetes seinen Impftermin zu einem Zeitpunkt, an dem die MusikerInnen der Wiener Philharmoniker auch einen Impftermin haben? - Die Wiener Philharmoniker sind ja überhaupt noch ein eigenes Kapitel. Diese Beispiele zeigen, dass es einfach oft unnachvollziehbar ist, nach welchen Kriterien Menschen Impfangebote bekommen. Auch wenn jeder geimpfte Mensch in der Pandemiebekämpfung ein Fortschritt ist, gibt es eigentlich nach wie vor keine wirklichen Kontrollen gegen Impfvordrängler.

 

Ich möchte dennoch an dieser Stelle betonen und großes Lob aussprechen, dass die Organisation in den Impfstraßen, auch die Organisation der Abläufe bei den Teststraßen hervorragend läuft und da die Menschen ganz tolle Arbeit leisten.

 

Es stimmt mich recht optimistisch, dass wir dieser Tage in Österreich wieder eine neue große Impflieferung bekommen und damit beim Durchimpfen auch einen substanziellen Sprung nach vorne machen können. Ich hoffe sehr, dass die ImpfskeptikerInnen zunehmend immer weniger werden und die Anerkennung der Vorteile sich immer mehr breit macht. Bekanntlich wird jetzt auch immer stärker in den Betrieben geimpft. Ich halte es auch für sehr wichtig, dass da vor Ort gute Informations- und Aufklärungsarbeit geleistet wird, dass man sich auch dafür Zeit nehmen muss, dass man Skepsis nicht einfach abtun soll, sondern dass man sich damit auch wirklich aktiv auseinandersetzen muss. Wir brauchen einfach eine hohe Impfrate!

 

Die gute Informationsarbeit zeigt sich insbesondere dort, wo sich schon viele Beschäftigte impfen haben lassen, beispielsweise in Pflegeheimen. Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel und dem sollten auch andere folgen, denn ob jemand mit einem schweren oder gar tödlichen Verlauf einer Covid-Infektion zu kämpfen haben wird oder nicht, hängt, das sehe ich ganz so wie Kollege Gara, von seinem/ihrem Impfstatus ab. Darum ist es wirklich notwendig und ein großes Anliegen von mir, dass da weiter ganz aktiv aufgeklärt und informiert wird. Auch die ExpertInnen sagen uns ja, dass wir alle nur

 

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