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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.05.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 11 von 97

 

Und da heute auch ein Antrag kommt, die politischen Parteien mit hinein zu nehmen: Das ist nicht die Idee von so einem ExpertInnenrat. Die Idee des ExpertInnenrates ist, dass Personen mit Expertise in ihrem Feld unabhängig dazu beraten können, ich mit ihnen im kritischen Diskurs bin und dann Ableitungen für die politische Arbeit daraus treffen werde. Mein Verständnis ist, das auch unabhängig anzugehen. Ich möchte ihnen also nicht vorschreiben, wozu sie zu forschen haben oder wie dann das Statement ausschauen soll. Das halte ich nicht für zielführend und darum ist das so aufgestellt worden, wie ich es auch letzte Woche präsentiert habe.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 3. Zusatzfrage kommt von der SPÖ. Herr GR Prof. Kaske, bitte.

 

9.37.35

GR Prof. Rudolf Kaske (SPÖ): Schönen Vormittag, geschätzter Herr Vizebürgermeister und Stadtrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich möchte folgende Zusatzfrage stellen: Der erste Schwerpunkt des Wiener Integrationsrates, Sie haben es ja erwähnt, soll das Thema Covid und Integration sein. Daher frage ich: Welche Überlegungen stehen hinter dieser Themenauswahl?

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.

 

VBgm Christoph Wiederkehr, MA: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie wurden in der bisherigen Phase vor allem aus der gesundheitspolitischen Perspektive gesehen, dann kam immer mehr die wirtschaftliche Dimension dazu, und auch die bildungspolitische. Wo ich finde, dass es noch zu wenig gesellschaftlichen Diskurs und Auseinandersetzung gibt, ist, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die Integrationspolitik haben wird, denn selbstverständlich hat so eine Pandemie, in der es weniger Begegnung und Interaktion gibt, Auswirkungen auf den Integrationsprozess.

 

Nachdem ich sehe, dass sich mit dieser Frage noch zu wenige beschäftigt haben, war es meine Vorstellung, das gleich als erstes Thema zu nehmen. Ich sehe da mehrere Implikationen, zum Beispiel die Frage des Spracherwerbs von Kindern, die nach Österreich gekommen sind, zu Hause eine andere Muttersprache haben und lange im Distance Learning waren, denn wir wissen, dass über das Distance Learning der Spracherwerb schwieriger ist. Das ist ja auch logisch, denn man hört mehr zu und redet weniger, man kommt auch weniger in den Austausch mit Gleichaltrigen.

 

Dann gibt es bestimmte Defizite, mit denen wir uns beschäftigten müssen, um - auch hier ein Thema - die Sprachförderung noch zu intensivieren, weil natürlich die Sprache ein ganz wichtiger Bestandteil der Integration ist. Es wird aber nicht nur um die Sprache gehen, sondern in der ersten Runde kamen schon viele Themen, nämlich zum Beispiel auch, dass die Pandemie Auswirkung auf die Einbürgerungen hat und dass die zurückgehen, dass die Pandemie auch Auswirkung darauf hat, wie wir welche Zielgruppen über die Impfung erreichen.

 

Das sind alles Themen, die hier behandelt werden sollen. Da gibt es viele Ideen von den Expertinnen und Experten, die arbeiten jetzt daran. Akute Themen werden natürlich sofort behandelt, und das Statement wird am 18. Dezember fertig sein, in dem Bewusstsein, dass uns diese Thematik auch noch mittel- und langfristig beschäftigen wird.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 4. Zusatzfrage kommt von GR Maximilian Krauss von der FPÖ.

 

9.40.16

GR Maximilian Krauss (FPÖ): Guten Morgen, Herr Vizebürgermeister!

 

Auch wir haben von Ihrem Integrationsbeirat aus den Medien erfahren. Sie haben gesagt, er ist sehr divers aufgestellt. Er ist vielleicht divers aufgestellt, was die berufliche Herkunft der Mitglieder dieses Rates betrifft, er ist allerdings politisch in Wahrheit nicht divers aufgestellt, weil wenn man sich die politischen Proponenten, die Sie eingeladen haben, anschaut und googelt, dann findet man sehr schnell heraus, dass in Wahrheit alle einen politisch recht linken Hintergrund haben.

 

Jetzt haben Sie gesagt, Sie wollen politische Parteien explizit nicht in diesem Gremium drinnen haben. Das kann ich nachvollziehen. Aber wären Sie bereit, diesen Expertenrat zu erweitern, sodass auch die Oppositionsparteien Experten aus ihren Reihen, die allerdings Experten sind und keine Politiker, in Ihren Beirat entsenden können?

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.

 

VBgm Christoph Wiederkehr, MA: Ich glaube, wir haben da eine grundsätzlich unterschiedliche Auffassung, was die Funktion von Expertinnen und Experten ist. Meine Auffassung ist nicht, ich möchte ein politisches Ziel X verfolgen und suche mir dann die willigen Expertinnen und Experten, die diese politische Situation vertreten, um dann zum Ergebnis zu kommen, sondern ich habe mir angeschaut, welche Themenfelder wir in der Integrationspolitik behandeln müssen und welche renommierten unabhängigen Expertinnen und Experten es in diesem Feld gibt.

 

Das ist zumindest meine Herangehensweise, wenn ich mit Expertinnen und Experten im Dialog bin. Ich frage nicht nach einem Parteibuch, ich bin auch fest überzeugt, dass die meisten UniversitätsprofessorInnen sich sehr darum bemühen, auch eine Äquidistanz zu politischen Parteien zu haben, auch wenn es nicht schade ist, wenn sich manche irgendwo zugehörig fühlen. In diesem ExpertInnenrat gibt es aber eine sehr, sehr große Bandbreite an gesellschaftspolitischen Überzeugungen, und das ist auch gut so, denn im Vordergrund darf nicht eine parteipolitische Agenda stehen, sondern die Meinung der Expertinnen und Experten.

 

Das ist auch mein Verständnis. Wenn es einen aktuellen Vorfall wie Frauenmorde gibt, dann möchte ich nicht automatisch den Schluss ziehen - wie manch anderer auf Bundesebene -, dass kulturelle Aspekte von Ausländern daran schuld sind, weil Frauenmorde und Frauengewalt, glaube ich, ein Phänomen sind, das sehr, sehr breit vertreten ist. Ich möchte dann eine unabhängige Einschätzung der Expertinnen und Experten haben und nicht in Auftrag geben, was ich mir politisch wünsche, um das dann auch politisch zu nützen.

 

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