Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.05.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 14 von 97
scheinlich wenige politische Fragen gibt, bei der, wie ich hoffe, alle Fraktionen so an einem Strang ziehen.
Es hat sich aber bei diesen Demonstrationen der letzten Wochen gezeigt, dass neben dem schon lange bekannten rechtsextremen Antisemitismus und dem auch immer wieder auftauchenden linksextremen Antisemitismus natürlich auch der - ich nenne ihn einmal - religiös motivierte Antisemitismus ein Problem ist oder vermehrt zu einem Problem zu werden scheint.
Meine konkrete Frage an Sie daher: Können Sie sich als Stadtrat, der ja auch sehr viele Fördermaßnahmen zu vergeben und zu orchestrieren hat, vorstellen, dass Sie Fördermaßnahmen an so lapidare und selbstverständliche Dinge wie das von Ihnen angesprochene Existenzrecht des Staates Israel binden können und dass Gruppierungen, die nicht bereit sind, so etwas zu akzeptieren und bei denen es vielleicht Diskussionsbedarf in diese Richtung gibt, das einmal klarzustellen, bevor Fördergelder fließen?
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.
VBgm Christoph Wiederkehr, MA: Wenn ich in geförderten Vereinen einen strukturellen Antisemitismus sehen sollte, dann hätte ich dem gegenüber auch keine Toleranz, denn das hat da nichts zu suchen, und da müssen wir auch als Stadt sehr, sehr klar dagegen auftreten. Ich sehe in den vor allem auch in meinem Ressort geförderten Vereinen eine große Sensibilität für dieses Thema. Auch im Bereich der Integrationspolitik der Stadt haben wir einen Fokus genau darauf, wo in migrantischen Communities Antisemitismus besteht - den gibt es -, und genau diesen auch zu bekämpfen.
Wir arbeiten zum Beispiel mit Interface Wien gerade auch intensiv daran, zu identifizieren, in welchen Bereichen von Communities dieser antisemitische Rassismus und dieser migrantische Antisemitismus verankert sind, um da auch bewusst hineinzugehen und arbeiten zu können. Ein wichtiger Hebel sind die Jugendlichen, weil es sich dort oft manifestiert, und da gibt es den Schulbereich und den außerschulischen Bereich.
Oft sehen wir erst im außerschulischen Bereich, welche Auswirkungen das dann wirklich hat und wo Antisemitismus wirklich strukturell verankert ist. Überall dort, wo wir ihn sehen, müssen wir ihn bekämpfen, egal, ob es in Vereinen ist oder bei Jugendlichen, die nicht organisiert sind. Es ist die Aufgabe unserer Politik, Antisemitismus im Keim zu bekämpfen.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 3. Zusatzfrage kommt von der SPÖ. Frau GRin Mag. Mautz-Leopold, bitte.
GRin Mag. Andrea Mautz-Leopold (SPÖ): Sehr geehrter Herr Stadtrat, herzlichen Dank für Ihre klaren Worte, die tatsächlich sehr unmissverständlich sind. Sie haben sozusagen gesagt, dass antisemitische Vorfälle in Wien wieder gestiegen sind, auch Kollege Kunrath hat einen konkreten Vorfall angesprochen. Daher möchte ich Sie gerne fragen, welche Informationen der Stadt eigentlich vorliegen, was antisemitische Vorfälle und Straftaten anbelangt.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.
VBgm Christoph Wiederkehr, MA: Wir haben da zum Glück eine gute Informationslage und können damit auch sehr gut sehen, wie sich solche Vorfälle entwickeln. Wir müssen leider eine negative Entwicklung wahrnehmen, die mich auch sehr, sehr betroffen macht, weil die Vorfälle in den letzten Jahren gestiegen sind. Wir haben leider mit dem vergangenen Jahr mit 585 gemeldeten Vorfällen auch einen negativen Rekord gehabt.
Das ist leider ein historischer Höchstwert, der zeigt, wie aktuell und wie relevant dieses Thema ist. Wir haben zwei Berichte, die uns einen sehr guten Überblick geben. Das ist einerseits der Rassismus Report von ZARA, in dem das auch ausgeschildert wird, und das ist zweitens der Jahresbericht der Antisemitismusmeldestelle der israelitischen Kultusgemeinde, der erst vor Kurzem erschienen ist und der uns auch sehr, sehr wichtige Hintergrundinformationen gibt.
Wir haben mit letztem Jahr 585 gemeldete Fälle gehabt, darunter waren 11 körperliche Angriffe, 22 Bedrohungen, 53 Sachbeschädigungen, also wirklich Delikte, die sehr relevant und erschreckend sind, dass so viele solcher Delikte - oder möglicher Delikte, es sind noch nicht alle geahndet - stattfinden. Und wir wissen auch, woher dieser Antisemitismus kommt.
Die Motive werden auch analysiert, und es knüpft ein bisschen an die Frage der ÖVP an, woher denn der Antisemitismus kommt. Wir haben noch immer eine relative Mehrheit an gemeldeten Fällen von rechten politischen Gruppierungen, das heißt, der rechtsextreme Hintergrund bei Motiven für Antisemitismus ist noch immer im Vordergrund. Wir haben aber auch im Bereich von linksextremem oder auch muslimischem Antisemitismus steigende Zahlen, und diese müssen wir natürlich genauso ernst nehmen, denn egal, was der Hintergrund ist, eine antisemitische Straftat ist eine antisemitische Straftat und muss so gesehen und auch geahndet werden.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 4. Zusatzfrage kommt von der FPÖ. Herr GR Berger, bitte.
GR Stefan Berger (FPÖ): Guten Morgen, Herr Vizebürgermeister!
Unlängst ist in der „Tiroler Tageszeitung“ ein sehr interessanter Artikel erschienen, der mehrere Studien zum Thema Antisemitismus und Migration miteinander verglichen hat. Was man über den Vergleich von mehreren Studien zusammenfassend sagen kann, ist, dass natürlich insbesondere bei Einwanderern, bei Zuwanderern aus muslimisch geprägten Ländern der Antisemitismus sehr, sehr weit verbreitet ist. Ich darf vielleicht eine Studie kurz zitieren. Es gibt einen Forschungsbericht von Herrn Dr. Peter Filzmaier im Auftrag des Integrationsfonds, dem zufolge immerhin bei 63 Prozent der Syrer in der 1. Generation zugewandert Antisemitismus weit verbreitet ist, bei 61 Prozent bei Menschen türkischer Herkunft, und selbst in der 2. Generation sind es dann noch in etwa rund 50 Prozent. Das zieht sich mehr oder weniger wie ein roter Faden quer durch alle Studien, wo
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