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Gemeinderat, 12. Sitzung vom 28.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 106

 

heute sind. All diese Leistungen stehen in einer guten Wiener Tradition, Ankündigungen Taten folgen zu lassen.

 

Mein Dank gilt ebenso den Bürgerinnen und Bürgern in unserer Stadt. Sie alle haben ihren Beitrag für unseren vorerst ruhigen Sommer geleistet, indem sie von zu Hause aus für ihre Betriebe arbeiteten und ihre MitarbeiterInnen trotz des Lockdowns kämpften, indem sie für ältere Menschen den Einkauf erledigten oder regelmäßig gurgelten und jetzt zur Impfung gehen. Viele Wienerinnen und Wiener hatten in diesem Jahr den Verlust von geliebten Menschen zu verkraften, unendlich schwierig, oder verloren ihre Arbeit und hatten an manchen Tagen zu Recht die Furcht vor dem Morgen. Sie waren trotz aller Entbehrungen vorbildhaft, denn sie haben sich dieser ungewöhnlichen Zeit gestellt und ihre Arbeit am Heute geleistet.

 

Streben wir diesem Vorbild nach, führen wir heute und morgen eine seriöse Debatte, indem wir unsere Anteile an den Problemlösungen für unsere Stadt darlegen und ergebnisorientiert diskutieren. Wir sind es den Wienerinnen und Wienern schuldig, wir stehen in ihrer Verantwortung. Wir haben es im abgelaufenen Jahr in vielen Sitzungen, oftmals auch in gemeinsamen Beschlüssen aller, bewiesen. Darauf bin ich sehr stolz.

 

Zum Thema Standortbestimmung, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Wien ist eine Weltstadt. Wir sind es gewohnt, globale Probleme wie ein Seismograph zu erspüren und lokale Lösungsansätze zu entwickeln. Die strategischen Leitlinien unseres Bürgermeisters und der gesamten Wiener Stadtregierung für das Krisenmanagement waren von Anfang an klar. Es gibt vier Punkte, die ich hier besonders herausstreichen möchte: Erstens muss natürlich die Gesundheits- und Altenversorgung unter allen Umständen aufrechterhalten werden, zweitens müssen wir die Lücken, die die Bundeshilfen hinterlassen, füllen und dort aktiv werden, wo wir mit eigenen Instrumenten Betriebe und Arbeitsplätze sichern können. Drittens: In einer akuten Krise einzusparen und die Zahlen ein wenig zu verschönern, dafür waren wir alle nicht zu haben. Nicht zu handeln, wäre, wie immer, die teuerste Option gewesen. Viertens galt es gleichzeitig, unbürokratisch Lösungen für Probleme der kleinen und mittelständischen Unternehmen der Wiener Wirtschaft zu finden, um unnötige Belastungen in dieser angespannten Situation aus dem Weg zu räumen. Auch da galt immer wieder, dass wir mit den Sozialpartnern gemeinsam den Schulterschluss gesucht und oftmals gefunden haben.

 

Diese strategischen Ziele hatten ein gutes, finanzielles Fundament, auf das ich natürlich auch immer wieder gerne zu sprechen komme. Noch Ende 2019 schlossen wir das wichtigste Jahr neutral ab, wir schafften ein Nulldefizit. Wir haben 30 Monate hintereinander die Arbeitslosigkeit reduziert. Es gab noch nie so viele Beschäftigungsverhältnisse wie in diesem Jahr 2019 mit 860.000 Beschäftigten. Ein ausgeglichener Haushalt und ein gesenkter Schuldenstand, das ist das Fundament, dass wir jetzt auch gut durch diese Krise kommen können.

 

Mit Anfang des neuen Jahres verdichteten sich die Zeichen dieser großen Veränderung, deren Ausmaß damals aber niemandem klar war. Ein Drittel der Menschheit saß zeitweise im Lockdown, die Rohölpreise verfielen, die Luftfahrt blieb am Boden, die Handels- und Lieferketten wurden weltweit zerrissen. Der Tourismus war erst gar nicht anzudenken. Selbst in Branchen, in denen grundsätzlich unter Sicherheitsauflagen weitergearbeitet wurde, beispielsweise die Bauindustrie, konnten teilweise die Aufträge nicht abgearbeitet werden.

 

Nach den ersten Lockdown-Phasen begannen die Staaten der Welt, rasch dagegen zu arbeiten. Die Vereinigten Staaten kündigten erst kürzlich an, in den nächsten 8 Jahren umgerechnet 1,7 Billionen EUR in die Infrastruktur zu investieren. Die Europäische Union hat mit ihrem neuen Finanzrahmen und dem größten europäischen Finanzrahmen, den es je gab, den Recovery Fund, das größte Konjunkturprogramm ihrer Geschichte aufgestellt. Über 800 Milliarden EUR werden in diesen nächsten Jahren in den europäischen Wiederaufbau fließen. Die öffentlichen Haushalte der Staatengemeinschaft erleben deshalb eine enorme Belastungsprobe.

 

Bloomberg berichtete im Frühjahr dieses Jahres, dass die globale Verschuldung nunmehr die höchste der Geschichte sei und sogar die nach dem Zweiten Weltkrieg locker in den Schatten gestellt werden würde. Trotz dieser Dimensionen ist es uns auf kommunaler Ebene klar, dass die Alternative, nicht zu handeln, nicht gegenzusteuern, viel teurer gewesen wäre. Denn fünf Mal so hoch waren die Ausschläge auf die österreichische und auf die Wiener Wirtschaftsleistung im Vergleich zur Banken- und Finanzkrise der Jahre 2008/2009. Fiel die Wirtschaftsleistung damals um rund 1,2 Prozent, waren es im Pandemiejahr - wir alle können uns erinnern - 6,2 Prozent. Beide Male waren die Wiener Ausschläge zumindest eine Spur geringer und niedriger als im Bundesschnitt. Die Erlahmung der Wirtschaft ließ die Republik Österreich ein Rekorddefizit von 33 Milliarden EUR einfahren, die Schuldenquote schnellte von 60,8 auf über 72 Prozent. Auch Wiens Defizit stieg - das soll da gesagt sein - um 1,1 Milliarden EUR und führte zu einem Gesamtschuldenstand von 7,8 Milliarden EUR. Das ist unter anderem natürlich auf den Ausfall von 780 Millionen EUR an Ertragserteilen aus dem vom Bund eingehobenen Steuern zurückzuführen, den Ausfall von 50 Millionen EUR eigener Abgaben und den enormen Mehrausgaben, die wir hier, wie gesagt, im letzten Jahr teilweise auch gemeinsam beschlossen haben, um dieser Gesundheits- und damit Wirtschaftskrise gegenläufig entgegenzutreten.

 

Noch in der Voranschlagsrede vor einem halben Jahr habe ich von einem prognostizierten Defizit von rund 1,6 Milliarden EUR für Wien gesprochen, später gingen die Prognosen von 1,3 Milliarden EUR aus. Abschließen konnten wir, und das Produkt liegt heute vor, um 200 Millionen EUR besser, da es allen Ressorts, und mein Dank gilt allen Ressorts, gelungen ist, in den letzten Monaten einen strengen, strukturierten Vollzug zu generieren. Ich danke euch. Es gilt aber auch, nachzudenken, wie es denn in den nächsten Jahren weitergehen kann,

 

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