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Gemeinderat, 12. Sitzung vom 28.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 94 von 106

 

Beispiel meine Nachbarin. Das bedeutet, dass wir mehr durchgängige Angebote brauchen und umso wichtiger sind eben diese ganzjährigen niederschwelligen Angebote.

 

Zweitens: Die Klimakrise verschärft die Kälte beziehungsweise das Wetter nicht nur im Winter, sondern sie führt umgekehrt im Sommer natürlich auch zu enormer Hitze. Und genauso, wie wir Obdachlose im Winter vor dem Erfrieren schützen müssen, müssen wir selbstverständlich im Sommer die Leute vor dem Hitzetod schützen. Das ist doch ganz klar, und deswegen ist es wichtig, dass es das gibt.

 

Zu guter Letzt: Auch ökonomisch ist das ständige Rauf- und Runterfahren dieser Notquartiere und Wärmestuben unsinnig. Da stehen sowohl die Trägerorganisationen als auch die davon betroffenen Beschäftigten regelmäßig vor enormen Herausforderungen. Und seit der Pandemie wird die diesbezügliche Planung immer schwieriger, was natürlich sehr viele Beschäftigte im Sozialbereich auch immer wieder in prekäre und unsichere Arbeitsverhältnisse drängt. Das kann doch von einer Stadt Wien, die sozial ist, nicht gewollt sein, meine Damen und Herren!

 

Zusammenfassend noch einmal: Die Umwandlung des FSW-Winterpakets in ein ganzjähriges Unterstützungsangebot ist grundsätzlich anzustreben, weil die akute Obdachlosigkeit in einer der reichsten Städte der Welt - übrigens unabhängig von der Jahreszeit - nicht akzeptabel ist. Die Unterstützungsmaßnahmen des FSW-Winterpakets müssen jedenfalls so lange aufrechterhalten werden, bis das Pandemiegeschehen vollständig unter Kontrolle ist und die Folgen der Pandemie ausgestanden sind. Stimmen Sie daher bitte unserem Antrag im Sinn der von Armut Betroffenen zu. - Danke vielmals.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Vielen Dank. Das war eine Punktlandung. Genau zehn Minuten. Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Dr. Gorlitzer. Selbstgewählte Redezeit sieben Minuten. Bitte.

 

20.01.58

GR Dr. Michael Gorlitzer, MBA (ÖVP)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

 

Die niedergelassenen Ärzte und der Ärztefunkdienst waren europaweit beispielhaft bei der Bekämpfung und Abfederung der Corona-Pandemie. Ebenso waren die Gesundheitsberufe mit ihren Mitarbeitern in unseren Spitälern tragende Säulen zur Bekämpfung derselben.

 

Kommen wir zum Rechnungsabschluss beziehungsweise zum Rechnungsbericht des Wiener Gesundheitsverbundes. Dieser zeigt eine Erhöhung des negativen Eigenkapitals von 390 Millionen auf 410 Millionen EUR und einen Bilanzverlust von 286 Millionen statt 277 Millionen im Jahr davor. All das kann man als pandemiebedingt erklären.

 

Die stationären Aufnahmen waren um 19 Prozent rückläufig, die Pflegetage um 14 Prozent. Und jetzt kommt es: Die tatsächliche Bettenanzahl in der Pandemie betrug minus 2,8 Prozent. Ob all das durch Corona bedingt war, weiß ich jetzt nicht. Gleichzeitig kam es zu einer erhöhten Anzahl von Gangbetten. - Ich kann mich erinnern: Als ich noch Assistenzarzt war, war es total verpönt, ein Gangbett aufzustellen. Das war fast ein Sakrileg. Die Steigerung der Benutzung von Gangbetten bis zu 24 Stunden betrug letztes Jahr 78 Prozent und über 24 Stunden 33 Prozent. Es ist schon erstaunlich, dass all das Corona-bedingt ist!

 

Gleichzeitig kam es zu einer Abnahme von diagnosebedingten Aufnahmen, und zwar pandemiebedingt um 19 Prozent. Die zwei wichtigsten Diagnosegruppen sind natürlich Herz und Kreislauf, in diesem Bereich betrug das Minus 20 Prozent, und bei den onkologischen Patienten, also bei den Krebspatienten, waren es minus 14 Prozent. Auch auffällig ist der Rückgang der Augenerkrankungsfälle um minus 41 Prozent und der Hauterkrankungsfälle um minus 35 Prozent. Die Zahl der Operationen ging um 15,2 Prozent zurück. - Das ist ein Mischmasch von Zahlen. Diese sind teilweise als Corona-bedingt erklärbar, ich meine aber, dass auch noch viele strukturelle Probleme dahinterstehen.

 

Faktum ist, dass wir letztes Jahr eine Zunahme von Personal hatten. Wir reden hier die ganze Zeit von zu wenig Personal in unseren Wiener Spitälern. Wo war also jetzt der große Zuwachs an Personal? - Bei Betriebspersonal gab es ein Plus von 7,5 Prozent und beim Verwaltungspersonal von 4,7 Prozent. Das hilft uns aber in einer Pandemie nicht so wahnsinnig viel weiter. Bei der Zahl der Ärzte gab es eine Steigerung von 2,8 Prozent. Es fehlen allerdings nach wie vor - das wissen wir, und das weiß der Herr Stadtrat genauso gut wie ich - viele Ärztedienstposten. Und im Pflegebereich gab es nur eine Steigerung um lächerliche 0,5 Prozent.

 

Meine Damen und Herren! Kein Mensch sucht ein Spital auf, um dort Verwaltungspersonal oder Betriebspersonal zu treffen, sondern man geht ins Spital, um von den Leistungsträgern, Ärzten und Pflegepersonal, behandelt zu werden. Die Stadtregierung und der Herr Stadtrat sehen da aber überhaupt keinen Handlungsbedarf, um endlich eine Änderung der Situation herbeizuführen.

 

In der Pandemie war das gesamte medizinische Fachpersonal massiv belastet, sowohl körperlich als auch psychisch. Dies zeigt auch eine Umfrage von 8.200 Wiener Ärztinnen und Ärzten über den Zustand der Belastung in ihrer Arbeit. Das Ergebnis, meine Damen und Herren, ist mehr als dramatisch. Mehr als die Hälfte, nämlich 53 Prozent, fühlten sich oft beziehungsweise sehr oft emotional erschöpft, 52 Prozent dazu auch körperlich erschöpft. Mehr als die Hälfte haben schon daran gedacht, im Hinblick auf ein Burn-out mit ihrer Arbeit aufzuhören. Das entspricht der Zahl, dass 1.000 in den Wiener Spitälern angestellte Ärztinnen und Ärzte kurz vor einem Burn-out stehen. Und wenn man den heutigen „Kurier“ liest, dann sieht man die Schlagzeile „Krankenpflege. Die Luft ist draußen.“

 

Ich glaube, das gilt für alle Gesundheitsberufe. Für die Krankenpflege gilt jedenfalls das Gleiche: Mehr als die Hälfte aller Krankenpflegerinnen und -pfleger überlegen im Moment, den Job aufzugeben. Um eine Kündigungswelle im Bereich der Gesundheitsberufe auf Grund der enormen psychischen und physischen Belastung zu

 

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