Gemeinderat, 15. Sitzung vom 25.11.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 99
28 Frauen wurden dieses Jahr ermordet, könnte ich feststellen, aber was vielleicht viel mehr einer Feststellung wert ist, dass 28 Männer dieses Jahr in Österreich Frauen - zumeist ihre entweder noch oder ehemaligen Ehefrauen, Partnerinnen, Lebensgefährtinnen oder Freundinnen - ermordet haben. Sprache ohne Täter gibt den Eindruck, dass es keinen Täter gibt, dass diese Dinge einfach passiert sind. Das sind sie aber nicht! Es liegt da ein strukturelles Problem vor, es handelt sich nicht um individuelle, oftmals fälschlicherweise als Beziehungsdramen, Familientragödien, Eifersuchtstaten bezeichnete Einzelfälle.
Bei Männergewalt handelt es sich um systematische, von patriarchalem Besitzdenken geprägte Gewalt, die mit Machtausübung und mit Machtmissbrauch einhergeht. Femizide, das möchte ich hier feststellen, sind allerdings immer nur die traurige Spitze des Eisbergs. Wenn ich in dieser Aktuellen Stunde für etwas plädieren will, dann für Folgendes: Bitte lassen Sie uns zusammen gegen Gewalt auftreten. Wenn wir das tun, macht das Hoffnung, auch für die Frauen, die Unterstützung benötigen, die Konsequenzen ziehen wollen. Sich aber natürlich überhaupt Unterstützung holen zu können, setzt natürlich ein breites Gewaltschutznetz voraus, in dem man aufgefangen wird.
Ich bin sehr froh darüber, dass es dieses Netz in Wien gibt. Allein 2022 investiert die Stadt Wien insgesamt 10 Millionen EUR, um dieses Gewaltschutznetz noch engmaschiger zu knüpfen. Diese Koalition hat sich als prioritäres Ziel gesetzt, Maßnahmen zu setzen, die einerseits dafür sorgen, dass Frauen noch schneller, noch unbürokratischer und vor allen Dingen noch niederschwelliger Hilfe erhalten, wenn sie diese benötigen. Andererseits ist es uns ein großes Anliegen, die Priorität dort hin zu setzen, wo wir mit Prävention Muster durchbrechen können. Das tun wir etwa im Jugendbereich, wie meine Vorrednerin Marina Hanke schon gesagt hat, beim Schulprogramm „Respekt: Gemeinsam stärker“, das tun wir bei der Männerarbeit, für die wir die Mittel verdreifachen. Wir verdoppeln die Mittel für die Wiener Gewaltschutzvereine, zusätzlich zur Finanzierung der vier, bald fünf Wiener Gewaltschutzhäuser.
Erst gestern haben die Vizebürgermeisterin und ich die neue Bewusstseins- und Informationskampagne zur Zivilcourage vorgestellt. Männergewalt zu verhindern, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns alle unabhängig unseres Geschlechts, unserer Herkunft, unseres Alters, ja, über Parteigrenzen hinweg stellen müssen, denn Gewaltschutz geht uns alle etwas an. Jede 5. Frau in Österreich ab dem 15. Lebensjahr erfährt Gewalt, in welcher Form auch immer. Das bedeutet, wir alle hier kennen eine solche Frau, vielleicht wissen wir nur nicht von ihr. Deshalb: Bitte sprechen wir darüber, brechen wir dieses Tabu und tun wir bitte eines: Zeigen wir Zivilcourage! - Danke.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Spielmann. Ich erteile es ihr.
GRin Viktoria Spielmann, BA (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Für Frauen ist der vorgeblich sichere Hort der Familie ein sehr gefährlicher Platz: das Ausmaß an tätlicher Gewalt im privaten Zusammenleben ist ein unvorstellbar großes.“ - Das sagte unsere erste Frauenministerin Johanna Dohnal 1993 in ihrer ersten Rede bei der UN-Menschenrechtskonferenz in Wien. Fast 30 Jahre später hat diese Aussage kaum an Aktualität verloren, das Gegenteil ist leider gerade der Fall.
Am heutigen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ist es deshalb wichtig, über die Ursachen dieser Gewalt zu sprechen und darüber, wie weit verbreitet das Problem ist. Machen wir uns nichts vor. Österreich ist ein Land der Femizide und damit trauriger europäischer Spitzenreiter. Heuer gab es dieses Jahr schon 28 Femizide. In anderen Worten: Fast alle zwei Wochen wird eine Frau in Österreich ermordet. Hinzu kommen übrigens auch noch die versuchten Frauenmorde, die ganz oft ausgespart werden, die aber nicht minder schlimm sind. Es gab 51 versuchte Frauenmorde beziehungsweise Ausübung schwerer Gewalt, 22 davon passierten übrigens in Wien, es gibt nicht nur in Österreich ein massives Problem mit Männergewalt gegen Frauen, sondern eben auch in Wien. 11 der 28 Frauenmorde und 22 der 51 versuchten Morde wurden in Wien verübt.
Femizide stellen die extremste Form der patriarchalen Gewalt dar. Die Täter sind für die Opfer aber eben keine Unbekannten, ganz im Gegenteil, es sind alles Männer, die in einem sogenannten ehemaligen oder aktuellen Naheverhältnis zu den Opfern standen. Es sind Partner, es sind Ex-Partner, es sind Ehemänner, es sind Ex-Männer, es sind männliche Verwandte und Bekannte. Diese Gewalt findet zwar im Privaten statt, aber es ist eben keine Privatsache, sondern diese Gewalt geht uns alle an, liebe Kolleginnen und Kollegen. Frauenmorde passieren nicht plötzlich, meist kommt es bereits im Vorfeld zu einer wiederholten psychischen oder physischen Gewaltanwendung.
Das Problem ist eben leider weiter verbreitet, als der eine oder andere das wahrhaben will. Jede 5. Frau in Österreich erlebt ab dem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexualisierte Gewalt, jede 3. Frau wird ab dem 15. Lebensjahr sexuell belästigt und jede 7. Frau ab 15 Jahren erfährt Stalking.
Um es ein für alle Mal klarzustellen: Die Ursache für Gewalt ist nicht die Herkunft der Täter, die Ursachen heißen Patriarchat, Sexismus, Geschlechterstereotype und eine Vorstellung von Männlichkeit, die eng mit Gewalt und vor allen Dingen damit verknüpft ist, dass Männer die Konflikte nicht konfliktfrei und gewaltfrei lösen können. Umso stolzer bin ich darauf, dass es jetzt diese Bewusstseinskampagne unseres Sozial- und Gesundheitsministers Wolfgang Mückstein gibt: „Mann spricht’s an!“, heißt sie. Ich kann sehr empfehlen, sich die anzuschauen, denn da geht es ganz genau darum, dass man eben bei Männergewalt einzuschreiten hat und dass man diese eben nicht vorleben sollte.
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