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Gemeinderat, 17. Sitzung vom 20.12.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 15 von 137

 

sehr ich Wien liebe und schätze, wir waren auch in diesem Bereich nicht gerade die Allerersten, das muss man auch einmal historisch ganz klar und faktenbasiert feststellen.

 

Warum jetzt hier eine Kontextualisierung, im Gegensatz zu anderen Denkmälern? - Erstens, der Grund ist der: Nur an diesem Denkmal entzündet sich gerade oder seit über zwei Jahren - und begonnen hat es schon 2009 - die öffentliche Debatte. Das muss man jetzt einmal ganz … (Zwischenruf.) - Nein, in dieser Form … (Neuerlicher Zwischenruf.) - Hören Sie einmal zu, bevor Sie reinquatschen! Einfach zuhören! Ich möchte Ihnen ja etwas erzählen, und ich möchte Ihnen etwas erzählen darüber! Das wissen wir doch alle, dass das im Moment sicher das eindeutig umstrittenste Denkmal dieser Stadt ist, und deswegen muss ich mich damit auseinandersetzen. Und selbstverständlich gibt es auch viele andere Denkmäler, die man kontextualisieren kann und vielleicht auch sollte, weil sich unser Verhältnis verändert hat. Danielle Spera hat mir zum Beispiel schon öfters gesagt, sie würde sich wünschen, dass mit Maria Theresia ähnlich umgegangen wird. Also die Leiterin des Jüdischen Museums sagt selber, dass Maria Theresia oder Leopold und andere auch Figuren sind, die historisch sehr problematisch sind.

 

Und jetzt muss man einmal schauen: Wo konzentriert sich das öffentliche Interesse, und wo braucht es offensichtlich einen anderen Austausch, und wo haben wir festgestellt, dass die bisherige Kontextualisierung nicht mehr reicht?

 

Daher gilt es eben auch, diese Errungenschaften vor dem Spiegel der Zeit und auch des eigenen Populismus noch einmal zu bedenken. Und diesen Prozess kann ich natürlich nicht überall, bei jedem möglichen Denkmal, machen, sondern das ist natürlich jetzt ein spezieller Fall, wo wir auch versuchen, etwas exemplarisch zu machen - aber nicht, weil wir Ihnen und Ihren Vorvätern sozusagen schaden wollen, sondern weil wir zeigen wollen, wie eine demokratische Gesellschaft mit einer sehr problematischen Geschichte umgeht. Und in diesem Konzert der vielen bin ich natürlich keine, die Extrempositionen zuneigt. Ich bin weder dafür, dass man es einfach, weil das offensichtlich nicht mehr geht, so belässt - denn das Belassen geht ja gar nicht, weil es permanent so ist, dass, wenn wir etwas sozusagen renovieren und restaurieren, es am nächsten Tag wieder beschmiert ist. Und da ist mir das Steuergeld zu wichtig - und ich gehe mit diesem, glaube ich, verantwortungsvoll um -, als dass wir das Denkmal permanent und auch substanzschädigend einer Renovierung zuführen.

 

Das heißt, es braucht offensichtlich eine andere Lösung. Offensichtlich ist dieses Denkmal - das ja kein Ehrenmal ist, sondern ein Denkmal, und das sollte es auch immer bleiben - ja eines, das sozusagen in dieser Stadt eine besondere Bedeutung hat, und deswegen braucht es eine Lösung, die sehr differenziert damit umgeht. Ich bin eben auch keine Vertreterin von „Cancel Culture“ oder Auslöschung oder Abtragung - denn ich weiß, es gab auch Vorschläge, das einfach in ein Museum zu stellen, aber dann ist es aus dem Blick, und das ist nicht meine Haltung zu einer Stadt, die zu ihrer Geschichte mit allen ihren Schattenseiten auch stehen muss. Rezente Beispiele zeigen ja auch, dass in Österreich in den letzten 20 Jahren immer wieder Aufarbeitung gelungen ist - gerade auch in Fragen von Restitution -, aber es ist eine spannende und eine schwierige Aufgabe, die unterschiedlichsten Positionen auch einzufangen, zuzuhören und dann zu einer Lösung zu kommen.

 

Bei den anderen Denkmälern, die Sie ansprechen: Also erstens einmal sind die nicht in meiner Obhut. Vor allem das Ernesto-Che-Guevara-Denkmal: Das ist ein privat gestiftetes Denkmal, zu dem kann ich nichts sagen, das liegt bei den privaten Stiftern. Ich möchte nur zum Aufstellungsort sagen: Im Donaupark am Lateinamerika-Karibik-Platz gibt es auch viele andere Büsten von zahlreichen süd- und mittelamerikanischen Staatsmännern und Nationalhelden wie zum Beispiel Salvador Allende, Juan Pablo Duarte, José Artigas und Simón Bolívar. Also da ist sozusagen auch eine gewisse Tradition damit verbunden, aber wie gesagt, das ist nicht in meiner Obhut, nicht in meiner Geschäftsgruppe.

 

Ich glaube, das sollte Ihre Frage auch ganz gut beantworten.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 1. Zusatzfrage kommt von der ÖVP. Frau GRin Mag. Hungerländer, bitte.

 

9.55.46

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP): Vielen Dank, Frau Stadträtin. Nein, leider hat es meine Frage nicht beantwortet. Ich werde sie noch einmal stellen, ich werde aber noch zwei Punkte anfügen.

 

Erstens: Dass Sie sagen, nur am Lueger-Denkmal entzündet sich die Debatte, ist klar, denn es gibt offensichtlich ein ganz konzentriertes politisches Interesse und politische Kampagnisierung, dieses Denkmal aus dem Stadtbild verschwinden zu lassen - und dem geben Sie nach. Also es ist kein demokratisch geführter gesamtgesellschaftlicher Prozess, der angestoßen wurde, sondern es sind kleine Splittergruppen, die ein massives Interesse haben, kampagnisieren - und dem wird nachgegeben.

 

Was wir natürlich gut finden, ist, dass Sie der „Cancel Culture“ nicht nachgeben. Wir denken, dass Geschichte den Menschen zumutbar ist - um Bachmann ein bisschen verändert zu zitieren -, das muss aber tatsächlich für alle Aspekte der Stadtgeschichte gelten. Deswegen stelle ich meine ganz konkrete, ganz einfache Frage noch einmal: Wird es auch zu einer Kontextualisierung der Renner-Statue oder sagen wir, beispielsweise des SPÖ-Renner-Instituts kommen, damit die SPÖ auch zeigt, dass selbst bei der eigenen Geschichte die Kontextualisierung von antisemitischen Strömungen für sie extrem wichtig ist?

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Frau Stadträtin, bitte.

 

Amtsf. StRin Mag. Veronica Kaup-Hasler: Zu Ihrem Thema „nachgeben“: Ich gebe dem natürlich überhaupt nicht nach, nein, sondern ich greife etwas auf, was einfach zu behandeln ist. Ich muss damit umgehen, und ich

 

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