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Gemeinderat, 26. Sitzung vom 21.09.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 133

 

notwendigen Entscheidungen in Europa in den Fokus zu nehmen.

 

Die Menschen haben die Sorge, ihre Energierechnungen und steigenden Lebenserhaltungskosten nicht mehr stemmen zu können. Ähnlich gilt das für viele Wirtschaftsbetriebe in unserem Land. Auch der Standort Österreich, wie schon gesagt, ist auf Grund der bis zu zehnfach gestiegenen Energiepreise mit einer bisher noch nicht gekannten Situation konfrontiert. Die noch nie dagewesenen Verwerfungen auf den Energiemärkten gefährden den Wohlstand. Sie gefährden den Wohlstand, der für uns so selbstverständlich geworden ist, aber nicht nur unseren Wohlstand hier, sondern des ganzen Kontinents Europa. Es ist zu befürchten, dass bei weiteren Einschränkungen der Energielieferungen dieser Winter nicht nur teuer wird, sondern, ich hoffe, im Konjunktiv zu sprechen, auch kalt werden könnte. Ich spreche es aus, und es geht mir nicht gut dabei, aber wir müssen dem Thema in der Form auch ins Auge blicken.

 

Lassen Sie mich bitte kurz die vergangenen Wochen und Monate, über die wir in dieser letzten Stunde schon vieles gehört haben, Revue passieren. Die Energiepreise steigen seit dem Herbst letzten Jahres. Wir wissen es alle. Es war die kurzfristige Post-Corona-Thematik, wo viele Nachzieheffekte vorhanden waren, wo viele mit ihren Sparaktivitäten der letzten Jahre versucht haben, sich wieder normal ins Wirtschaftsleben zurückzupunkten. Es war absehbar, dass es steigende Preise geben wird, und es gab seit dem Herbst letzten Jahres steigende Preise.

 

Es war seit dem Herbst letzten Jahres auch klar, dass diese Merit-Order zusehends - nicht von heute auf morgen, ich sage das nicht, aber ich sage, zusehends - ein Problem für Europa werden wird. Wir haben es heute schon gesagt, aber erlauben Sie mir, das in dieser Darstellung der letzten Wochen und Monate auch noch einmal von meiner Seite auszudrücken. Wir haben die Unterbrechung der Nord-Stream-1-Pipeline vom 11. bis zum 21. Juli doch noch gut in Erinnerung. Keiner von uns - bitte, keiner von uns! - wusste damals, ob die Lieferungen wiederaufgenommen werden. Dies hat zusätzliche Unsicherheiten in den Markt gebracht, und es war davon auszugehen, dass es bei einem Ausbleiben der Gaslieferungen zu massiven Preissprüngen kommt. Während die Pipeline im Sommer - Sie wissen es noch - mit niedrigen Durchleitungsquoten durchaus funktionierte, liefert sie inzwischen gar kein Gas mehr nach Europa, 0 Prozent. Nur, um die Lage in Europa auch noch einmal klar darzustellen: Die einzig nunmehr verbliebene Pipeline, die russisches Erdgas nach Europa liefert, verläuft direkt durch die Ukraine, direkt durchs Kriegsgebiet und endet in Baumgarten im Burgenland.

 

Auf Grund dieser Entwicklung sehen wir im Vergleich zu vor 2 Jahren Preissprünge bei Gas und am Strommarkt um mehr als das 10-Fache, zeitweise war sogar das 20-Fache zu beobachten. Der Höhepunkt - und das muss natürlich auch von mir gesagt werden - war der aus unserer Sicht Black Friday genannte Freitag, der 26. August. An diesem Tag hat sich die Marktlage dramatisch und wie noch nie zuvor in der Geschichte der europäischen Energiemärkte entwickelt. Innerhalb eines Tages hat sich der Strompreis fast verdoppelt. Fast verdoppelt bedeutet, von 600 EUR die Megawattstunde auf 1.100 EUR für Strom per Lieferdatum - auch das kann man natürlich oftmals besprechen -, für das 1. Quartal 2023 sogar knapp auf 1.300 EUR pro Megawattstunde. Schon am Montag danach, denn das sind die Spielregeln auf der Börse, war am 29. August der Preis wieder auf 791 EUR pro Megawattstunde zurückgegangen.

 

Auch diese Entwicklung war für niemanden absehbar. Experten zufolge lag die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser Markt in dieser Form entwickelt, unter 0,01 Prozent. Es war ein Meteoriteneinschlag, der an dieser Börse passiert ist, der eine Sicherungsbörse darstellt und ganz anders als Aktienbörsen funktioniert, wo Käufer und Verkäufer sicher sind.

 

Diese Preissteigerungen haben gleichzeitig zu immer höheren Sicherungsleistungen geführt. Wir alle haben darüber gesprochen. Die mittlerweile mehr als bekannten Margin-Zahlungen an den europäischen Energiebörsen führten dazu, dass nach diesem Black Friday am Montag, dem darauffolgenden Handelstag, über 1,7 Milliarden auf einen Schlag bei den Clearing-Stellen hinterlegt werden mussten.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, ob es uns allen gefällt oder nicht und ob der politische Mitbewerb das schlecht findet: Hätte es den Wiener Schutzschirm nicht gegeben, hätten wir ein großes Problem gehabt. Wir hatten aber diesen Wiener Schutzschirm, denn wir haben einen Bürgermeister, der in der Form verantwortungsvoll agiert hat und Sorge getragen hat, dass es in diesen schwierigen Wochen und Monaten die Möglichkeit gab, mit Liquidität ausgestattet auf diese unglaubliche, einmalige Situation zu antworten. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

 

Ich lasse jetzt bewusst jede Polemik zu dem Wochenende weg, das dann gefolgt ist. Der Bund gewährte dem Land über die Bundesfinanzierungsagentur OeBFA, wie wir wissen, eine Kreditlinie von 2 Milliarden EUR, die als eine Art Kaution für den Fall der Fälle zur Verfügung steht. Eine gute und wichtige Maßnahme, auch wenn ein Abrufen dieser Gelder bis zum heutigen Tag nicht nötig war, ganz im Gegenteil, die 1,7 Milliarden dieses Black Fridays sind komplett zurückgekommen, weil eben der Strom- und der Gaspreis sich in Summe anders entwickelt haben. Es hätte aber auch anders sein können, sie haben sich aber nach unten entwickelt und haben dazu geführt, nicht nur die 1,7 Milliarden wieder zurückzuführen, sondern darüber hinaus rund 300 Millionen weitere Sicherungsleistungen, die jetzt auf dem Konto der Wien Energie gutgeschrieben wurden. (GR Mag. Manfred Juraczka: Das kann sich aber morgen wieder ändern!) Das heißt, mehr als 2 Milliarden EUR wurden inzwischen an die Wien Energie wieder zurücküberwiesen. (StR Dominik Nepp, MA: Dann haben wir ja was verdient!) - Na, verdienen tut man nichts, aber das muss man verstehen, dass es Sicherungsleistungen sind, und da gibt es nichts zum Verdienen, aber das ist natürlich auch eine eigene betriebswirtschaftliche Logik. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

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