Gemeinderat, 26. Sitzung vom 21.09.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 54 von 133
kommission und auch hier zu stellen, haben Sie als Angstmache bezeichnet. Ganz ehrlich, das finde ich unredlich. Etwas zu fragen, nachzufragen, als Angstmache zu bezeichnen, das finde ich nicht redlich, vor allem bei einem Unternehmen der Daseinsvorsorge, bei dem Unternehmen der Wien Energie. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Noch ein paar Worte zum Markt. Das hat mein Kollege Margulies schon sehr gut ausgeführt mit dieser Frage, und die sollten wir uns tatsächlich stellen: Hat dieser Markt dafür gesorgt, dass er tatsächlich den Kundinnen und Kunden dient, dass er den Kundinnen und Kunden nützt, dass er diesem Thema der Energiebereitstellung und Energieversorgung nützt, und ist es in Wirklichkeit nicht auch das Wesen der Daseinsvorsorge und gilt es nicht, auch alles zu unternehmen, um genau diese Unternehmen - und das sehen wir jetzt auch - vor diesen ungezügelten Mechanismen des Marktes bestmöglich zu schützen und, wenn es notwendig ist, auch in diesen Markt einzugreifen, weil es eben im Kern nicht um Profitmaximierung, sondern um Gemeinwohlmaximierung geht? Insofern, und auch das wurde heute schon gesagt, finde ich es tatsächlich irritierend, wenn wir diese Ereignisse des Marktes - und ja, es mag diesen einen Freitag gegeben haben, aber dennoch - die ganze Zeit mit Naturgewalten erklären - ein Tsunami, die Verrücktheiten des Marktes haben wir als Erklärung gehört heute, den Meteoriteneinschlag -, anstatt Mechanismen und Risiken des Marktes im Ziel der gemeinnützigen Versorgungssicherheit entsprechend zu regeln, diese Risiken auch zu minimieren, diese Risiken auch anzusprechen. Bis heute wurde einfach nicht angesprochen, was das Risiko war. Es wurde gesagt, wir haben alles richtig gemacht, bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen, anstatt quasi diese Risiken zu minimieren und zu regulieren.
Ich glaube, in Zukunft, und das ist auch mein Vorschlag, wäre es gut, bei diesen Unternehmen nicht von der Daseinsvorsorge, sondern von der Daseinsfürsorge zu sprechen und in Wirklichkeit diese Fürsorge auch im politischen Verantwortungsbereich walten zu lassen. Gerade bei den Unternehmen der Daseinsvorsorge wie Wien Energie müssen wir nämlich zeigen, wie verantwortungsvolles Bereitstellen von öffentlichen Gütern jenseits von marktliberalen Prinzipien funktioniert. Und ja, das können wir auch in Wien. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Noch einmal zu dieser Einhaltung der klassischen demokratiepolitischen Spielregeln: Natürlich müssen alle Gremien, natürlich müssen alle Ausschüsse und Parteien informiert werden, wenn ein Unternehmen der Daseinsvorsorge so in Bedrängnis gerät, wenn per Notkompetenz Liquiditätszuschüsse in Milliardenhöhe freigegeben werden müssen. Das ist ja doch bitte selbstverständlich, und dass es unverzüglich passieren muss, ist doch bitte auch selbstverständlich. Gleichzeitig, und das ist auch mein konstruktiver Vorschlag, könnten wir schon viel weiter sein mit unserem eigenen demokratiepolitischen Anspruch an die Daseinsvorsorge. Warum nämlich nicht in Wirklichkeit weiterdenken und uns überlegen, wie können wir Bürgerinnen und Bürger an dieser Daseinsvorsorge beteiligen? Das Beispiel mit den BürgerInnen-Solarkraftwerken ist schon gekommen. Warum nicht demokratiepolitische Spielregeln nicht nur hier und jetzt transparent machen, sondern in Wirklichkeit auch ausweiten? So eine Grundhaltung, so über die Daseinsvorsorge nachzudenken, das demokratiepolitische Verständnis und damit die demokratiepolitische Verantwortung auch in einer Selbstverständlichkeit und nicht nach hunderten Nachfragen und Einsetzung von Untersuchungskommissionen auf den Tisch zu legen, so eine Haltung und so ein Verständnis braucht aber in Wirklichkeit einen anderen Zugang, einerseits zur Vielstimmigkeit und andererseits aber auch zu einer produktiven Fehlerkultur. Und das ist schon etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich eigentlich schon oft hier festgestellt habe, dass wir überhaupt keinen produktiven Umgang mit Fehlern haben. Fehler, falsche Einschätzungen, zu späte Reaktionen, das kann eigentlich immer passieren, aber was ich den Verantwortlichen der SPÖ wirklich vorwerfe, ist der Umgang damit. Ich nehme an, in Wirklichkeit ist es relativ simpel. Die SPÖ-Wien und auch der Bürgermeister wollten sich de facto keine Blöße geben, indem man öffentlich zugibt, dass es ein Liquiditätsproblem gibt, das man nicht mehr alleine lösen kann, und dass man Hilfe vom vielgescholtenen Bund braucht. Darum ging es doch eigentlich.
Ich glaube aber, dass wir etwas anderes brauchen. Es wurde heute schon erwähnt, auch vom Kollegen Taucher schon erwähnt, dass wir was anderes brauchen angesichts der vielen großen Krisen, die wir bewältigen müssen, nämlich Vielstimmigkeit, Kritikfähigkeit, eine produktive Fehlerkultur. Ich glaube, dass wir uns diese Zeit nehmen müssen, dass wir miteinander diskutieren müssen und dass wir in Unsicherheit und unter Unsicherheit handeln müssen. Das wird wahrscheinlich auch so bleiben, und wir müssen eben darauf vertrauen, dass manches erst erprobt wird, dass wir Fehler machen, einfach auch zu einer ganz anderen Kommunikationskultur miteinander kommen, das würde ich mir tatsächlich sehr wünschen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Also drei Dinge zu diesen Unternehmen der Daseinsvorsorge zusammenfassend, das ist die Wien Energie, aber damit meine ich in Wirklichkeit alle Unternehmen der Daseinsvorsorge: Erstens, einfach ein neues Verständnis von diesem Marktliberalismus zu bekommen und das auch kritisch zu diskutieren und ein Verständnis dafür zu bekommen, dass sich diese Unternehmen - so wie es sich jetzt auch in Wirklichkeit zeigt, und die Krisen werden zunehmen, die Komplexität wird zunehmen - der Daseinsvorsorge eben nicht für den Börsenhandel eignen. Zweitens aber auch eine Vision von einer anderen Wirtschaftsordnung zu entwickeln, um zukünftig auf diese Krisen effektiv und auch sozial gerecht reagieren zu können. Da spreche ich zum Beispiel insgesamt von der Alltagsökonomie, die gestärkt gehört, und von der Daseinsvorsorge und Nahversorgung insgesamt. Drittens eben diese neue und selbstbewusste Verantwortungskultur, aber auch Fehlerkultur und damit auch eine neue politische Kultur der Zusammenarbeit.
Ich möchte noch zum zweiten großen Punkt kommen, nämlich zu dieser konkreten Frage, wie können wir
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