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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 18.10.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 103

 

im Lockdown sind, et cetera. Es ist meines Erachtens tatsächlich ein Fehler, diese Situation 2021 herauszugreifen und damit zu argumentieren, dass Förderungen nicht abgerufen wurden.

 

Nichtsdestoweniger geht es darum, gemeinsam zu schauen, wie wir hinkünftig ein intensives Grätzlleben und ein intensives Nahversorgungsleben ermöglichen. Dazu dient aber die Schaffung dieses Überbegriffs nicht. Das traue ich mich in diesem Rahmen hier schon sagen. Ich meine, es macht Sinn, sechs Regionen intensiv zu unterstützen. Es ist aber, glaube ich, unpassend, dafür den Überbegriff „meinkaufstadt Wien“ zu nehmen, den meines Erachtens wirklich niemand gut finden kann, auch wenn er von Rudi Fußi und seiner Agentur stammt. Die Bezeichnung „meinkaufstadt Wien“ ist einfach wirklich nicht gut! Wer soll im Hinblick darauf emotional irgendwie ein Gefühl entwickeln, dass man damit etwas machen kann?

 

Das ist auch deshalb nicht hilfreich, weil dieser Ausdruck, ganz im Gegenteil zu dem, was auch der Herr Stadtrat zumindest teilweise gesagt hat, das Grätzl aufs Einkaufen reduziert. Und genau das ist es nicht. Ein Grätzl ist kein klar definierter Raum. Dieses wird er erst durch die Menschen, die in dieser Umgebung leben, arbeiten, nachdenken, gemeinsame Zeit verbringen. Und erst durch die Zeitgeschichte, die sich darin widerspiegelt, durch die Plätze, durch die Lebendigkeit, durch die kleineren und mittleren Unternehmen wird ein Gebiet zum Grätzl. Genau deshalb müssen wir dafür sorgen, dass es ein Straßenraum wird, der zum Verweilen einlädt, denn erst dann, wenn ein Straßenraum zum Verweilen einlädt, kann er überhaupt ein Grätzl werden, und dafür braucht es halt viel, viel, viel mehr als den Namen „meinkaufstadt Wien“.

 

Ich betrachte einmal das Beispiel Praterstern. Rund um den Praterstern wird momentan so viel gebaut wie in kaum einem anderen Teil Wiens. Und mittlerweile geht es im 2. Bezirk rund um die Praterstraße, den Karmelitermarkt und den Volkertmarkt - ich hoffe, ich verorte diesen jetzt richtig im 2. Bezirk - schon um so viel mehr. Dort geht es vor allem darum, den Verkehr zu reduzieren, die Bevölkerung mit einzubeziehen, um aus diesen Bereichen einen Platz zum Verweilen in einer richtig lebenswerten Stadt zu machen. Das ist genau in diesen Bereichen 100 Mal wichtiger, als zu schauen, wie man die Unternehmen und die Geschäfte unterstützt, die dort sind, denn diese profitieren ohnehin. Wenn ich mir anschaue, wie viele große Geschäfte in der Umgebung sind, dann weiß ich, dass es eh schon schwierig genug wird.

 

Da gäbe es wahrscheinlich in Wien, selbst für einen Erstversuch, jede Menge andere Grätzl und Plätze, wo das sinnvoller wäre. Ich nenne jetzt als Beispiel die Simmeringer Hauptstraße, wobei ich nicht weiß, um welches Gebiet es geht, denn die Simmeringer Hauptstraße ist lang. Ist die gesamte Simmeringer Hauptstraße gemeint oder nur der äußere Teil oder das Zentrum? - Egal. Die Simmeringer Hauptstraße ist eines der Gebiete, die massiv darunter gelitten haben, dass man die Wettbüros beziehungsweise die Spiellokale - Wettbüros gibt es leider immer noch viel zu viele - verboten hat. Das haben wir gemeinsam geschafft, wobei natürlich der Ausdruck „gelitten“ zu relativieren ist. Jedenfalls hat das aber dazu geführt, dass in der Simmeringer Hauptstraße kurzfristig einmal sehr viel einmal leergestanden ist. Jetzt beginnt sich die Simmeringer Hauptstraße langsam, aber sicher, wieder zu beleben. Wir haben beim Simmeringer Straßenfest, das jetzt unlängst war, und zum Teil auch im Bundespräsidenten-Wahlkampf gesehen, wie viele kleine Geschäfte es dort mittlerweile gibt. Und es gibt auch dort viel Neubau, und im Hinblick darauf geht es selbstverständlich darum, diesem sich verändernden Grätzl jetzt neue Impulse zu geben. Ich finde gut - das sage ich ganz offen -, dass dieser Bereich ausgesucht worden ist.

 

Bei anderen Grätzln fehlt mir noch ein bisschen die Perspektive. Ich meine, dort geht es wirklich weniger um „meinkaufstadt Wien“, sondern da geht es eher darum, sich damit auseinanderzusetzen, wie das Leben in der Stadt funktioniert.

 

Die äußere Favoritenstraße ist ein super Beispiel. Ich habe lange im 10. Bezirk gewohnt, und ich nehme die Veränderungen wahr, die dort stattfinden, insbesondere im untersten Teil, wo Hauptbahnhof und Sonnwendviertel, et cetera an einen jetzt gewissermaßen als doch recht schwierig zu betrachtenden Bereich, beginnend vom Columbusplatz aufwärts bis zum Reumannplatz grenzen. Diese Veränderungen müssen bearbeitet werden. Diese Veränderungen, um aus diesem Teil wieder einen lebenswerten Teil für alle Wienerinnen und Wiener zu machen, bestehen aber weniger in Veränderungen für Geschäfte und Geschäftsstraßenförderung. Vielmehr bräuchten wir dort, wie ich glaube, wirklich einmal viel Sozialbetreuung, viel sozialarbeiterische Unterstützung und auch viel Unterstützung durch Vereine, die sich um das Zusammenleben der Menschen in diesem Teil Wiens gemeinsam kümmern und gemeinsam dafür arbeiten. (Beifall bei den Grünen.)

 

Wenn all das tatsächlich geplant ist, warum geschieht das dann unter dem Begriff „meinkaufstadt Wien“?“ - Noch einmal: Dieser Begriff emotionalisiert mich wirklich dermaßen, dass ich es kaum sagen kann! (Heiterkeit bei GR Markus Ornig, MBA.) Da muss sogar Kollege Ornig lachen! Ich glaube, das emotionalisiert ihn ganz genauso.

 

Sie hören wahrscheinlich schon aus meiner gesamten bisherigen Rede, dass die gesamtgesellschaftliche Verortung eines Grätzls im Sinne von „small is beautiful“ viel, viel, viel mehr bedeutet, als nur für Nahversorgung zu sorgen. Das ist der Punkt, den mein Kollege Arsenovic auch angesprochen hat, indem er in den Raum gestellt hat: Warum haben wir uns denn nicht gemeinsam hingesetzt und das evaluiert? - Ich gebe zu: Wir haben das in der Zeit, als wir noch mitregiert haben, gegen Ende der Periode, versucht. Dann hat uns allen miteinander Corona sozusagen mächtig in die Suppe gespuckt, um das ganz höflich zu formulieren. An dieser Stelle hätten wir aber weitermachen sollen.

 

Dennoch bin ich zuversichtlich und hoffnungsvoll, dass wir, wenn wir es schon schaffen, für „meinkaufstadt

 

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