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Gemeinderat, 31. Sitzung vom 25.11.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 31

 

mittlerweile zahlreiche, ernst genommen werden, dass sie gehört werden, dass Sie ihren Worten Taten folgen lassen und dass wir die Abwärtsspirale stoppen. Die Abwärtsspirale, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist tatsächlich in Gang gekommen und sie dreht sich, wenn nichts passiert, nicht nur weiter nach unten, sondern sie wird sich auch immer schneller nach unten drehen. Das heißt, diese Problemsituation wird sich nicht von selbst lösen, diese Problemsituation erfordert beherztes, rasches, sofortiges und auch strukturiertes Eingreifen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Es nützt auch nicht, nur punktuell irgendwelche Pflaster draufzupicken, sondern diese Strukturprobleme, die wir haben, sind tiefgreifender Natur. Sie sind über die Jahre angewachsen und sie erfordern wirklich ein gemeinsames Tun, ein Hinhören und vor allem ein Hinhören auf die Probleme und Bedürfnisse der Beschäftigten in dieser Stadt.

 

Als Gesundheitssprecherin ist mir natürlich der Gesundheitsbereich ein ganz besonderes Anliegen, und hier zeigt sich, dass sich die Versorgungsdramatik allmählich wirklich ernsthaft zuspitzt. Wenn ich auf die Spitäler schaue und denke, dass das eigentlich Krankenhäuser, Gesundheitsversorgungseinrichtungen sind, dann ist meine Bilanz, dass das mittlerweile kranke Häuser sind. Die Spitäler sind selbst zu multimorbiden PatientInnen geworden. Das ist ja nicht normal, meine sehr geehrten Damen und Herren, so soll es nicht sein. Es kann nicht sein, dass die Wartezeiten auf OPs immer länger werden. Die Bekundungen „Ja, Notfälle behandeln wir!“ nützen nicht. Was ist ein Notfall? Ist es denn kein Notfall, wenn ich Krebs diagnostiziert bekomme und jetzt noch länger warten muss? Das ist eine ungeheuer belastende Situation, die wir nicht akzeptieren. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Bei einem Unternehmen, in dem die Fluktuation hoch ist, kann man davon ausgehen, dass etwas im Arbeitsklima, im Betriebsklima, bei den Arbeitsbedingungen nicht stimmt, und so ist es mittlerweile im Wiener Gesundheitsverbund. Die Fluktuation steigt, und die Menschen kündigen nicht nur, sie gehen zum Teil in die innere Immigration. Sie kommen in Krankenstände, sie kommen ins Burn-out, weil die Arbeitsbelastungen einfach so hoch sind. Da ist also wirklich schon Gefahr in Verzug, und die über 50 Gefährdungsanzeigen, die wir mittlerweile haben, sind einfach ein Zeichen dafür, dass in diesem System der Wurm drinnen ist. Bei den vielen unbesetzten Stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann ja niemand glauben, dass die Versorgungsqualität auf gleichem Niveau ist, wie wir sie kennen. Nein, sie sinkt und sie sinkt und sie wird weiter sinken. Denken wir daran: 8.000 Beschäftigte werden bis 2030 in Pension gehen. Wo kommen denn diese Arbeitskräfte her? Ich sehe überhaupt keine Maßnahmen in diese Richtung, sondern die Folge ist, dass über 13 Prozent - 700 - Betten gesperrt sind. Betten, in denen an sich PatientInnen, die jetzt eine Behandlung brauchen, die jetzt eine Therapie brauchen, eine OP brauchen, eigentlich liegen sollten. Ganz zu schweigen von der Kinderpsychiatrie, die eigentlich wirklich schon am Ende ist. Dort herrscht extreme Versorgungsknappheit, und da können wir nicht länger zuschauen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unserer Medizin droht ein Kreislaufkollaps und entweder wir bekommen diesen Kollaps stabilisiert oder dieses System kollabiert. Das können wir nicht zulassen! Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir heute diesen Sondergemeinderat einberufen lassen. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Für die nun folgenden Wortmeldungen möchte ich bemerken, dass die Redezeit für den Erstredner/die Erstrednerin jeder Fraktion 20 Minuten beträgt. Die Redezeit jedes weiteren Redners/jeder weiteren Rednerin ist mit 15 Minuten begrenzt. Als nächste Rednerin ist Frau StRin Pühringer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 

9.13.18

StRin Mag. Judith Pühringer|: Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Liebe Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuschauerInnen via Livestream!

 

Meine Kollegin Barbara Huemer, die gerade diesen Sondergemeinderat, den wir heute eingebracht haben, begründet hat, hat von den verzweifelten Hilferufen gesprochen, die uns aus den Krankenhäusern, aus den Pflegestationen, aus den verschiedenen Einrichtungen der Elementarpädagogik erreichen, und ich möchte diese Hilferufe noch ein bisschen konkreter machen.

 

Ich würde Ihnen gerne vier Zitate aus Mails vorlesen, die mich in den letzten Tagen und Wochen erreicht haben und auch aus Telefonaten, die ich mit Menschen geführt habe, die in den Krankenhäusern sind, die da Angehörige besuchen, die selber quasi in diesem Beruf arbeiten: „Ich habe Arthritis. Ich kann das Brot nicht schneiden und der Pfleger sagt: Wir haben leider keine Zeit.“ „Es ist einfach zu wenig Zeit da. Ich habe eine psychiatrische Erkrankung, aber eben auch andere Erkrankungen, und da bräuchte ich auch andere Spezialbehandlungen und Abteilungen. Das zu organisieren, dafür fehlt im Moment die Zeit.“ „Das Personal, ich sage es auf Wienerisch, pfeift wirklich aus dem letzten Loch. Das Team bemüht sich sehr, aber sie können einfach nicht alle Lücken füllen.“ „Ich spreche für viele hier in der Station. Wir wünschen uns einfach mehr Zeit und mehr Personal.“

 

Das sind nur vier Zitate, es gibt viele mehr, und ich glaube, sie bringen sehr gut auf den Punkt, wie verzweifelt die Menschen sind, wenn sie sich melden, wie verzweifelt die Menschen sind, wenn sie aus den Krankenhäusern berichten, aus den Pflegeeinrichtungen berichten, und es zieht sich einfach durch. Es betrifft die Ärztinnen und Ärzte, es betrifft die PflegerInnen, es betrifft die Menschen, die selbst Patientinnen und Patienten sind, Menschen, die der Pflege bedürfen, und auch die Angehörigen betrifft es.

 

Ein ähnlich verzweifeltes Bild zeigt sich auch, wenn man den ElementarpädagogInnen der Stadt zuhört. Alles, was die wollen, ist, ihren Job gut machen zu können, und um als Elementarpädagogin den Job gut zu machen, braucht man vor allem eines: genügend Zeit. Das bedeutet, Zeit zu haben für jedes einzelne Kind, für die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes, aber auch Zeit zu haben, um in kleinen Gruppen, in überschaubaren Gruppen auf die Bedürfnisse von wirklich allen Kindern einzugehen.

 

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