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Gemeinderat, 31. Sitzung vom 25.11.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 19 von 31

 

heute hier, morgen dort, sondern da ist wirklich ein sich aufeinander Einspielen notwendig. Das braucht Zeit und das braucht auch das Verständnis für diese Arbeit. Wenn das fehlt und wenn Gefährdungsanzeigen in der Schublade verschwinden, dann reicht es den Leuten irgendwann und sie sagen, es wird offenbar nicht besser. Dieses Vertrösten - na ja, jetzt ist die Pandemie und dann wird alles besser -, das glauben die Leute einfach nicht mehr. Sie wollen echt Taten sehen und offenbar fehlt ihnen mittlerweile der Glaube daran und sie wandern aus dem System hinaus. Das spüren dann alle anderen, die noch im System drinnen sind und das spüren wir als Patient oder Patientin auch ganz bitterlich.

 

Es muss sich einfach dringend im System, in den Spitälern auch etwas an der Führungskultur, an der Organisationskultur ändern. (GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara: Das ist aber kein Wien-spezifisches Thema!) Wenn StR Hacker den Arbeitskampf von ÄrztInnen auf eine Kampagne reduziert, und ich würde sagen, damit abwertet und fast auch lächerlich macht, dann bin ich entsetzt. Gleichzeitig finden in den Ordensspitälern mit Unterstützung der Gewerkschaften Streiks der ÄrztInnen statt. Also mit welcherlei Maß wird hier gemessen? Es geht um Arbeitskampf, es geht um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen, und den ÄrztInnen abzusprechen, dass es ihnen auch um die PatientInnen geht, das ist ja wirklich perfide. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Dass dann, verbal ausgedrückt, die gereichte Hand nicht immer ernst genommen werden kann, das verstehe ich, ehrlich gesagt, schon. Also Arbeitskampf als „Kampagne“ zu bezeichnen, und das aus einer Sozialdemokratischen Fraktion heraus, meine sehr geehrten Damen und Herren der SPÖ, da sollten Sie sich wirklich tatsächlich Ihrer Wurzeln wieder einmal besinnen und bedienen.

 

Ich möchte auch zwischen ÄrztInnen und Pflege unterscheiden. Ja, die Pflege ist der einzige Bereich im Regierungsprogramm von NEOS und SPÖ, der zum Thema Personalnot abgedeckt wird. Noch in den letzten Jahren der rot-grünen Ära ist das Thema im WAFF angegangen worden. Das finde ich sehr gut. Es ist aufgestockt worden, es sind jetzt nicht nur 2.800 Plätze, wie Kollege Konrad gesagt hat, sondern es wurde zum Glück auf 4.000 aufgestockt. In der Pflege dauert die Ausbildung 3 Jahre, also da muss auch noch mehr Dampf folgen, denn wir brauchen bis 2030 10.000 zusätzliche Pflegekräfte. Ich weiß gar nicht, ob der Abgang, den wir derzeit haben, da wirklich richtig einkalkuliert wurde, jedenfalls ist der Bedarf enorm.

 

In der Medizin schaut es anders aus. Ich habe gesagt, 8.000 rein nur im WIGEV, 44 Prozent der MedizinerInnen in Österreich werden bis 2030 in Pension gehen. Also es ist ein gewaltiger Abgang nicht nur an Menschen, an Know-how insgesamt. Wenn man bedenkt, dass die Ausbildung für fertige MedizinerInnen an die zwölf Jahre dauert, also, wenn da heute angefangen wird, darüber nachzudenken - zum Glück hat das zumindest heute begonnen -, dann sieht man, wie weit wir den Entwicklungen auf der einen Seite und den Ansätzen, diese Probleme zu lösen, eigentlich nachhinken. Ich glaube schon, dass man Umfragen ernst nehmen muss, und eine Umfrage ist, dass 30 Prozent der AbgängerInnen der Medizin-Unis in Österreich nicht ärztlich arbeiten wollen. Da muss man sich fragen: Woran liegt es? Sind es die Arbeitsbedingungen, sind es die Ausbildungsbedingungen, ist es die Bezahlung, die hier offenbar so schlecht ist. Sind wir im Vergleich zu anderen Ländern wie Deutschland, wie der Schweiz einfach nicht wettbewerbsfähig? Ja, hallo, da können wir aber schon etwas tun, da können wir sehr wohl attraktive Arbeitsbedingungen schaffen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ich habe mir angeschaut, wie auf der WIGEV-Seite für neue MitarbeiterInnen geworben wird, und ich habe mir gedacht, ich sehe nicht richtig. Das Einzige, was gesagt wird - das ist auch richtig -, ist, wir sind der größte Ausbildner. Aber ehrlich, das ist heutzutage zu wenig. Man muss wirklich signalisieren „We want you!“ und genau herausstreichen, was die Vorzüge sind, was alles geboten wird. Da geht es ganz viel um qualitative Kriterien, da geht es nicht nur um Geld - nein, nein, das glaube ich auch und das soll es auch nicht sein -, sondern da geht es um das, was immer als Employer Branding bezeichnet wird. Genau diese Soft-Faktoren, die es einfach klasse machen, in einem Team in einem Spital zu arbeiten. So wie man das ja auch von anderen Unternehmen hört: Ich weiß, ich verdiene gar nicht so viel, aber mein Arbeitgeber ist so lässig, wir haben so ein gutes Team, wir haben so eine gute Arbeitsstimmung, ich will überhaupt nicht wechseln! - Und genau an dem mangelt es und daran muss gearbeitet werden. Und da vermisse ich nach wie vor von Ihnen in der Regierungsbank die Worte, die Ansätze, die mir den Glauben geben, dass da tatsächlich etwas passiert. (Beifall bei den GRÜNEN.) In der Analyse sind wir ja offenbar alle sehr gut, uns fallen wirklich viele Sachen ein, die mitverantwortlich sind. Aber im Problemlösen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und dafür sind Sie ja gewählt und dafür sitzen Sie in der Regierungsbank, da ist heute bis jetzt wirklich noch gar nichts von Ihnen zu hören gewesen.

 

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, ich nenne es für mich die heilige Kuh. Und diese heilige Kuh ist die gewerbsmäßige Nebenbeschäftigung von Spitalsärztinnen und Spitalsärzten. Es ist so, dass eine Anfrage von uns ergeben hat, dass 62,4 Prozent der SpitalsärztInnen einer gemeldeten Nebenbeschäftigung nachgehen, bei den Abteilungsvorständen sind es sogar 81,5 Prozent und bei den OberärztInnen 66 Prozent, wenn man diese 62 Prozent aufdröselt. Das ist alles erlaubt. Aber das ist Zeit, die im Spital fehlt und die offenbar in den letzten Jahren nicht durch andere Planstellen aufgestockt wurde, oder wo man einfach gesagt hat, du, das geht nicht, entweder Spital oder Privatordination. Aber dieser hohe Anteil heißt ja letztendlich, dass alle, die nicht FachärztInnen, nicht OberärztInnen sind, nämlich alle, die in Ausbildung sind, die AssistenzärztInnen die sind, die die Arbeit machen, die in der Nacht da sind und die aber letztendlich eigentlich nicht so einen hohen fachlichen Standard haben. Ich kann Ihnen ein Beispiel erzählen: In der Nacht, Notfall ins AKH. Und was ist passiert? Die Frau ist wieder heimgeschickt worden, warten wir mal, ob es noch schlimmer wird. Und

 

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