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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 21.12.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 115

 

Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Und ich sehe gerade, dass sich niemand zu Wort gemeldet hat.14.35.58 Das heißt, wir kommen gleich zur Abstimmung über die Postnummer 113. Wer dieser Postnummer zustimmen kann, ersuche ich um ein Zeichen mit der Hand. - Ich sehe die Zustimmung von SPÖ, NEOS und GRÜNEN, womit diese Post mehrstimmig gegen die Stimmen von ÖVP und FPÖ angenommen worden ist.

 

14.36.19Wir sind nun bei der Postnummer 127. Sie betrifft die Förderung an die Vereinigte Bühnen Wien GmbH im Jahr 2023. Hier haben sich Menschen zu Wort gemeldet, daher ersuche ich die Berichterstatterin, die Verhandlung einzuleiten.

 

14.36.33

Berichterstatterin GRin Mag. Dr. Ewa Samel: Ich ersuche um Zustimmung.

 

Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Ich eröffne die Debatte. Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Berner, und ich erteile es ihr.

 

14.36.45

GRin Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE)|: Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin!

 

Die GRÜNEN und die VBW, auf Facebook würde man sagen, der Beziehungsstatus ist kompliziert. Unsere Kritik an der VBW hat Traditionen, die Schwerpunkte haben sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert. Ich werde jetzt im Rahmen meiner Rede 4 davon nennen.

 

Erstens, es geht auch hier um Transparenz. Die Vereinigten Bühnen sind ein riesiger Koloss, der nahezu ein Fünftel des gesamten Kulturbudgets verschlingt, verbraucht, gebraucht. Wir als Abgeordnete erhalten aber nur einen knappen Zehnzeiler über die Pläne für das kommende Jahr, auf dessen Basis wir dann eine Entscheidung über 50 Millionen pro oder kontra treffen sollen. Schon vor fast 20 Jahren, 2005 war das, stellte meine Kollegin, Kultursprecherin Marie Ringler, Anträge auf mehr Transparenz, vierteljährlich wollte sie Berichte mit Zahlen zu den BesucherInnen und Ein- und Ausgaben und zur künstlerischen Arbeit haben. Vierteljährlich. Das war vor 20 Jahren. Heute würde ich sagen, vierteljährlich ist vielleicht sehr ambitioniert, aber zumindest ein Mal im Jahr hätte ich das gerne, und zwar nicht erst dann im Sommer bei der Budgetbesprechung, sondern jetzt, wo wir die Entscheidung treffen, ob wir in das nächste Jahr etwas investieren sollen oder nicht. Denn jetzt haben wir eigentlich keine Basis für eine Entscheidung. Wir wissen nicht, wie viele BesucherInnen tatsächlich im Jahr 2022 da waren. Wir wissen nicht, ob das Ausweichlokal im MuseumsQuartier funktioniert. Wir haben keine ersten Einschätzungen, ob das neue, ambitionierte Programm von Stefan Herheim in Wien angenommen wird, ob es vielleicht gar möglich ist, neue Publikumsgruppen zu erschließen. Wir wissen vor allem nicht, ob die heißersehnten TouristInnen zurückgekommen sind und endlich wieder die Musicaltheater füllen. Zwei Drittel der BesucherInnen der Musicals stammen ja, wie Sie wahrscheinlich wissen, nicht aus Wien, sondern aus den Bundesländern oder sind TouristInnen.

 

Wir wünschen uns deshalb eine Offenlegung der Budgetierung. Wir wollen wissen, wie viel die einzelnen Produktionen kosten. Wir wollen wissen, wofür wir was ausgeben. Wir wollen Berichte und wir wollen das schnell, also zeitnah zu dem, wann wir unsere Entscheidungen treffen. Es kann nicht angehen, dass die Vereinigten Bühnen noch mehr Geld bekommen und dafür weniger transparent sein müssen. Auf diesbezügliche Anfragen, wie das mit den Zahlen ausschaut, bekommen wir leider öfter die immer ein bisschen unbefriedigende Antwort. Ich zitiere: „Das in der Stadtverfassung festgeschriebene Fragerecht von Gemeinderatsmitgliedern an den Bürgermeister und die amtsführenden StadträtInnen bezieht sich nur auf Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde. Gegenstand des Fragerechts ist nur das Handeln von Organen der Gemeinde Wien. Die privatrechtliche Tätigkeit und eigenständige juristische Personen wie die Vereinigten Bühnen unterliegen diesem Recht nicht, da deren Handlungen nicht der Gemeindeverwaltung zuzurechnen sind.“

 

Aber finanzieren müssen wir die Vereinigten Bühnen trotzdem. Und das ist das, wo es ein Spannungsverhältnis gibt. Das ist ein Muster, das sich durchzieht, wir wissen das, es ist auch in anderen großen Institutionen der Stadt, die in GmbHs ausgelagert worden sind, und es ist nicht sehr schön, weil sie sich damit der demokratischen Kontrolle entziehen. Das ist das Gegenteil von Transparenz, das ist weder einer demokratischen Stadt würdig noch dem 21. Jahrhundert, und ich bitte Sie, da neue Ideen zu entwickeln. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Zweiter Kritikpunkt: Natürlich muss ein umfassendes Kulturprogramm in einer Stadt auch viel Mainstream beinhalten. Die langjährig geäußerte Kritik der GRÜNEN ist also nicht gegen das Genre Musical, ganz im Gegenteil, unsere Kritik geht klar in eine andere Richtung, es geht um die Struktur: Warum schafft es eine Stadt wie Hamburg mit zirka der gleichen EinwohnerInnenzahl wie Wien, Musicals rentabel zu präsentieren, das heißt, am Mainstream zu verdienen, und warum ist es in Wien unmöglich, nämlich genaugenommen andersrum, wir stützen das Musical mit hohen Förderungen? Und das Ganze wird verschärft, denn obwohl die Förderungen ziemlich hoch sind, sehr hoch, ein Fünftel des gesamten Kulturbudgets, sind die Eintrittskarten für das Musical alles andere als günstig. Tickets mit guter Sicht sind im Ronacher oder im Raimund Theater teurer als in der Volksoper, und da ist die Frage, wie kann es dazu kommen. Vermutlich sind in beiden Bereichen die Aufwände ungefähr ähnlich, es geht in beiden Fällen um SängerInnen, es geht um große künstlerische Arbeit, aber warum können da die Ticket-Preise so unterschiedlich sein, und das, obwohl Sie im Antragstext behaupten, dass Sie genau das vorstellen wollen, nämlich Musicalerlebnisse zu günstigen Bedingungen? Auch zur behaupteten Umwegrentabilität haben wir schon lange keine Zahlen mehr gesehen. Es war noch Andreas Mailath-Pokorny, der 2011 von 2,3 Prozent Wertschöpfung gesprochen hat, die wir durch die Vereinigten Bühnen, also durch die Musicals bekommen. Die gesamte Wertschöpfung aus dem Kulturbetrieb liegt laut WIFO-Studie 2020 bei 4,9 Prozent, demnach wäre also auch bei den Vereinigten Bühnen noch deutlich Luft nach oben in

 

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