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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 21.12.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 66 von 115

 

bei der FPÖ.) Wir unterbrechen nun die Tagesordnung, nachdem es 16 Uhr ist.

 

16.01.56 Wir kommen nun zu dem Verlangen, dass die von den GemeinderätInnen Prack, Malle, Stadler, Huemer, Margulies und Otero Garcia eingebrachte und an den Herrn Bürgermeister gerichtete Dringliche Anfrage betreffend „Sozialleistungen gegen Teuerungen absichern: Der Bund geht voran. Wo bleibt die automatische Wertsicherung der Wiener Sozialleistungen?“ vom Fragesteller mündlich begründet werde und hierauf eine Debatte über den Gegenstand stattfinde.

 

Gemäß § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung wurde auf die Verlesung nicht verzichtet, und daher darf ich den Herrn Schriftführer bitten. (Heiterkeit bei ÖVP, FPÖ und VBgm Christoph Wiederkehr, MA. - Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich habe einen Profi einfliegen lassen, Herrn GR Zierfuß. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich darf ihn bitten, die Verlesung zu beginnen.

 

16.02.55

Schriftführer GR Harald Zierfuß: „Dringliche Anfrage der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte Prack, Malle, Stadler, Huemer, Margulies, Otero Garcia an Herrn Bgm Dr. Michael Ludwig für den Gemeinderat am 21.12.2022: ‚Sozialleistungen gegen Teuerungen absichern: Der Bund geht voran. Wo bleibt die automatische Wertsicherung der Wiener Sozialleistungen?‘

 

Sozial- und Familienleistungen des Bundes werden gegen Inflation abgesichert. Mit 1.1.2023 werden Sozial- und Familienleistungen des Bundes, die bisher einem ständigen Wertverlust unterlegen sind, automatisch mit dem Verbraucherpreisindex VPI erhöht und somit gegen die Inflation abgesichert. Mit dieser wichtigen Maßnahme erfüllt der Bundesgesetzgeber eine alte Forderung von Arbeiterkammer, Armutskonferenz und Hilfsorganisationen.

 

Jeweils zu Jahresbeginn werden Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Kinderabsatzbetrag, Studienbeihilfe, Reha-, Kranken- und Umschulungsgeld ab 2023 an die Inflation angepasst. Jahrelang wurde nur diskutiert, zu Neujahr ist die kalte Progression Geschichte. Gleichzeitig schafft der Bundesgesetzgeber die kalte Progression der Einkommenssteuer nach jahrelanger Diskussion endlich ab.

 

Auch die Negativsteuer, also die negativsteuerfähigen Absatzbeträge für Alleinerziehende, Pensionisten, Unterhalt, Kinderabsatzbetrag und der Zuschlag zum Verkehrsabsatzbetrag werden mit 1.1.2023 jährlich an die Inflation angepasst. Damit werden Menschen gezielt entlastet, die auf Grund von niedrigen Einkommen keine oder fast keine Einkommenssteuer zahlen müssen.

 

Eines wird in Wien immer valorisiert: die Gebühren. Die automatische Valorisierung der Gebühren mit dem VPI ist in Wien gesetzlich festgelegt. Eine Erhaltung des aktuellen Kostendeckungsgrades durch Gebühren ist für die Finanzierung der Wiener Daseinsvorsorge auch von hoher Relevanz. Fragwürdig ist es allerdings, dass die automatische Gebührenerhöhung nicht einmal in Zeiten höchster Teuerung ausgesetzt wird.

 

Die Valorisierung der Wiener Gebühren kommt auch mit 1.1.2023. Bei den Sozialleistungen der Stadt wird das nicht so genau genommen. Während der Bund endlich handelt und den Verfall von Sozial- und Familienleistungen stoppt, bleibt Wien weiterhin untätig. Der Bundesgesetzgeber setzt neben der schnellen Hilfe mit Einmalzahlungen auch eine strukturelle Maßnahme um. Die Wiener Stadtregierung bleibt strukturelle Maßnahmen schuldig.

 

Einkommensgrenzen der Wiener Wohnbeihilfe seit 2000 nicht mehr erhöht: Die Einkommensstufen für die Wohnbeihilfe der Stadt Wien wurden seit 2000 nicht mehr erhöht. Es kommt zu einer kalten Progression aus der Wohnbeihilfe. Das heißt, viele Einkommensgruppen, die 2000 noch anspruchsberechtigt waren, fallen aus der Wohnbeihilfe, und zwar nicht, weil sie weniger Unterstützungsbedarf haben, sondern weil die Einkommensstufen nicht angepasst wurden. Die stark steigende Inflation verschärft dieses Problem auf Grund steigender Nominaleinkommen massiv.

 

Kalte Progression aus der Wohnbeihilfe: Die Zahl der Bezieher von Wohn- und Mietbeihilfe ist von 60.744 im Jahr 2012 auf 49.725 im Jahr 2020 gesunken, und das vor dem Hintergrund einer stark wachsenden Bevölkerung. Menschen, die noch Anspruch auf Wohnbeihilfe haben, müssen eine schleichende Entwertung jenes Einkommensteils hinnehmen, der nicht für Wohnkosten aufgebracht werden muss.

 

Die Wohnbeihilfe hilft einer immer geringeren Anzahl von Menschen immer weniger. Die Wirkung der Wohnbeihilfe sinkt. Das zeigen die sinkenden Ausgaben für Wohnbeihilfe und die geringen Bezieherzahlen. Wegen dem mit der Teuerung im Jahr 2022 verbundenen höheren Nominaleinkommen droht nun eine Rekordzahl von bisher anspruchsberechtigten Menschen aus der Wohnbeihilfe zu fliegen, obwohl sich an ihrem Unterstützungsbedarf rein gar nichts geändert hat.

 

Gefördertes Essen in Kinderbetreuungseinrichtungen: keine Anpassung seit 2009. Die Einkommensgrenzen für die Befreiung von Essenskosten in Kinderbetreuungseinrichtungen wurden seit 2009 nicht mehr angehoben. Wäre die Grenze von 1.100 EUR mit der Inflation erhöht worden, müsste sie 2021 bei rund 1.380 EUR liegen. Die fehlende Anpassung der Einkommensgrenzen für das geförderte Essen führt dazu, dass der Schutz einer wichtigen Sozialleistung für Kinder immer mehr verloren geht.

 

Allein zwischen 2015 und 2021 sind die Ausgaben für die Befreiung von Essenskosten laut MA 11 von 5,1 Millionen EUR auf 1,2 Millionen EUR gesunken. Das sind Ausgabenkürzungen von 76,5 Prozent. Die Zahl der geförderten Haushalte ist von 10.281 im Jahr 2015 auf 2.909 2021 gesunken. Mit dem Verlust der Essenskostenbefreiung geht bei privaten Trägern außerdem oftmals der Verlust der Kinderbeitragsbefreiungen einher. Das heißt, für betroffene Eltern entstehen Mehrkosten, die über den Essensbeitrag weit hinausgehen.

 

Alleinerziehende Mindestsicherungsbezieher ohne Anspruch: Das starre Festhalten an der Einkommensgrenze von 1.100 EUR schließt mittlerweile die meisten Armutsbetroffenen und -gefährdeten aus. Alleinerziehende Mindestsicherungsbezieher mit einem Kind haben beispielsweise schon keinen Anspruch mehr auf die Befreiung, obwohl fast jedes zweite Kind in einem Einelternhaushalt armutsgefährdet ist. Hinzu kommt, dass auch

 

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