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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 21.12.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 68 von 115

 

kung der Befreiung von Essenskosten für Kinder in Kinderbetreuungseinrichtungen völlig verpufft, wenn wir nicht sofort handeln, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

 

Es wäre ein schönes Zeichen, wenn wir noch vor Weihnachten Einigkeit in diesem Haus erzielen könnten, dass wir das nicht zulassen, dass wir den Wertverlust der Wohnbeihilfe und der Essensunterstützung ausgleichen, dass wir die Einkommensstufen und die Einkommensobergrenzen künftig mit der Inflation anheben. Das wäre ein sehr gutes Signal, das wir heute aus diesem Saal in die Stadt senden könnten. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Denn was ist das Problem? Nehmen wir zunächst die Wohnbeihilfe: Seit dem Jahr 2000 wurden die Einkommensstufen der Wohnbeihilfe nicht mehr valorisiert. Was heißt das? Der Teil des Einkommens, der nicht für Wohnen aufgewendet werden muss, bleibt nominell gleich hoch, real verliert er damit natürlich massiv an Wert. Das brauche ich Ihnen nicht erklären.

 

Ein Einpersonenhaushalt, der im Jahr 2000 ein Einkommen von 734 EUR hatte, konnte die volle Wohnbeihilfe beziehen. Hätte man diese 734 EUR jedes Jahr mit dem VPI, mit dem Verbraucherindex erhöht, dann würde diese Grenze Anfang 2022 bei 1.094 EUR liegen, also 360 EUR höher. Man würde sich mit 1.094 EUR jetzt Anfang des Jahres überhaupt kein Einkommen auf die Wohnkosten anrechnen lassen müssen.

 

Wie sich diese starke Inflation im Jahr 2022 auswirkt, sieht man, wenn man das noch einmal auf November 2022 hochrechnet. Diese Stufe müsste jetzt, Stand November 2022, bei 1.234 EUR liegen. Also wir sind da bei 500 EUR höher, als die Stufe im Jahr 2000 gelegen ist. Die Inflation von 2022 hat eben dramatische Auswirkungen auf die Wohnbeihilfe. Jetzt frage ich Sie: Wie viel Wohnbeihilfe bekommt man jetzt bei einem Einkommen von 734 EUR? - Gar keine.

 

Das ist logisch, weil ein Mindesteinkommen in der Höhe der Mindestsicherung definiert ist, und man will, dass zunächst die Mindestsicherung beantragt wird, und dann erst Wohnbeihilfe. Jetzt aber die entscheidende Frage: Wissen Sie, wie viel Wohnbeihilfe man als Einpersonenhaushalt bekommt, wenn man gleich viel verdient wie 2000, nur erhöht auf das Jahr 2022, also wenn man genau gleich viel bekommt, den wertgesicherten Betrag, das sind dann 1.234 EUR?

 

Wenn man im November 2022 ist, dann bekommt man gar keine Wohnbeihilfe, gar keine, weil der höchstmögliche anrechenbare Wohnaufwand auf dieser Einkommensstufe bereits so hoch ist für einen Einpersonenhaushalt wie der zumutbarer Wohnaufwand. Es ist kompliziert, oder? (Ruf bei den GRÜNEN: Ja!) Es ist kompliziert, weil die Wohnbeihilfe kompliziert ist, aber man kann es auf eine einfache Formel bringen. Ein Einpersonenhaushalt, der vor 22 Jahren auf die volle Wohnbeihilfe Anspruch hatte, wird ab Neujahr keinen Anspruch mehr haben, obwohl das Realeinkommen gleich hoch ist, obwohl sich diese Person mit ihrem Geld kein bisschen mehr kaufen kann. Es kommt einfach zu einer, ich nenne es jetzt einmal kalten Progression aus der Wohnbeihilfe.

 

Die Wohnbeihilfe hilft immer weniger WienerInnen und sie hilft immer weniger jenen, denen sie noch hilft. Dagegen müssen wir doch etwas unternehmen, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Bürgermeister! (Beifall bei den GRÜNEN.) Gerade Sie als ehemaliger Wohnbaustadtrat - und ich weiß, Sie sind im Herzen noch immer Wohnpolitiker - können das doch nicht einfach so hinnehmen. Wir müssen das reparieren, und zwar schnell.

 

Wer bezweifelt, dass es zu einer kalten Progression aus der Wohnbeihilfe kommt, möge sich die Zahlen der Landesstatistik ansehen. 2008 gab es noch mehr als 58.000 BezieherInnen, 2021 ist die Zahl auf 38.000 gesunken, also mehr als ein Drittel, und das bei einer stark steigenden Bevölkerung. Also das müsste man eigentlich noch mit einberechnen. 2008 haben wir 3,5 Prozent der Bevölkerung mit Wohnbeihilfe erreicht, 2021 waren es nur mehr 2 Prozent. Das ist ein dramatischer Befund, sehr geehrte Damen und Herren, und es wird hoffentlich niemand annehmen, dass die sinkende Zahl von BezieherInnen mit einem geringeren Bedarf zusammenhängt oder mit sinkenden Wohnungspreisen. Nein, die sinkenden Zahlen der WohnbeihilfebezieherInnen hat ausschließlich damit zu tun, dass die Einkommensstufen nicht an die Inflation angepasst wurden, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Ich erzähle es Ihnen an einem Fall: Frau B. ist eine Alleinerziehende mit zwei Kindern. Sie wohnt in einer 70 m²-Wohnung, private Mietwohnung. Ihr monatliches Nettoeinkommen, aus einer Teilzeitbeschäftigung als Sekretärin und mit den Alimenten des Kindesvaters, beträgt 1.435 EUR plus Sonderzahlungen. Sie bekommt keine Wohnbeihilfe, obwohl ihr Einkommen nicht einmal 200 EUR über der Mindestsicherung liegt. Sie bekommt keine Wohnbeihilfe, weil der anrechenbare Wohnaufwand für die Größe der Wohnung und für die Haushaltsgröße so hoch ist wie der zumutbare Wohnaufwand. Und warum ist das so? Weil die Einkommensstufe seit 2000 nicht valorisiert wurde. Frau B. und ihre Kinder würden monatlich zirka 375 EUR Wohnbeihilfe bekommen, würde heute der gleiche Maßstab angelegt wie im Jahr 2000. Das heißt, Frau B. fehlen 4.500 EUR jährlich, weil die Einkommensstufen nicht valorisiert wurden. Diese 4.500 EUR spart sich die Stadt jetzt, und die Einsparungen gehen in die Millionen. 2008 haben wir noch 92 Millionen für Wohnbeihilfe ausgegeben, 2021 sind es 53 Millionen. Das sind 39 Millionen weniger, eh schon genug, inflationsbereinigt sind es 63 Millionen, die wir weniger für Wohnbeihilfe ausgeben als 2008. Und da ist das Bevölkerungswachstum noch gar nicht berücksichtigt, also eigentlich ist es ein deutlich stärkerer Wertverlust.

 

Wien spart also viel Geld bei der Wohnbeihilfe auf Kosten von Menschen wie Frau B. und ihren Kindern. Nur, um welchen Preis, frage ich Sie. Die kalte Progression aus der Wohnbeihilfe ist eine Armutsfalle, gerade für Alleinerziehende und ihre Kinder, gerade für Menschen mit niedrigem Einkommen. Das können wir nicht einfach zur Kenntnis nehmen, dagegen müssen wir endlich etwas tun. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Kommen wir jetzt noch kurz zur Befreiung von den Essenskosten in Wiener Kinderbetreuungseinrichtungen, das war ja öffentlich durchaus schon Thema: Auch hier

 

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