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Gemeinderat, 34. Sitzung vom 27.01.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 37

 

GRin Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE)|: Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Jetzt habe ich mir einige Verteidigungsreden angehört und habe mir gedacht: Bist du deppert! Also manche können wirklich schwer einstecken, was da für Kritik vorgebracht wird. Da denke ich mir: Ist es so schwierig, sich einfach hinzustellen und zu sagen, na ja, schaut, wir haben einfach Ressorts übernommen, die schwierig waren, und ja, es ist wirklich nicht alles super gelaufen? Ist es so schwierig, sich hinzustellen und einfach sachliche Kritik wahrzunehmen, wie es ist?

 

Wenn Kollegin Bakos sagt, der Vizebürgermeister war der Erste, der rausgegangen ist und eine große Reform angekündigt hat (GRin Mag. Dolores Bakos, BA: Nicht angekündigt!) - angekündigt, das ist eine Feststellung unsererseits -, dann denke ich mir: Na ja, was hätte er denn anderes machen sollen, Frau Kollegin? Er hat ein einsturzgefährdetes Haus übernommen. (GRin Mag. Dolores Bakos, BA: Wo waren Sie zehn Jahre davor?) Wenn er da keine minimalen Reformschritte eingeleitet hätte, dann wären Sie heute unter diesen Trümmern wahrscheinlich einfach nicht mehr zu sehen gewesen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Herr Kollege Konrad hat davor gesagt, er versteht es gar nicht, dass die GRÜNEN das Integrationsversagen mitgetragen haben. Ich meine, „sorry to say“, aber Verzögerungen im Staatsbürgerschaftsverfahren sind auch ein Integrationsversagen, und dass wir mit der ÖVP nicht das Gleiche unter Integrationsversagen verstehen, dafür brauchen wir keine politischen Genies. Es liegt wohl auf der Hand, dass gerade im Integrationsbereich vieles einfach nicht weitergeht. Gerade vor zwei Tagen haben Sie einen integrationspolitischen Antrag abgelehnt, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Wenn ich mir die letzten E-Mails in meinem Posteingang anschaue, dann lese ich, dass ein Familienvater schreibt, dass sie seit mehr als zweieinhalb Jahren auf die Entscheidung über ihre Aufenthaltsverlängerung warten. Es ist nicht einmal ein Antrag, nicht einmal ein Erstantrag, sondern eine Verlängerung. Er schreibt auch, dass ihre Freiheiten massiv eingeschränkt sind, wie zum Beispiel Berufsfreiheit und auch Reisefreiheit, denn wenn sie keine gültige Aufenthaltskarte haben, dann können sie auch das Land nicht verlassen. Zudem müssen sie sich Sorgen machen, dass sie ja nicht arbeitslos werden, denn für einen neuen Job brauchen sie doch eine gültige Aufenthaltskarte. Sich da jetzt hinzustellen und zu sagen, das ist ein Ablenkungsmanöver, wenn wir über die Missstände in der MA 35 reden, dann werden wir der Familie höchstwahrscheinlich nicht weiterhelfen.

 

Ein anderer Familienvater schreibt: „Mein Vater ist gestorben. Ich durfte nicht zu seiner Beerdigung gehen, weil ich das Land nicht verlassen durfte, weil die MA 35 meinen Bescheid erst nach 15 Monaten geschickt hat, trotz so vieler Anfragen auf Auskunft. Ich habe 2 Anwälten 1.800 EUR gezahlt, aber sie haben es immer noch nicht geschafft, dass die MA 35 dazu innerhalb von sechs Monaten einen Bescheid ausfertigt.“

 

Zu sagen, der Bund ist an allem schuld, die bundesgesetzlichen Bestimmungen sind an allem schuld, das hilft der Familie auch nicht weiter. (GRin Mag. Dolores Bakos, BA: Das habe ich nicht gesagt! Wo bleibt die Sachlichkeit?) Zu sagen, wir haben eh alles super und richtig gemacht und wir können es eh viel besser als alle anderen Parteien, hilft auch den Familien nicht, hilft auch den Betroffenen nicht, denen somit die Lebenszeit einfach geraubt wird und denen man auch die Zukunft mit dieser Verzögerungspolitik raubt. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Kollegin Bakos sagt dann, wir haben irgendwie 150.000 Anträge bekommen. Die Zahl der Anträge ist doch total irrelevant, Frau Kollegin (GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc: Na, die ist nicht irrelevant!), denn die Zahl der Anträge sagt nichts darüber, wie viele Anträge unerledigt sind, wie viele Anträge abgewiesen wurden. (GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc: Doch, die Zahl ist relevant!) Die Quantität zu erwähnen, aber nicht einmal die Qualität zu unterstreichen, ist ein bisschen wenig. (GR Markus Ornig, MBA: Jede Statistik ist irrelevant! Was sind schon Zahlen?)

 

Von zwei Millionen Minuten zu reden! Wenn Sie es nach zwei Jahren Reform immer noch nicht geschafft haben, dass die Menschen ein Jahr Wartezeit haben, um überhaupt einen Termin für ein Erstinformationsgespräch zu bekommen, ist es offensichtlich, dass Ihre Reform einfach gescheitert ist. (Beifall bei GRÜNEN und ÖVP.)

 

Die Missstände sind nicht nur Erfindungen der Oppositionsparteien, die Missstände werden vom Stadtrechnungshof bestätigt, die werden von der Volksanwaltschaft bestätigt. Wir kriegen auch tagtäglich E-Mails von Bürgerinnen und Bürgern. Zuletzt hat mir auch eine Frau gesagt, dass sie sechs Monate gebraucht hat, um überhaupt zu einer Terminvereinbarung zu kommen. Sie hat sechs Monate per E-Mail und auch telefonisch probiert, überhaupt jemand zu erreichen, der ihr einen Termin für ein Erstinformationsgespräch gibt. Im Juni 22 hat sie mit diesen Anfragen für eine Terminvereinbarung begonnen, und erst jetzt im Jänner 23 hat sie einen Termin für 2024 erhalten. Ich meine, ich will gar nicht wissen, wie es wäre, wenn Sie keine Reformankündigungen gemacht hätten, liebe Kolleginnen und Kollegen. (GRin Mag. Dolores Bakos, BA: Ja, sagen Sie einmal, was Sie zehn Jahre lang gemacht haben!)

 

Heute wundern Sie sich, warum es einen Misstrauensantrag gibt. Nach über zwei Jahre Reformankündigungen, wenn es immer noch aktuelle Fälle von Missständen und Beschwerden gibt, können Sie noch so oft diese Missstände relativieren, sie dann zynisch beantworten oder sie ins Lächerliche ziehen, das macht es nicht besser. (GR Markus Ornig, MBA: Man kann sich auch immer auf den Koalitionspartner ausreden! Das kann man auch machen!) Damit helfen Sie den Menschen nicht weiter und damit helfen Sie auch den Kindern nicht weiter, die ja mit im Boot mit den Eltern und Familien sind.

 

Es liegt jetzt bei Ihnen, ob Sie diese Kritik, diese Missstände, die wir ja zusammen mit dem Stadtrechnungshof und auch der Volksanwaltschaft immer wieder vorbringen und eigentlich auch bereit sind, mit Ihnen zusammen auch an dieser Reform zu arbeiten, wirklich ernst anzunehmen und hier wirklich diese Reformbestrebungen weiterzufüh

 

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