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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 23.02.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 64

 

(Beifall bei den NEOS sowie von GRin Gabriele Mörk und GR Erich Valentin.)

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächste Rednerin ist Frau StRin Mag. Pühringer zu Wort gemeldet. Sie sind am Wort.

 

11.46.34

StRin Mag. Judith Pühringer|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Wir beschließen heute die Förderung für den WAFF, den Wiener ArbeitnehmerInnen Ausbildungs- und Förderungsfonds, also eine überaus wichtige Institution in dieser Stadt.

 

Angesichts einer in den letzten Tagen intensiv geführten Debatte zum Thema Teilzeit - einer schwierigen Debatte, auf die ich noch zu sprechen kommen werde - möchte ich vor allem jene Bereiche herausgreifen, in der der WAFF Menschen dabei unterstützt, in gesellschaftlich wichtige Arbeit, also in Arbeit im Bereich der Pflege und im Gesundheitsbereich, einzusteigen. Wir wissen, dass es da einfach noch große Bedarfe gibt und es auch in Zukunft noch mehr Bedarfe geben wird. Die derzeitigen Herausforderungen sind bekannt. Wir haben sie hier bei vielen Gelegenheiten eingebracht und auch intensiv miteinander diskutiert. Es werden in Wien händeringend Menschen gesucht, die im Bereich der Pflege und im Gesundheitsbereich in den Beruf einsteigen, aber - und das ist wesentlich und zentral - diesen Beruf auch überhaupt länger ausführen können, die in diesem Beruf bleiben können und diesen Job einfach auch langfristig gerne und gesund machen können.

 

Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass diesen vielen offenen Stellen gerade in Wien eine zwar gesunkene Zahl - wir haben die Zahl gerade gehört -, aber immer noch eine große Zahl an erwerbsarbeitslosen Menschen gegenübersteht, die in aller Regel entweder nicht die erforderlichen Qualifikationen oder die leider berühmt-berüchtigten Vermittlungshemmnisse haben. Zu diesen Vermittlungshemmnissen gehört leider immer noch das Thema Alter. Es ist wirklich traurig, dass das so ist. Da muss der WAFF und da müssen wir alle in unseren arbeitsmarktpolitischen Programmen dafür sorgen, dass diese Diskriminierung nicht länger bestehen bleibt und wir gerade bei diesem Thema Langzeitarbeitslosigkeit und Alter ganz, ganz dringend weitere Maßnahmen setzen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Wir sagen oft so technisch Fachkräftemangel. Wir suchen Menschen. Eigentlich ist dieser große Bedarf, den wir an Menschen haben, die in diese Bereiche einsteigen, ja auch erfreulich, weil es ja in Wirklichkeit bedeutet, dass wir in dieser Stadt eine Menge zu tun haben, nämlich auf dem Weg in eine klimafreundliche, in eine soziale und vor allem in eine nachhaltige und zukunftsfähige Stadt. Da haben wir unglaublich viel zu tun. Da brauchen wir die Menschen.

 

Wir brauchen die Menschen beim Umbau der Mobilitätsinfrastruktur, beim Ausbau der Öffis. Wir brauchen die Menschen bei der Umrüstung unserer Wohnungen auf nachhaltige Energieversorgung. Wir brauchen die Menschen, wir brauchen die Männer und Frauen dieser Stadt auch bei den ganz wesentlichen Jobs, die unsere Gesellschaft zusammenhalten: bei der Pflege, bei der Gesundheit und in der Sozialwirtschaft.

 

Der WAFF liefert in Kooperation mit dem AMS, dem Arbeitsmarktservice, und auch mit der Bundesregierung jedes Jahr einen total wichtigen Beitrag dafür, Menschen und besonders auch Frauen für all diese Aufgabenbereiche, die wir in dieser Stadt brauchen, zu qualifizieren. Das sind Menschen, die wir bei dieser „just transition“ - so nennen wir es -, bei diesem gerechten Übergang in eine Zeitenwende, in der wir uns befinden, brauchen werden. Da brauchen wir die Menschen für diesen Übergang hin zu einer klimagerechten und zu einer zukunftsfähigen Stadt. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Im Bereich der Fachkräftesicherung - das hat Kollege Konrad schon erwähnt - werden unter anderem Menschen unterstützt, die in der Kinderbetreuung tätig werden wollen, Männer und Frauen, die im Pflegebereich beruflich aktiv werden wollen und damit auch den Care-Sektor stärken und maßgeblich zum Wohlstand in unserer Gesellschaft beitragen. Angesichts dessen sei betont: Die Menschen sind einfach sehr oft Frauen. Also besonders Frauen arbeiten in genau diesen Bereichen. Sie arbeiten im Pflegebereich, sie arbeiten im Gesundheitsbereich, sie arbeiten in den Care- und Sorgeberufen. Da gilt allen Beteiligten und besonders diesen Frauen ein großer Dank.

 

Weil wir gerade beim Thema Care-Arbeit oder auch Sorgearbeit sind, erlauben Sie mir angesichts der von Bundesminister Kocher initiierten Debatte über Teilzeitarbeit auch noch einen kleinen Exkurs zum Thema Sorgearbeit. Ein großer Teil der Sorgearbeit wird nämlich vollkommen unbezahlt geleistet: bei der Kinderbetreuung, bei der Betreuung zu pflegender Angehöriger. Einen Punkt sollten wir auch hier in diesen Räumen ein für alle Mal klären: Es gibt keine Erwerbsarbeit ohne Sorgearbeit. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Es kann keine Erwerbsarbeit ohne Sorgearbeit geben. Das eine kann ohne das andere gar nicht sein. Niemand geht in der Früh in die Arbeit, ohne dass nicht schon eine andere Person Sorgearbeit geleistet hätte. Das gilt auch für uns alle, die wir hier sitzen und bezahlt politische Arbeit machen. Wir machen hier bezahlt politische Arbeit, wir können hier sitzen und diese Arbeit machen, weil sich währenddessen jemand anderes - sehr oft Frauen - um die Kinder kümmert, um unsere Eltern kümmert, um pflegende Angehörige kümmert, um das Essen kümmert, um den Einkauf kümmert. Ich glaube, wir sollten beginnen, Arbeit einfach genau so zu begreifen und uns, wann immer wir in unseren arbeitsmarktpolitischen Debatten - auch im WAFF - von Arbeit sprechen, klar machen, dass es ohne Sorgearbeit keine Erwerbsarbeit geben kann. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Wer diese Sorgearbeit hauptsächlich schultert, wissen wir alle: Es sind vor allem die Frauen. Genau das ist auch der Grund, warum Frauen überwiegend in Teilzeit arbeiten. Insofern ist diese Debatte, die Bundesminister Kocher losgetreten hat, eine völlig unsägliche Debatte, weil natürlich klar ist, warum Frauen in Teilzeit arbeiten: Weil sie hauptsächlich Sorgearbeit leisten und hauptsächlich von dieser Sorgearbeit betroffen sind.

 

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