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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 23.02.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 64

 

Tag immer geringer. Millionen Menschen sind obdachlos und frieren in der Winterkälte. Dieses Erdbeben geht mit Abstand als eines der tödlichsten in die türkisch-syrische Geschichte ein.

 

Geholfen wurde vor Ort schnell. Mein Onkel, also der Mann meiner Tante, beispielsweise hat sich wie Tausende andere aus Istanbul, aus Ankara, aus Izmir auf den Weg in die Region gemacht. Sie haben ihre Urlaube, die sie sich hart erspart haben, verbraucht und auch die Arbeit gekündigt, um den Menschen zu helfen. Das sind Menschen, die ihr ganzes Leben sozusagen kurz pausiert und geholfen haben. Die Berichte aus der Region lassen dabei niemanden kalt: Tote in den Trümmern, Tote auf den Straßen, aufeinandergestapelte Leichensäcke. Chaos und Verwirrung, wohin man schaut. Menschen haben kein Dach über dem Kopf, kein Essen. Sie wissen nicht, ob ihre Eltern geschweige denn, ob ihre Kinder, ob ihre Verwandten leben und wo sie sind.

 

Auch in Wien wurde schnell geholfen. Die Türkei-stämmige Community in Wien hat gemeinsam mit der Botschaft Spendenaktionen aus dem Boden gestampft. Im 23. Bezirk haben Betreiber von Hochzeitssälen ihre Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung gestellt. Pensionisten, Studierende, Jugendliche, Österreicher, Türken, Kurden, Araber, es haben alle angepackt. In wenigen Stunden wurden ganze fünf LKWs gefüllt, und dafür bin ich sehr dankbar.

 

Aus über 60 Ländern wurden Hilfseinheiten in die Türkei geschickt. Österreich hat mit 3 Millionen EUR und 80 Soldatinnen und Soldaten des Bundesheers schnell reagiert. Das Rote Kreuz hat innerhalb eines Tages 5 Millionen EUR an Spenden gesammelt und auch Wien hat Einheiten der Berufsfeuerwehr in die Region geschickt. Heute beschließen wir die 430.000 EUR, und da möchte ich auch einmal im Namen der Türkei-stämmigen Community Danke sagen. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ, ÖVP und NEOS.)

 

Sehr geehrte Damen und Herren, vor wenigen Wochen sind die österreichischen Helferinnen und Helfer am Flughafen Wien Schwechat angekommen und sie wurden von rund 300 ÖsterreicherInnen mit türkischen Wurzeln mit Blumen, mit Schokolade, mit Geschenken empfangen. Da gab es einen Moment, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte - es war das Schild eines kleinen Mädchens, auf dem stand: „Meine Heimat hilft meiner Heimat.“ - Es war der Moment, an dem die türkische Frau mit Kopftuch neben dem österreichischen Polizisten Karl weinte. Es war der Mix aus Freude und Dankbarkeit, der im Raum stand. Es war der Moment, an dem die Menschen vor Ort alle gemeinsam „Österreich, danke Österreich!“ schrien. Es war der Moment, an dem die Helferinnen und Helfer der Wiener Berufsfeuerwehr von einer älteren Dame mit Kopftuch, die wahrscheinlich meine Oma hätte sein können, aus Freude abgebusselt wurden. Es sind Momente wie jene, an dem der 22-jährige Sebastian mit seinem gesamten Ersparten 20 Generatoren für die Erdbebenopfer spendete, und auf die Frage, warum er das tat, sagte: „Ich hatte weder Mutter noch Vater, ich hatte niemanden. Ich erlebe jeden Tag, wie es ist, plötzlich allein und hilflos im Leben zu sein.“

 

Sehr geehrte Damen und Herren, das sind Momente des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft. Das sind die Momente, in denen ich weiß, dass unser Wien noch Wien ist. Die Hilfsbereitschaft Österreichs hat gezeigt: Wir lassen uns heute nicht spalten, wir lassen uns morgen nicht spalten und wir lassen uns niemals spalten! (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS sowie von GRin Mag. Caroline Hungerländer.)

 

Ich weiß genauso wie Sie alle, sehr geehrte Damen und Herren, dass die Türkei-stämmige Community in der Vergangenheit keine leichte Community war. Aber wissen Sie, was ich auch weiß? - Dass die Dankbarkeit dieser Community keine Grenzen kennt. Im Türkischen gibt es das alte Sprichwort (Der Redner spricht einen Satz in nichtdeutscher Sprache.), das heißt übersetzt: Wahre Freunde erkennt man in den schlimmsten Tagen. - Diese Hilfsbereitschaft werden die 200.000 Türkei-stämmigen Menschen, die MitbürgerInnen unseres Landes niemals vergessen.

 

Eines möchte ich auch noch loswerden: In diesen Zeiten sollten wir die Parteipolitik kurz zur Seite legen und Menschlichkeit zeigen. Menschen sterben vor Ort, weil sie in der Winterkälte kein Dach über dem Kopf haben und erfrieren. Sie machen Lagerfeuer rund um die Häuser, die sie früher bewohnt haben und jetzt nicht mehr bewohnen können. Es ist gerade jetzt keine Luxusfrage, sondern eine Überlebensfrage für die Menschen. Das sind Menschen, die von heute auf morgen keine Väter, keine Mütter, keine Brüder und keine Schwestern haben. Ich appelliere daher an Sie alle - wir haben auch einen Antrag dazu eingebracht - und auch an die Bundesregierung, hier rasch Möglichkeiten zu schaffen, diese Menschen temporär nach Österreich holen zu können. Das sind keine Menschen, die aus Spaß herkommen. Das sind Menschen, die einfach nur überleben möchten, und zwar bei Verwandten, und das auch nur temporär für drei Monate. Ihr Ziel ist es nicht, in Österreich zu leben und zu bleiben, sondern die kommenden Monate nicht zu sterben. Da appelliere ich an uns alle, unsere Parteipolitik kurz zur Seite zu legen, um uns morgens noch in den Spiegel schauen und sagen zu können: Heute habe ich hunderten Menschen das Leben gerettet. - Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Der Berichterstatter hat das Schlusswort.

 

13.06.08

Berichterstatter GR Dr. Kurt Stürzenbecher|: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

 

Als Berichterstatter darf ich festhalten, dass es gut ist, dass angesichts dieser ungeheuer tragischen und dramatischen Situation in Syrien und der Türkei und angesichts des unendlichen Leids, das so viele Menschen zu erleiden haben, hier eine sachliche und eine würdige Debatte zu diesem Geschäftsstück geführt wurde.

 

Ich darf auch noch einmal darauf hinweisen, worauf dieser Akt zurückgeht: Das ist die Landeshauptleutekonferenz, die beschlossen hat, dass die österreichischen Bundesländer dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz auf Grund der Erdbebenkatastrophe im türkisch-sy

 

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