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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 24.05.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 13 von 146

 

die seitens des WIGEV getroffen werden, um die Personalnot in den Wiener Spitälern zu lindern.

 

Ja, wir brauchen dringend eine Gesundheitsreform, Sie haben es angesprochen. Obwohl die Maßnahmen gesetzt wurden - vielleicht manche zu spät, vielleicht braucht es noch andere -, hören wir nichtsdestotrotz immer wieder aus den Medien, aber auch aus Gesprächen, dass doch vieles nicht so gut läuft, wie wir uns das wünschen. Ich sehe da schon eine veritable Krise, die derzeit im Gesundheitsbereich existiert und die Sie auch fordert. Sie sind ja in Wien der oberste Chef für die Gesundheit.

 

Meine Frage an Sie ist: Wie dürfen wir uns die Krisenkommunikation zwischen Ihnen und dem WIGEV in dieser aktuell recht angespannten Situation vorstellen, wo doch gefühlt täglich von Bettensperren und Abteilungensperren und verschobenen Terminen bei OPs, und so weiter die Rede ist? Wie läuft da aktuell die Kommunikation zwischen Ihnen und beispielsweise dem WIGEV ab?

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.

 

Amtsf. StR Peter Hacker: Die kurze Antwort lautet: Schnell und sehr gradlinig, aber ich mache es nicht so kurz. Es drängt sich aber irgendwie auf. Ich denke, wir sind sowohl in der öffentlichen Debatte als auch in der Politik ein bisschen unfair und ein bisschen zu ungeduldig mit unseren Spitälern.

 

Ich vermute - ich bin jetzt nicht 100-prozentig davon überzeugt, aber ich bin mir ziemlich sicher -, dass es daran liegt, dass wir in der Pandemiedebatte die Pandemie zu früh abgesagt haben, sie für beendet erklärt haben, sie emotional für beendet erklärt haben - unabhängig von den ganzen Formalismen -, während die im Spital noch mittendrin waren. Also wir haben schon über Entscheidungen geredet und auch Entscheidungen getroffen - über die Beendigung des Maskentragens, die Beendigung von Testsystemen, Riesendebatten, Blablabla - zu einem Zeitpunkt, als wir noch 700 bis 800 infizierte Patienten im Spital gehabt haben.

 

Wenn Sie sich die Studienergebnisse anschauen, die es in der Zwischenzeit in der internationalen Literatur gibt, oder wenn Sie es sich auf Twitter anschauen - manche unserer Ärztinnen und Ärzte sind ja auch auf Twitter und berichten noch immer über die Nachwirkungen von Long Covid, mit denen Sie konfrontiert sind -, dann ist das ja auch ein Bericht darüber mit der Botschaft: Wir haben noch immer eine zusätzliche Herausforderung mit dieser blöden Pandemie.

 

Ich kann mich an die Debatte erinnern - ich habe oft und oft Werbung dafür gemacht -, die wir vergangenes Jahr über das Beenden der Maskenpflicht gehabt haben, als ich gesagt habe: Wir müssen unseren Spitälern endlich Luft lassen. Da war ich ein ziemlich einsamer Rufer, der gesagt hat: Wir müssen auch in der allgemeinen Bevölkerung Verständnis dafür haben, dass wir nicht permanent zusätzliche Patienten ins Spital hineinschieben können. Im Sommer vergangenen Jahres, habe ich gesagt, müssen unsere Mitarbeiter endlich dazu kommen, Urlaub zu machen. Ich war ziemlich alleine damals, wie wir uns beide erinnern, ziemlich alleine.

 

Es hat auch niemanden beeindruckt, weil das Maskentragen im Sommer vergangenen Jahres in Wien unique war. Noch heute beklagen sich manche darüber, wie absurd das war. Ich bin aber davon überzeugt, es ist eines der Hauptprobleme: Unsere Spitäler sind viel, viel länger in der Pandemie drinnengehängt als wir alle miteinander. Jetzt erst beginnt diese Phase, in der das Durchschnaufen stattfinden könnte. Es ist aber keine Zeit für das Durchschnaufen, weil gleichzeitig dieser niedergelassene Sektor immer weniger funktioniert.

 

Wenn wir uns anschauen, was in unseren Ambulanzen abgeht: Das ist absurd. Wir haben in der Donaustadt vor Kurzem das Primärversorgungszentrum eröffnet. So schnell kann man gar nicht schauen, ist die Schlange von Menschen, die am Wochenende in diese zusätzliche niedergelassene Allgemeinversorgungsressource geflossen ist, bis auf die Straße gestanden. Also, ich glaube, dass das das Hauptproblem ist: Dass die Belastung für die Spitäler und die Verdichtung der Arbeit im Spital überproportional zu allen Steigerungen, die wir wahrnehmen, und zu allen Steigerungen, die wir sehen, sind.

 

Die Zahl der niedergelassenen Kassenärzte ist in Wien genauso wie in ganz Österreich rückläufig - eine absurde Entwicklung. Das ist auch der Grund, warum wir uns als Länder gemeinsam mit dem Gesundheitsminister einig sind. Wir haben das auch vorige Woche in einer Konferenz so diskutiert und festgehalten, dass wir uns einig sind, dass es nicht sein kann, dass die Pläne, die wir für einen Ausbau des ambulanten Sektors haben, letzten Endes ignoriert werden können und dass die Entwicklung in der Versorgung mit allgemeiner Kassenmedizin der Planung, die wir haben, nicht entspricht. Das ist sicher eines der Elemente, die wir in der Gesundheitsreform festnageln müssen: Dass eine solche Planung dann auch umzusetzen ist.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 2. Zusatzfrage kommt von der ÖVP. Herr GR Dr. Gorlitzer, bitte.

 

9.56.20

GR Dr. Michael Gorlitzer, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Stadtrat, in einem Artikel der „Presse“ vom 4. Mai dieses Jahres wird erläutert, dass Sie die Primarärzte entmachten wollen. Sie wollen, um gesperrte Abteilungen zu verhindern, sogenannte interdisziplinäre Betten schaffen. Ich habe schon bei der letzten Gemeinderatssitzung relativ ausführlich dargestellt, dass es dabei natürlich zu einer schlechteren Versorgung dieser Patienten kommen wird, wenn Sie sogenannte interdisziplinäre Betten eröffnen.

 

In dem gleichen Artikel wird der Wiener Gesundheitsverbund interviewt, der sagt, dass er sich, um künftige Herausforderungen bewältigen zu können, sowohl in baulicher als auch in systemischer Hinsicht schon seit Jahren bemüht. Trotzdem kommt es, wie Sie dargestellt haben, immer wieder zu zahlreichen Klagen von den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die im 24-Stunden-Betrieb sind.

 

In einem Interview im „Standard“ vom 21.1.2023 beantworten Sie die Frage, ob die Spitalsversorgung auf der Kippe steht. Da sagen Sie dann, dass manche Baustellen im Gesundheitssystem international - das ist richtig -, aber viele auch hausgemacht sind.

 

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