Gemeinderat, 39. Sitzung vom 20.06.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 110
hat: Es war eine sehr akademische Enquete, und alle waren mehr oder weniger einer Meinung.
Dann habe ich ihn gefragt: Wie ist denn das eigentlich mit diesen Empfehlungen? Ich habe mich da nicht ganz ausgekannt. Gibt es da jetzt Empfehlungen? Kannst du mir zusammenfassen, was da herausgekommen ist? Er hat gesagt: Leider nicht, denn es gab offensichtlich verschiedene Workshops, die jeweils Empfehlungen ausgearbeitet haben. Aber es gab aber danach kein Fotoprotokoll. Das heißt, keiner hat eine Zusammenfassung dieser einzelnen Empfehlungen bekommen. (Amtsf. StR Mag. Jürgen Czernohorszky: ... alle da, die im Plenum vorgestellt wurden!) Also, selbst der Teilnehmer, der dort war, wusste nicht, was diese ominösen Empfehlungen sind.
Deswegen schließe ich mich den Worten meiner Vorrednerin Sabine Keri an: Es ist offensichtlich eine Blackbox, was da herausgekommen ist. Vielleicht kann ja noch irgendein SPÖ-Redner für Aufklärung sorgen und vielleicht spontan herauskommen und sagen, was da herausgekommen ist. Wenn wir das nicht wissen, können wir nicht zustimmen. Das ist leider die Position. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich werde jetzt im Anschluss an Kollegen Ellensohn zuerst über das Thema Staatsbürgerschaft reden, danach ein bisschen über die MA 35 und danach ein bisschen über die Anwendung der demokratiepolitischen Elemente hier in Wien. Dann werde ich ein bisschen einen Ausblick geben, was vielleicht tatsächlich große Herausforderungen für unsere Demokratie sind.
Beginnen wir mit dem Thema Ausländerwahlrecht oder Staatsbürgerschaft. Ich spreche lieber über das Thema Staatsbürgerschaft, weil ich das Konzept des Ausländerwahlrechts - vor allem so, wie Sie es jetzt gerade präsentiert haben - für nicht praktikabel erachte. Ich dachte, irgendwann sagen Sie, wie lang jemand in Wien leben muss und auch - wie soll ich es formulieren -, welche Bildungsvoraussetzungen jemand erbringen muss, damit er oder sie wählen darf. Warum sage ich das? Wir wissen, dass der Anteil an Analphabeten gerade unter den Menschen, die jetzt mit Fluchthintergrund nach Österreich kommen, immer höher wird. Nun frage ich mich, wie praktikabel es für eine aufgeklärte Demokratie ist, jemanden, der der Sprache nicht mächtig ist, jemanden, der der Schrift nicht mächtig ist - nämlich weder in seiner Muttersprache noch in Deutsch, natürlich - die Möglichkeit zu geben, bei einer demokratischen Entscheidung mitzuwirken. (GR Nikolaus Kunrath: ... aberkennt die Staatsbürgerschaft!)
Das ist nicht praktikabel. Also brauchen wir irgendeine Art des Niveaus, ab dem wir sagen: Gut, dieser Mensch lebt seit einer gewissen Anzahl an Jahren in Wien, kennt sich aus, kann deswegen Verantwortung übernehmen und ist deswegen befähigt mitzubestimmen. Denn ein Wahlrecht ist ein Recht. Das geht aber auch mit einer Verantwortung einher. Die Verantwortung bedeutet: Ich informiere mich aktiv über die einzelnen Positionen, über die politische Zusammensetzung, und dann treffe ich eine Wahlentscheidung. Auf diese Nivellierung, die wir in der Integration vor Erlangung der Staatsbürgerschaft sehen, legen wir sehr, sehr großen Wert. Die erachte ich auch für extrem wichtig für eine funktionierende Demokratie. (Beifall bei der ÖVP. - Widerspruch von GR Nikolaus Kunrath.)
Was leider auch nicht herausgekommen ist und momentan auch noch ein bisschen eine große Frage ist: Ein Drittel ist nicht wahlberechtigt, aber kein Mensch sagt, wie sich dieses Drittel zusammensetzt. Kein Mensch in Wien weiß, wie sich dieses Drittel zusammensetzt. Wir haben nämlich entsprechende Anfragen gestellt. Das heißt, in diesem einen Drittel sind ausländische Studenten drinnen, da sind Expats und Diplomaten drinnen. Es ist auch nicht klar, wie lange diese Personen, die in diesem einen Drittel ausländischer Staatsbürger inkludiert und daher nicht wahlberechtigt sind, in Wien sind. (GR Nikolaus Kunrath: Brauchst nur nachschauen!)
Also, da ist jemand drinnen, der seit zehn Jahren in Österreich lebt und nicht die Staatsbürgerschaft beantragt hat. Da ist jemand drinnen, der gerade erst mit Fluchthintergrund nach Wien gekommen ist. Das ist alles dieses eine Drittel. Es ist völlig unseriös, diese Menschen mit unterschiedlichen Aufenthaltstiteln und mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer in einen Topf zu werfen. (GR Nikolaus Kunrath: Nein! Du solltest dir die Statistiken ansehen!) Das ist völlig unseriös. Dann gliedern Sie es auf! (Beifall bei der ÖVP. - Neuerlicher Zwischenruf von GR Nikolaus Kunrath.) Niki, ich habe so viele Anfragen gestellt. (GR Nikolaus Kunrath: Selbst recherchieren!) Ich habe genau aufgegliedert gefragt: welche Aufenthaltsdauer, welche Aufenthaltstitel? Es gab keine Antwort. Die Studie von der MA 17 gibt keine Antwort darauf.
Was sagt uns die Studie von der MA 17? Das haben wir bereits vor einem Jahr diskutiert. Die Menschen mit unterschiedlichen Aufenthaltstiteln haben unterschiedliches Interesse daran, die Staatsbürgerschaft zu erlangen: EU-Bürger zu zirka einem Viertel, türkische Staatsbürger zu zirka der Hälfte, Drittstaatsangehörige mit Fluchthintergrund zu zwei Dritteln. Der Grund, der am meisten genannt wird, war die Verfestigung des Aufenthalts in Österreich. Das ist der Grund, warum diese Leute die Staatsbürgerschaft haben wollen, und nicht die Partizipation. Dieser Realität sollten wir vielleicht ins Auge schauen, vor allem, wenn es in einer Studie der MA 17 drinnensteht. (Beifall bei der ÖVP.)
Was leider auch noch nie erkundet wurde, ist die Frage, wie viele Personen bereits die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen könnten, weil sie anspruchsberechtigt wären, aber es nicht tun. (GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi: Haben Sie mitbekommen, dass wir den Bundesrat ...) Warum tun sie es nicht? Sind es finanzielle Gründe? Wir hatten diese Diskussion bereits. Möchten sie es einfach nicht? Möchten sie lieber ihre Herkunftsstaatsbürgerschaft haben? Möchten sie keinen Wehrdienst leisten? Auch das wurde einmal als Grund genannt. (GR Mag. Dietbert Kowarik: ... MA 35!) Auf die MA 35 komme ich noch zu sprechen.
Das sind unterschiedliche Motivationen. Wir können nicht sagen: Ein Drittel ist nicht wahlberechtigt und wir als Österreicher sind schuld, weil wir nicht die Voraussetzungen schaffen. Nein, wir müssen uns anschauen, warum welche Gruppen von Leuten die Staatsbürgerschaft gar nicht haben möchten. Da müssen wir so ehrlich sein zu
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