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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 20.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 42 von 110

 

eines für Leute mit Geld gehabt, für Männer mit Geld, um es genau zu machen. Irgendwann einmal - vor 130 Jahren oder so - hat das Wahlrecht für Männer fünf Gulden, glaube ich, gekostet. Das war damals viel Geld. Ich weiß nicht, wie man es umrechnet. Auf jeden Fall war es nicht das, was man in einer Woche verdient, sondern das war richtig viel Geld und hat also nicht bedeutet: Männer haben das Wahlrecht gehabt, sondern Männer mit Geld haben das Wahlrecht gehabt.

 

Dann hat jemand, nämlich ein Erfinder der Sozialdemokratie, gesagt, das muss man ausweiten. Wenn die Leute, die hackeln gehen, nicht wählen dürfen, werden sie sich nie durchsetzen. Irgendwann einmal hat man dann das allgemeine Wahlrecht gehabt. Dann hat man das Frauenwahlrecht einführen wollen, und eine ganze Menge Leute haben erklärt, warum das nicht geht - ganz viele Männer und leider auch einzelne Frauen. Trotzdem hat man es irgendwann einmal durchgesetzt.

 

Heute stehen wir wieder vor so einer Zeitenwende, an der ganz viele nicht wahlberechtigt sind. Ich habe null Interesse daran, zu sagen, wer es zuerst erfunden hat, wer es zuerst gesagt hat. Es interessiert mich nicht, ob die GRÜNEN oder die SPÖ oder sonst jemand das früher oder später gesagt haben. Ich hätte gerne, dass alle, die in Österreich dafür sind - ich sehe da einen Bogen von NEOS, GRÜNEN und SPÖ sowie der einen oder anderen Konservativen, die es in dem Land gibt -, so etwas gemeinsam angehen.

 

Das muss man laut sagen: Jede Ausweitung des Wahlrechtes war ein Kampf gegen vermeintliche Mehrheiten in dem Land. Nur, damit man ein paar Zahlen hat und ein Gefühl dafür kriegt. Wenn man sich jetzt die Zahlen anschaut - ich breche das auf Wien herunter - haben wir jetzt in Wien - das wissen wir ja alle - im 15. Bezirk über 40 Prozent Nichtwahlberechtigte auf Landesebene, quer über Wien sind es über 30 Prozent.

 

Wenn wir es aber auf die einzelnen Jobs herunterbrechen, ist es noch viel brutaler, denn nichtwahlberechtigt sind natürlich nicht Ärztinnen und Ärzte, sondern die Leute, die Arbeiter und Arbeiterinnen sind. Also, das sind wirklich erstaunlich hohe Zahlen. 60 Prozent der ArbeiterInnen in Wien sind nicht wahlberechtigt.

 

Da kann man noch einmal unterscheiden: Im Bereich Handwerk, also bei Leuten mit Lehre, sind es 56 Prozent. Das ist viel. Bei Leuten, die Maschinen bedienen, sind es 67 Prozent. Unter HilfsarbeiterInnen - das sind mitunter die, die Kollege Auer-Stüger vorhin angesprochen hat, also die Leute, die WCs aufräumen, wenn wir irgendwo in ein Beisl gehen, und manchmal auch Taxifahrer. Manche von denen haben eher höhere Ausbildungen. Also, wenn wir dort sind, wo es um HilfsarbeiterInnen geht, sind 82 Prozent nicht wahlberechtigt. Das ist, als würde man sagen, die haben kein Wahlrecht. So wie Frauen einmal nicht haben wählen dürfen, dürfen die Leute mit der schlechtesten Arbeit, die am schlechtesten bezahlt ist, von der man wenig übrig hat und mit der man jeden Monat kämpft, nicht einmal mitwählen. Das geht nicht. Das ist einfach aus und vorbei. Das hat nicht funktioniert. Die Idee muss eine andere sein.

 

Das hat jetzt heute hier die SPÖ vehement vertreten. Ich glaube, dass wir in dem Haus eine Mehrheit hätten, um das zu ändern. Ich freue mich, wenn diese Initiativen weit über das, was ... Wir haben das immer drinnen gehabt, aber das ist jetzt wurscht, wer das immer drinnen gehabt hat. Das Wahlrecht muss ausgeweitet werden, weil wir sonst irgendwann dastehen und die wenigen von uns über alle anderen entscheiden. Das geht nicht. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Nein, bei anderen geht es!)

 

Jetzt hat man eh brav 16-Jährige mit hineingenommen, jetzt haben wir das ausgeweitet. Gerade aber bei Jugendlichen - auch das ist vorhin erwähnt worden -: Jedes Jahr geht eine Generation von Babyboomern in Pension, und es kommt eine Generation nach. Der Anteil an Wahlberechtigten ist bei denen, die in Pension gehen, natürlich hoch und im Vergleich dazu bei den Jugendlichen sehr gering. Die Zahlen sind, glaube ich, allen bekannt. Die SPÖ, die ihre eigenen Zahlen liest, wird es wahrscheinlich wissen. Das findet man alles auch bei „www.kontrast.at“ und bei allen möglichen Studien, die auch von der Sozialdemokratie herausgegeben werden.

 

Es ist wichtig, die Wiener Demokratie im Wandel zu transformieren, jede Ausweitung, die in dem Antrag auch drinnen ist, auch wenn ich nicht jeden einzelnen Punkt kenne, der dann bei der Enquete herausgekommen ist, weil wir ihn halt noch nicht kennen. Das ist alles gut, aber am Ende werden wir gemeinsam dafür kämpfen müssen, dass das Wahlrecht ausgeweitet wird.

 

Wir werden entweder die Staatsbürgerschaft erleichtern müssen, günstiger machen und den Leuten beim Einbürgern helfen, oder man koppelt es einfach an den Wohnsitz, denn es ist eigentlich ein Konzept des letzten Jahrhunderts, dass man sagt: Man muss die Staatsbürgerschaft haben, und erst dann darf man wählen. Das Haus war 2002 schon weiter.

 

Dann verhandeln wir halt sehr lange, ob man drei Jahre oder fünf Jahre in einem Land wohnen muss, damit man wahlberechtigt ist, aber das ergibt im 21. Jahrhundert mehr Sinn. Das Wahlrecht ist erfunden worden, als die Leute noch nicht ständig übersiedelt sind, als man nicht so viel Leute gehabt hat, die länderüberschreitend berufstätig geworden sind, und als die Familien nicht so schnell in anderen Ländern waren.

 

Im 21. Jahrhundert ist das anders. Ein Wahlrecht im 21. Jahrhundert ist an den Wohnsitz und nicht an die Staatsbürgerschaft gekoppelt. Dafür hätte ich gerne viele Initiativen gesehen, die in Österreich vermutlich eh nur von Wien ausgehen können. - Vielen Dank. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als Nächste ist GRin Mag. Hungerländer zu Wort gemeldet. Sie sind am Wort.

 

13.10.39

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Geschätzte Damen und Herren!

 

Ich war bei der Enquete nicht dabei. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt eine Einladung bekommen habe. Ich habe mich aber von Herrn Kollegen Gasselich briefen lassen, der es folgendermaßen zusammengefasst

 

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