«  1  »

 

Gemeinderat, 39. Sitzung vom 20.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 110

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächste Rednerin ist GRin Mag. Vasold zu Wort gemeldet. Sie sind am Wort.

 

13.29.46

GRin Mag. Stefanie Vasold (SPÖ)|: Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen und ZuseherInnen der Debatte!

 

Kollegin Keri hat gesagt, es ist irgendwie eine elitäre Situation, in der wir uns hier in der freien Demokratie befinden. Wenn man sich die globalen Zahlen anschaut, stimmt es. Es klingt nur ein bisschen nach: Glück gehabt. Dem würde ich gerne voranstellen: Es hat nichts mit Glück zu tun. Demokratie ist noch nie vom Himmel gefallen, sondern sie ist immer Ergebnis politischer Kämpfe und Auseinandersetzungen, und zwar solcher Auseinandersetzungen, bei denen Menschen über die Jahrhunderte ihre Freiheit aufs Spiel gesetzt haben, ja, einige sogar ihr Leben riskiert und gelassen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Wenn wir das aus einer globalen Perspektive sehen, dann ist es auch heute noch so. Das ist die Grundlage für unser politisches Verständnis: Dass nämlich demokratische Teilhabe weder selbstverständlich noch auf alle Zeit garantiert ist. Das bedeutet, liebe Kollegen und Kolleginnen, dass sie unser aller Einsatz braucht, nämlich gerade unseren. Als gewählte Mandatare und Mandatarinnen müssen wir es als Auftrag und Verpflichtung sehen, Demokratie zu sichern, auszubauen und das Vertrauen in demokratische Institutionen wieder zu stärken.

 

Das tun wir mit dieser Stadtregierung und auch mit der Demokratie-Enquete, die Thema der heutigen Debatte ist. Ziel ist es nämlich, möglichst viele Menschen - ja, ich würde gerne sagen, alle Menschen in dieser Stadt - an demokratischen Entscheidungen zu beteiligen und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sie sich wiederfinden und in denen sie gehört und ernst genommen werden und sozusagen auch aktiv repräsentiert sind. Dazu haben wir bereits in der Vergangenheit einige Schritte geleistet - es wurde genannt -: Von den Reformen des Petitionswesens über das partizipative Klimabudget bis zur Kinder- und Jugendmillion oder die „Werkstadt Junges Wien“, um nur einige zu nennen. Mit der Demokratie-Enquete gehen wir jetzt den nächsten Schritt und schlagen ein noch größeres Kapitel auf.

 

Ich kann mich den VorrednerInnen insofern anschließen, als es wirklich eine gelungene Veranstaltung war, an der auch ich teilgenommen habe. Ich kann den Vorwurf, es sei eine akademische Debatte, nicht nachvollziehen. Jedenfalls kann davon in den Workshops, an denen ich teilgenommen und in denen ich diskutiert habe, keine Rede gewesen sein. Ja, es war der Auftakt eines Prozesses. Eines, Kolleginnen Keri und Hungerländer, muss ich aber schon dazu sagen: Es sind die Ergebnisse aus allen Workshops bei der Enquete präsentiert worden, nämlich unmittelbar vor der Diskussion mit den politischen Vertretern und Vertreterinnen. Die sollten auch dem Kollegen Gasselich nicht ganz entgangen sein. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Warum schickt ihr es dann nicht aus? Dann schickt es doch davor aus!)

 

Sie werden ausgeschickt, auch das ist angekündigt worden. Sich aber hier herzustellen und zu sagen, es wurden bei der Veranstaltung keine Ergebnisse präsentiert, wenn im Gegenteil unter Anwesenheit aller politischen Vertreter und Vertreterinnen alle Workshop-Ergebnisse präsentiert wurden ... (Zwischenruf von GRin Sabine Keri.) Ja, das regt Sie augenscheinlich auf, aber da muss man bei Veranstaltungen, bei denen man vor Ort ist, dann auch zuhören. (Beifall bei der SPÖ. - Zwischenruf von GR Mag. Dietbert Kowarik.) Wissen Sie, was mich aufregt? Das kann ich Ihnen jetzt leider nicht ersparen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie können sich alle noch einmal zu Wort melden. Es steht Ihnen oder in dem Fall jemand anderem Ihrer Fraktion frei.

 

Was mich an dieser Debatte aufregt, ist, was so zum Thema Wahlrecht gesagt wurde. Das Beste war jetzt überhaupt zum Schluss Kollegin Hungerländer. Kollege Ellensohn hat es auch klargestellt: Wir wissen ja gar nicht, wer das da ist. Ich finde es wirklich einen Skandal, wie unser Staatsbürgerschaftsrecht ausgestaltet ist, weil es darauf abzielt, nur jenen politische Rechte zu gewähren, die überdurchschnittlich gut verdienen. Ja, schlimmer noch: Es nimmt jenen die politische Mitsprache, die in schlechtbezahlten oder überhaupt geringbezahlten Jobs sind.

 

Auch wenn man dem Kollegen Kowarik zuhört, hört sich das dann immer so an: Weil sie es nicht wollen. Sie könnten es ja tun. Sie können ja ein bisschen sparen, dann werden sie schon Staatsbürger werden. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Kollege Ellensohn hat es ja vorgelesen!) Lassen Sie es mich mit den Zahlen von 2022 kurz auf den Punkt bringen. Ich merke ... (Neuerlicher Zwischenruf von GR Mag. Dietbert Kowarik.) Vielleicht hören Sie mir kurz zu, dann können Sie auch auf mein Argument eingehen.

 

Ich beziehe mich auf Zahlen aus dem Jahr 2022 und zwar auf den Einkommensnachweis. Bei Einzelpersonen liegt der bei 1.030 EUR und bei Ehepaaren und bei Familien bei mindestens 1.625 EUR. So könnte man meinen: Na, wer ein bisschen fleißig arbeitet und gut spart, bei dem geht sich das schon aus. Nur, wissen Sie was? Diese Zahlen sind nicht das Brutto- oder Nettoeinkommen. Es ist das, was nach Abzug der Miete, nach Abzug der Betriebskosten, nach Abzug von Strom- und Gaskosten und sonstigen Fixkosten über bleiben muss. Das ist ein System, das ausschließlich dafür da ist, Gutverdienende zu StaatsbürgerInnen zu machen. Wir haben es gehört: Es sind HilfsarbeiterInnen, es sind Arbeiter und Arbeiterinnen in dieser Stadt, es sind jene, die wir in Corona-Zeiten beklatscht haben und bei denen wir uns bedankt haben, dass sie unser System am Laufen halten, denen wir die politische Mitsprache verweigern. Das ist unerträglich. (Beifall bei der SPÖ und von GR David Ellensohn.)

 

Es ist unerträglich, weil es zum Schluss heißt: Die Gutverdienenden bleiben in der Demokratie halt lieber unter sich. Dafür stehen wir nicht. Deshalb fordern wir den Bund mit aller Vehemenz auf, das Staatsbürgerschaftsrecht zu reformieren und diese unerträgliche Schieflage und unglaubliche Ungerechtigkeit zu beseitigen.

 

Damit ist es uns aber nicht genug. Wir wollen die Spielräume nützen, die es in Wien gibt, und Demokratie voranbringen und Fortschritt auch in diesem Bereich zu erzielen. Wie es der Herr Stadtrat formuliert hat: Wir wollen laut

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular