Gemeinderat, 42. Sitzung vom 16.10.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 39
(Beginn um 09.02 Uhr.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Schönen guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf bitten, die Plätze einzunehmen.
Die 46. Sitzung des Wiener Gemeinderates ist eröffnet.
Ganztägig entschuldigt: GRin Mag. Pipal-Leixner, MBA, GR Mag. Kowarik, GR Ing. Meidlinger, GR Mag. Schober, GR Stadler, BSc, MA, Amtsf. StR Mag. Czernohorszky. Zeitweise entschuldigt: GR Eppinger.
Bevor wir zur Tagesordnung kommen, meine Damen und Herren, möchte ich eine Erklärung abgeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir alle sind am Samstag, dem 7. Oktober 2023, schon frühmorgens mit den ersten verstörenden und traurigen Nachrichten konfrontiert worden, dass Terroristen der Hamas aus dem Gazastreifen kommend auf israelisches Territorium vorgedrungen sind und es zu einem massiven Raketenbeschuss Israels gekommen ist.
Erst in den folgenden Stunden und Tagen wurde klar, dass es sich dabei nicht um einen weiteren jener zahlreichen Angriffe handelt, denen sich Israel in den vergangenen Jahren ausgesetzt sah, nein, dieses unbeschreibliche Massaker wird als die größte Mordaktion an Jüdinnen und Juden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die Geschichte eingehen. Eine monströse Tat, die jeglichen Anstand, jeden Respekt vor der Menschenwürde vermissen ließ. Ein Akt, der keinerlei Unterschied zwischen Zivilistinnen und Zivilisten und israelischen Sicherheitskräften machte, bei dem nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Babys, Kinder und alte Menschen sinnlos ermordet wurden.
Wir verurteilen diesen Akt der Barbarei uneingeschränkt. Wir bekunden unsere volle Solidarität mit Israel und den Opfern dieses Terrorakts. Wir trauern mit den Angehörigen und Freundinnen und Freunden der Ermordeten.
Gleichzeitig ist es wichtig, die Wurzeln des Terrorakts, den breiten Kontext in Erinnerung zu rufen: Israel befindet sich seit seiner Staatsgründung 1948 im ständigen Konflikt, in einem nicht enden wollenden Kampf für sein eigenes Existenzrecht. Wir wissen, dass es in den vergangenen 75 Jahren viele Chancen und Gelegenheiten gegeben hat, die aber alle verpasst wurden, um zu einem gerechten Frieden für Israelis und Palästinenserinnen und Palästinenser zu kommen. Die Schuld hierfür ist auf vielen Schultern verteilt, ebenso wie die Verantwortung, diesen absoluten Tiefpunkt als Anlass zu sehen, einen neuen und ernsthaften Versuch für Frieden zu unternehmen, einen Versuch, endlich dauerhaft die Waffen schweigen zu lassen und der Völkerfreundschaft eine Chance zu geben.
Es gibt keine militärische Lösung. Ein gerechter Friedensschluss, der sowohl dem einen als auch dem anderen Hoffnung und Zuversicht gibt, kann nur politisch herbeigeführt werden, nur durch Verhandlungen und Kooperation erreicht werden.
Wir appellieren daher an die israelische Regierung, die palästinensische Autonomiebehörde und die internationale Staatengemeinschaft, neue Wege zu beschreiten, um einen Friedensplan vorzulegen, der dazu geeignet ist, dass das palästinensische Volk von der Terrororganisation Hamas politisch getrennt wird.
Die Existenzgrundlage der Hamas im Nahostkonflikt selbst hat kein Interesse an einem Friedensschluss, an einer Aussöhnung. Daher sind die Interessen der Palästinenserinnen und Palästinenser grundverschieden zu jenen der Hamas, und hier muss angesetzt werden. Terrororganisationen können zwar militärisch geschwächt werden, es sind aber allein die Mittel der Politik, die sie besiegen können. Einen neuen Versuch zu starten, ist - und auch das haben die letzten Tage traurig und andauernd bewiesen - alternativlos, wenn dieses unmenschliche Leid jemals enden soll.
Wir sollten auch nicht übersehen, dass sich die Kriege und Menschenrechtsverletzungen weltweit häufen. Erst vor einigen Tagen mussten knapp 100.000 Armenierinnen und Armenier aus ihrer Heimat Bergkarabach flüchten, nachdem Aserbaidschan es erobert hatte. Sie flohen, weil sie als Armenierinnen und Armenier und als Christinnen und Christen Angst vor einer Verfolgung durch die aserbaidschanische Regierung haben mussten. Zuvor hatte Aserbaidschan Bergkarabach monatelang blockiert und ausgehungert.
Der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine, der seit eineinhalb Jahren unbeschreibliche Opfer und Millionen Flüchtlinge fordert, indem Russland ganz gezielt die Zivilbevölkerung bombardiert, erschüttert uns jeden Tag aufs Neue.
Wir haben als Menschenrechtsstadt Wien und als Republik Österreich, die wir dem Völkerrecht und den Menschenrechten verpflichtet sind, all diese Gräuel genau zu benennen und politisch dagegenzuwirken.
Abschließend möchte ich mich bei unserem Bürgermeister Dr. Michael Ludwig für seine klaren Worte der vergangenen Tage bedanken, auch für das eindeutige Zeichen der Solidarität der Stadt Wien, indem seit vergangenem Dienstag die Fahne Israels am Wiener Rathaus gehisst ist.
Terror, meine Damen und Herren, hat keinen Platz in Wien, und offene Gewaltaufrufe gegen Israel in Wien sind scharf zu verurteilen. Wien hat eine lange jüdische Tradition, und wir sind stolz, eine florierende jüdische Gemeinschaft in unserer Stadt zu haben.
Ich hoffe daher, zu guter Letzt im Namen aller Mitglieder unseres Hauses zu sprechen, wenn wir der Israelitischen Kultusgemeinde unsere uneingeschränkte Solidarität versichern und das Versprechen abgeben, auch weiterhin gegen jede Form von Antisemitismus vorzugehen, um gemeinsam die Zukunft und Sicherheit der jüdischen Gemeinde Wiens sicherzustellen.
Wir stehen als Wiener Gemeinderat und als Stadt Wien für Konfliktlösungen auf dem Verhandlungsweg, für ein solidarisches Miteinander der unterschiedlichen Kulturen und Religionen und ganz generell für den Frieden.
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