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Gemeinderat, 46. Sitzung vom 29.11.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 23 von 32

 

braucht es im Wiener Gesundheitssystem. Was es auch braucht, ist eine Entbürokratisierungswelle, mehr Autonomie der einzelnen Häuser und auf den Abteilungsebenen, um die passenden Lösungen für unser KollegInnen zu finden.

 

Die Konkurrenz schläft nicht. Wir schauen ins Burgendland, da gibt es eine Gehaltssteigerung von über 20 Prozent, bei einem Kollektivvertragsabschluss von 9,15 Prozent. Ein Oberarzt im Burgenland verdient 280.000 EUR jährlich, davon sind wir in Wien weit, weit weg. Deswegen sind auch die Spitäler wie zum Beispiel Oberpullendorf sehr gut besetzt. Wir brauchen aber gar nicht so weit schauen, an der MedUni Wien hat der Wissenschaftsminister für das Jahr 2024 55 Millionen EUR für das wissenschaftliche Personal, also für ärztliches Personal zur Verfügung gestellt. 55 Millionen EUR werden da auf 2.300 ÄrztInnen verteilt. Was machen wir in Wien? Wir verteilen 150 Millionen EUR auf 30.000 MitarbeiterInnen des Wiener Gesundheitsverbundes. 55 Millionen für 2.300 und 150 Millionen für 30.000, Sie sehen also das Ungleichgewicht.

 

Das ist jetzt die Phase 1. Die Phase 1 ist so eine kleine Welle, die da herschwappt, an sich braucht unser Gesundheitsstandort Wien nicht eine kleine Welle, wie Sie sie ausverhandelt haben, sondern einen Tsunami an strukturellen Veränderungen und weniger Restriktionen, wie ich sie in der Phase 2 befürchte, wo es um Nebenbeschäftigungen der Ärzte geht. Nein, es braucht mehr Flexibilität, mehr Verantwortung der Politik, aber auch des Einzelnen, und ja, Frau Dr. Laschan, es braucht auch mehr Vielfalt in der Gesundheitsversorgung. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die strukturellen Probleme sind nachvollziehbar, die Neuplanungen der Wiener Spitäler ändern sich im Dreivierteltakt. Wir stehen vor der Ballsaison, der Dreivierteltakt ist ja was Schönes, in der Planungsänderung nicht immer nachvollziehbar und meistens teurer. Die sogenannten Partnerspitäler funktionieren de facto nicht, wenn man sich die Bereiche Urologie, HNO oder Augenabteilungen anschaut. Parallel dazu werden international bekannte Abteilungen sukzessive zerschlagen. Das spiegelt sich dann wider in den OP-Wartezeiten oder in den zahlreichen Verschiebungen. Wenn man sich die OP-Pläne anschaut, ist die Zahl der Patienten, die an dem Tag verschoben worden sind, meistens länger als alle anderen Operationen zusammen. Wenn man das Wort OP-Slots hört, kriegt man schon die Grausbirne, es ist mittlerweile in den Spitälern das Unwort des Jahres: Der sogenannte OP-Slot, der nicht besetzt werden kann.

 

Ebenfalls, tagtäglich sind in den Spitälern keine Röntgenleistungen wie Ultraschall oder Lungenröntgen zur Verfügung, die EDV-Systeme sind veraltet, vor allem die Hardware, es gibt zu wenig Schreibposten. Es gibt nicht einmal genug Pausenräume, vor allem für das Pflegepersonal. Das setzt sich ja dann um, wenn man zum Beispiel laut Stadtrechnungshof sieht, 13 Wochen Wartezeit auf die Schmerztherapie - gerade heute ist wieder von den Schmerzambulanzen eine Nachricht gekommen, dass sie nicht besetzt werden können. Wir haben interimistische Leitungen, die im Schnitt dreieinhalb bis zwölf Jahre unbesetzte Führungspositionen beinhalten, und wir haben Bettensperren. Aktuell heute sind im Wiener Gesundheitsverbund 915 Betten gesperrt. Und es fehlen aktuell heute auch 182 Pflegekräfte in den Wiener Spitälern.

 

Ich darf nochmals den Herrn StR Hacker vom 24. November 2022 zitieren, der hat damals gesagt: Wir haben fundamentale Probleme im Gesundheitssystem, die man nicht wegblödeln kann, sondern wo es um die ernsthafte Auseinandersetzung geht, eine Neuorientierung unseres Gesundheitssystems. - Eine ernsthafte Auseinandersetzung wünsche ich mir oft, hier wird allerdings oft vom Herrn Stadtrat die Schuld an der Misere im Gesundheitssystem immer anderen zugewiesen, den niedergelassenen Ärzten, den Kassenärzten, den Wahlärzten, den medizinischen Universitäten, der Ärztekammer, dem Bundesministerium, alle sind an der Misere schuld, nur man selbst nicht. Herr Stadtrat, Sie sind offensichtlich eine sehr starke Persönlichkeit und stellen Ihre Führungskräfte auch vor ordentliche Herausforderungen, nur leider kriegen Sie da sehr oft offensichtlich falsche Informationen. Deswegen fordere ich Sie auf, stehen Sie einmal auf, fahren Sie in Ihre Spitäler, auch unangekündigt, machen Sie sich selbst ein Bild, reden Sie mit den Leuten und erfahren Sie, was dort wirklich los ist. (Beifall bei der ÖVP und von GRin Mag. Barbara Huemer.)

 

Zum Schluss noch zu dem Antrag, den wir heute eingebracht haben: Ein großes Anliegen von mir schon seit vielen Jahren ist, dass wir eine Ausbildungsoffensive starten. Die brauchen wir deswegen, weil die Babyboomer - und ich gehöre dazu - in den nächsten acht bis zehn Jahren in Pension gehen und irgendwann wahrscheinlich auch fehlen werden. Daher brauchen wir gut ausgebildete Jungärztinnen und -ärzte, die uns nachfolgen. Und deswegen stellen wir auch den Antrag für eine Ausbildungsoffensive, in der es Oberärztinnen und Oberärzten ermöglicht wird, die Ausbildung derartig zu gewährleisten, indem sie von den Nachtdienstverpflichtungen bei vollem Lohnausgleich befreit sind und damit mehr Möglichkeiten haben, die jungen Medizinerinnen und Mediziner auszubilden. Und ich ersuche da um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie von GRin Mag. Barbara Huemer und GR Georg Prack, BA.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Deutsch, ich erteile es ihm. Bitte, Herr Gemeinderat.

 

11.30.12

GR Christian Deutsch (SPÖ)|: Frau Vorsitzende! Herr Stadtrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Wenn wir uns den Titel des Verlangens der GRÜNEN ansehen, wenn es um SOS Wiener Gesundheitssystem geht, wenn von einem Totalversagen geredet wird, das angeblich die Gesundheit der Wienerinnen und Wiener gefährdet, oder wenn als Draufgabe dann noch ein Rettungsreifen beigebracht wird, dann muss ich feststellen, dass es Ihnen offenbar weniger um die inhaltliche Diskussion geht, sondern ausschließlich um Inszenierung und Panikmache am Rücken der Bevölkerung. Wenn Sie einen Rettungsring brauchen, dann möglichweise für die ei

 

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