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Gemeinderat, 47. Sitzung vom 19.12.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 95

 

Es ist immer der Nachteil bei den Tätigkeitsberichten, dass sie ein bisschen spät kommen. Es wird zum Beispiel erwähnt, Sie sind in der Mitte Ihrer Amtsperiode. Wenn ich Ihnen heute dazu gratuliere, ist es schon wieder ein bisschen verzögert. Das war der 1. Juli 2016, auf den sich das bezieht. Es hat sich auf jeden Fall gezeigt, dass die Festlegung der Amtsperiode mit zwölf Jahren, die natürlich eine sehr starke Unabhängigkeit mit sich bringt, eine sehr nützliche Entscheidung war, die wir ja in Wien nachvollzogen haben.

 

Der Tätigkeitsbericht, auf den auch mein Kollege Martin Margulies später noch eingehen wird, hat nicht nur viel an Inhalt, sondern bringt auch einiges über die Struktur des Rechnungshofs, und ich möchte das lobend erwähnen: Da sind 301 Beschäftigte aufgezählt, und es sind 151 Frauen und 150 Männer. Das finden wir nicht in allen Organisationsteilen dieser Republik. Das könnte auch mit der Präsidentin zu tun haben. Auf jeden Fall gibt es ganz offensichtlich genug und ausreichend qualifizierte Frauen, die auch im Rechnungshof diese wichtige Arbeit leisten. Vielen Dank dafür. (Beifall bei den GRÜNEN sowie von GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM und GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc.)

 

Ich möchte von den ganzen Berichten auf einen aktuelleren eingehen, nämlich betreffend die Flächenwidmungsakten, die hier immer wieder diskutiert werden, und ich greife jetzt nur die Sport&Fun-Halle in der Venediger Au heraus. Was da alles eingeschaltet werden muss, um die Kontrolle zu ermöglichen, wenn man versucht, mit dem Bundesrechnungshof und mit der Volksanwaltschaft zu arbeiten, und dann kriegt man von überall recht ähnliche Antworten - das wundert mich nicht -, und die werden dann hier, sagen wir einmal - mein Gott na, wie soll ich ein freundliches Wort sagen -, schludrig umgesetzt. - Nein, das zu sagen, wäre falsch, denn sie werden nicht umgesetzt.

 

Es gibt bei der Sport&Fun-Halle die Kritik, dass man gegen die gesamten Flächenwidmungen verstoßen hat, weil man gesagt hat, man baut etwas temporär. Aber alle, die es hingestellt haben, haben gewusst, keine Sekunde war daran gedacht, dass dieses Gebäude hingestellt wird und eventuell wieder abgerissen wird oder vielleicht wieder wegkommt, wie ein Baustellencontainer. Das wird zwar festgehalten und geschrieben, und dann schreibt wieder irgendjemand von der Stadt hin, wieso das alles rechtens ist. Nicht eingehalten wird dabei die Reihenfolge, dass man zuerst die Flächenwidmung macht und sie dann verwenden darf. Wir haben darüber hier erstens schon öfter diskutiert, und wir haben in diesem Zusammenhang auch eine sehr genaue Anfrage an StRin Gaál gestellt, ob die Rechtslage nach Meinung des Hauses passt oder nicht. Erstaunlicherweise am Ende schon. Die Sport&Fun-Halle war nie temporär gedacht, steht jetzt auch dort. Es ist zwar von sehr vielen BürgerInnen alles Mögliche beeinsprucht worden, die Volksanwaltschaft hat im Wesentlichen all dem recht gegeben, der Rechnungshof ebenfalls, genützt hat es leider in diesem Fall nichts.

 

Ansonsten hat man, das muss man zugeben, eine sehr hohe Umsetzungsquote, also die Empfehlungen des Rechnungshofes sowohl im Bund wie auch in Wien werden zu einem Großteil, zu einem sehr, sehr großen Teil auch umgesetzt. Auch dazu gibt es hier ausführliche Informationen.

 

Das, was mir bei den ganzen Berichten ein bisschen weh tut, ist: Eigentlich müssten wir einen Kurs geben - dafür ist aber nicht der Rechnungshof zuständig - über Lesen und Verstehen. Wir haben heute bereits in der Aktuellen Stunde über die Arbeit des Rechnungshofes gesprochen, nämlich über den aktuellen, eben erst erschienenen Bericht des Rechnungshofes zu Anschaffungen im Wiener Gesundheitsverbund, im WIGEV, wo hunderte Millionen Euro ohne Ausschreibungen ausgegeben wurden. Und jetzt muss man sich vorstellen: Da wird kritisiert - und ich finde das ja nicht wahnsinnig schwer verständlich -, dass in ganz, ganz vielen Fällen nur ein einziger Anbieter war, nämlich in 59 Prozent der Fälle der Ausschreibungen gab es am Ende einen einzigen Anbieter. Das verwendet hier die Mehrheitsfraktion, um zu sagen: Na ja, was sollen wir machen, es war ja nur ein Anbieter, also haben wir mit dem das Geschäft machen müssen!

 

Wenn man versucht hätte, das Ganze sinnerfassend zu lesen - es steht ja alles sehr deutlich in den Berichten des Rechnungshofes drinnen -, dann hätte man auch die Antwort auf die Frage: Warum kommt es denn dazu, dass nur ein Einziger anbieten kann, wenn man Millionen Euro zu vergeben hat? Interessiert das keine andere Firma? Oder ist die Produktbeschreibung so genau? - Und so steht es dann in den Berichten: Die produktspezifischen Ausschreibungen führen natürlich dazu, dass ein Gerät der Firma X nur die Firma X anbieten kann. Und wenn nur die Firma X eines herstellt, das 12 cm breit ist, und alle anderen haben 11,8 cm, und ich schreibe 12 cm hinein, dann gewinnen die das. Dieser Schmäh wurde halt laut dem Bericht, der in der Aktuellen Stunde ausführlich diskutiert wurde, mehrfach angewendet, deswegen gibt es auch eine ganze, ganze Menge von Ausschreibungen - hunderte -, die gemacht werden, um die 100.000er Marke zu unterschreiten, indem größere Aufträge gestückelt werden.

 

All das wird im Bericht dargestellt, und dann steht man da und hört zu, wie andere einfach in Orwell'scher Art und Weise alles umdeuten und sagen: Bei 59 Prozent der Ausschreibungen war nur ein Bieter, was sollen wir machen, anstatt zu sagen: Ihr habt es herbeigeführt, dass es keinen zweiten, keinen dritten und keinen fünften Anbieter gegeben hat!

 

Zweites Beispiel: Wieder die Mehrheitsfraktion steht da, liest den Bericht und sagt: In dem Bericht steht Chief Compliance Officer, Achtung, dieses Wort steht drinnen, also super, also sofort klatschen, denn: existiert! - Dass als Nächstes steht: soll weisungsfrei gestellt werden - denn das ist er nicht -, und: soll dezentral arbeiten dürfen - denn das darf er nicht -, das wird einfach unterschlagen. Da werden halbe Sätze gelesen, Worte - das ist intellektuelle Beleidigung der 100 GemeinderätInnen - oder nicht der 100, denn die eigenen muss man wahrscheinlich abziehen, die sind das gewohnt. Aber das ist so ein Witz, wenn jemand dasteht, halbe Sätze sagt und dann nach Applaus ruft, weil hier steht, es gibt einen Compliance

 

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