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Gemeinderat, 50. Sitzung vom 22.02.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 103

 

Krieg und Pandemie haben von allen politischen Ebenen Europas Innovationsgeist und effektives Krisenmanagement abverlangt. Vor allem aber stehen wir jetzt vor einer wichtigen Weichenstellung: der EU-Wahl am 9. Juni. Gemeinsam gilt es, am 9. Juni darüber zu entscheiden, ob unser Kontinent politisch, wirtschaftlich und auf Ebene der Innovationen überrollt wird oder ob wir auf die Überholspur wechseln können. Nur mit einem pro-europäischen Kurs und einer mutigen Kommission können wir die Rahmenbedingungen schaffen, damit wir die Chancen des europäischen Versprechens auch tatsächlich nützen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Ihnen drei besonders relevante Punkte näherbringen. Erstens, Europa wird urbaner, in den Städten entsteht die Zukunft. In wenigen Jahren werden Dreiviertel der Menschen in Europa in Städten leben. Die Städte Europas sind damit auch die Zukunft Europas. Und Wien als Smart City steht an vorderster Stelle. Wien ist ein Vorreiter für soziale, ökologische und technologische Innovation. Wiener Lösungen für urbane Herausforderungen stellen einen bedeutenden Beitrag im Umgang mit der Erderwärmung und dem digitalen Wandel dar. Ein Mal mehr sind es die Projekte, auf die wir zu Recht stolz sein dürfen, von Großwärmepumpen in Simmering, der energieautarken Kläranlage der EBS bis hin zur smarten Stadtplanung im öffentlichen Verkehr und dem sozialen Wohnbau, über den wir ja heute hier schon gesprochen haben, um Wien als Vorbild in Europa und der Welt zu sehen.

 

Als Motoren für gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel der Europäischen Union müssen Städte aber noch konsequenter in die politische Entscheidungsbildung einbezogen werden. Bestehende Instrumente und Willenserklärungen wie die Urban Agenda oder die Neue Leipzig-Charta müssen dafür genutzt und weiterentwickelt werden. Europäische Förderinstrumente, die sowohl auf Vernetzung als auch auf Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen Städten abzielen, müssen, wurden und werden noch stärker genützt werden, auch von uns. Wien wird seinen bisherigen Weg somit fortsetzen und gemeinsam mit anderen Metropolen Europas aktiv und konsequent an der Weiterentwicklung dieser Ziele mitarbeiten.

 

Als Kompetenzzentrum für grenzüberschreitende Kooperationen und urbane Lösungen, insbesondere im Rahmen der EU-Donauraumstrategie, die wir seit vielen Jahren sehr erfolgreich verfolgen, wird Wien auch künftig die Zusammenarbeit weiter intensivieren und ausbauen. Das Wien-Haus in Brüssel fungiert dahin gehend als wichtiger Vermittler zwischen der Stadt Wien und den AkteurInnen auf EU-Ebene. Gleichzeitig ist das Wien-Haus in Brüssel eine Repräsentanz der Wirtschaftsagentur Wien, der Wiener Unternehmen, der Wiener Stadtwerke. Ich darf mich für die langjährige Arbeit bei Michaela Kauer und ihrem Team sehr, sehr herzlich bedanken. Sie ist oftmals Gastgeberin auch für uns und ermöglicht uns gute Gespräche und gute gemeinsame Statements für unser Europa. (Beifall bei SPÖ, GRÜNEN und NEOS.)

 

Der zweite Punkt: Europa braucht einen leistungsstarken, nachhaltigen Wirtschaftsstandort und wir Städte treiben die Innovation an. Wien beheimatet rund ein Fünftel der Bevölkerung Österreichs, erarbeitet aber ein Viertel der österreichischen Wirtschaftsleistung. Die Ausrichtung des Wirtschaftsstandortes Wien hat daher nicht nur für die Metropolregion, sondern für ganz Österreich eine entscheidende Bedeutung. Für uns ist klar: Der Mensch muss im Zentrum des wirtschaftlichen und innovativen Schaffens von Unternehmen, Hochschulen, Forschung und auch der Verwaltung stehen. Dafür brauchen Städte aber auch die notwendigen Rahmenbedingungen. Dies ist unerlässlich, um die langfristigen Finanzierungen wichtiger Investitionen im Bereich der öffentlichen Infrastruktur und Versorgung sicherzustellen. Wien bekennt sich zu einer aktiven Wirtschaftspolitik, die negative Auswirkungen konjunktureller Schwankungen, wie beispielsweise hohe Arbeitslosigkeit, bekämpft und den strukturellen Wandel der Wirtschaft begleitet und steuert.

 

Doch der Produktionsstandort Europas steht im internationalen Wettbewerb vor enormen Herausforderungen, speziell auf Grund der hohen Energiepreise. Die einzige Antwort darauf ist der rasche Ausstieg aus Erdgas und insbesondere die Unabhängigkeit von russischem Gas. Die Wien Energie hat als größter Energieversorger Österreichs in den letzten Jahren bereits enorme Anstrengungen unternommen, um diese Ziele zu erreichen. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurden bereits 30 Prozent des benötigten Gaseinsatzes für die Heizperiode des letzten Jahres von alternativen Lieferanten akquiriert, hauptsächlich aus Norwegen. Langfristig müssen wir aber zu 100 Prozent raus aus Gas. Mit Großwärmepumpen, Geothermie und Wasserstoff setzen wir auf nachhaltige Technologien, die Unabhängigkeit und geringere Kosten für Haushalte und für die Wiener Wirtschaft herstellen können.

 

Diese alternativen Energiequellen werden nicht per Gesetz und unrealistischen Zielvorgaben hergestellt werden können, sondern durch massive Investitionen. Das kann nicht von heute auf morgen passieren, aber es muss schnellstmöglich passieren. Damit uns und den anderen europäischen Mitgliedsstaaten, die bisher von günstigem, russischem Gas profitiert haben, der Ausstieg gelingt, brauchen wir ausreichend Flexibilität in unseren Budgets, um unsere gemeinsamen Ziele auch schnellstmöglich zu realisieren.

 

Mit der Wiedereinführung der europäischen Fiskalregeln und einer dreiprozentigen Grenze für Aufnahme von neuen Fremdmitteln kann niemand in der EU diese ambitionierten Ziele erreichen. Wir brauchen eine goldene Ausnahmeregelung für essenzielle Investitionen im Energiebereich, um die Energiewende schaffen zu können. Diese Änderung des Fiskalpaktes ist nicht nur ein wichtiger Schritt für einen antizyklischen Investitionskurs. Mehr noch, eine Golden Rule für öffentliche Investitionen in erneuerbare Energien ist alternativlos, wenn Europa einen nachhaltigen Industriestandort errichten möchte. Andere Staaten haben das bereits erkannt. Es ist kein Zufall, dass die USA ein viel stärkeres Wirtschaftswachstum vorweisen als Europa. Ich kann sagen, es liegt nicht an Steuersenkungen oder Deregulierungen, im Gegenteil, es liegt einerseits an der Unabhängigkeit von russischem Erdgas

 

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