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Gemeinderat, 50. Sitzung vom 22.02.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 33 von 103

 

auch ins Blickfeld bei uns auf der europäischen Ebene als Europa-Abgeordnete.

 

Damals haben wir auch den Ausschuss für europäische und internationale Angelegenheiten beschlossen, auch das wurde heute schon angesprochen. Ich kann das jetzt auch persönlich sagen, dass die Zusammenarbeit seither in all den Jahren ganz ausgezeichnet war für eine aktive Stadtaußenpolitik Wiens und auch den Einsatz für öffentliche Dienstleistungen gegen die ständigen Deregulierungsversuche der Europäischen Kommission. Ich denke, die Stadt Wien leistet hier bis heute Außerordentliches und wird dafür EU-weit auch geschätzt.

 

Ich darf an dieser Stelle auch der Stadt Wien zur Verleihung des Titels der Europäischen Demokratiehauptstadt als Nachfolger von Barcelona gratulieren, und ich stimme mit dem Herrn Bürgermeister überein, der bei der dieswöchigen Verleihung gesagt hat, dass demokratiepolitische Initiativen über die Grenzen hinaus unterstützt werden sollten. Deshalb freue ich mich auch, dass heute ukrainische Frauen hier waren, die ein Projekt leiten, das Frauen in Wien unterstützt, denn ich denke, die Zusammenarbeit zwischen Parlamenten, aber auch uns Abgeordneten und Projekten der Zivilgesellschaft ist außerordentlich wichtig. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ sowie von Bgm Dr. Michael Ludwig.)

 

Was Wien betrifft, muss ich allerdings auf ein demokratiepolitisches Defizit hinweisen, das ich auch in meiner Zeit als Gemeinderätin mit meiner Fraktion immer wieder aufgegriffen habe. Es ist das kommunale Wahlrecht für EU-BürgerInnen, das zwar im Rahmen der Unionsbürgerschaft - ist ja ein Grundrecht - für Bezirksvertretungen gilt, aber immer noch nicht für den Gemeinderat oder Landtag. Die Wahlen finden ja gemeinsam statt, und ich denke, das ist ein Defizit. Es liegt aber nicht an der Stadt Wien, mitnichten, ich kann mich noch erinnern, wie wir früher viele gemeinsame Anträge dazu an die Bundespolitik gestellt haben. Ich denke, es sollte hier wirklich zu einem Umdenken und zu einem Lernprozess vor allem bei der ÖVP auf Bundesebene kommen, denn das kommunale Wahlrecht ist ein Grundrecht für alle EU-BürgerInnen, und die Kluft zwischen EU und BürgerInnen ist ohnehin wahrlich schon groß genug. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ sowie von Bgm Dr. Michael Ludwig.)

 

Mir war in meiner Zeit als Gemeinderätin aber auch die letzten zehn Jahre als Europa-Abgeordnete die Aufwertung der Städte auf EU-Ebene immer ein großes Anliegen, die ja angesichts der engen finanziellen Spielräume der nationalen Haushalte auch immer wichtiger werden, auch in den letzten Jahren sehr, sehr wichtig waren. Bei der Finanzierung auch des Green Deals unter anderem sind es doch die Städte, die EU-Entscheidungen größtenteils umsetzen müssen. Und was wir, was die EU beschließt, wirkt sich direkt auf Städte und Menschen aus, sei das vom erwähnten Green Deal über das Lieferkettengesetz, das wir jetzt hoffentlich noch vor der Europa-Wahl durchbringen, seien das die Richtlinien für Lohntransparenz oder PlattformarbeiterInnen, oder vieles, vieles mehr. Die Herausforderungen, vor denen Städte stehen, haben in den letzten Jahren rapide zugenommen. Sie spüren das ja alle, wir spüren das alle.

 

Wir haben es mit multiplen Krisen zu tun, einer strukturellen Wirtschafts- und Finanzkrise, einem rapiden Klimawandel, den Folgen der Covid-Pandemie, einer Verteilungskrise auch zwischen Männern und Frauen, einem Backlash bei Frauen- und LGBTIQ-Rechten, weltweiten Konflikten mit Krieg - es wurde heute schon erwähnt -, Krieg auf europäischem Boden und aktuell vor allem auch einer Krise der Demokratie. Die Welt ist heute eine komplett andere als 2001, als ich in dieses Haus eingezogen bin. Nichts ist mehr selbstverständlich, errungen Geglaubtes ist sehr fragil geworden, sei das die europäische Integration an sich, der Abbau von Grenzen, der Friede, das Wohlstandsversprechen wurde schon angesprochen.

 

Aber auch die Europäische Union ist eine andere als damals. Ich forderte vor 20 Jahren, als ich hier an diesem Rednerpult stand, mehr Europa, aber auch ein anderes Europa. Habe ich damals den Kampf gegen den Neoliberalismus und für eine Sozialunion gemeint, so ist es aber heute vor allem der Kampf - und es wurde schon angesprochen - um die Demokratie und gegen den wiederaufflammenden Rechtsextremismus. (Beifall bei GRÜNEN, NEOS und SPÖ.) Ein Kampf, den wir nicht mehr nur an den Rändern zu kämpfen haben, sondern der auf beängstigende Weise in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist. Europa-feindliche Rechtspopulisten - die Ausführungen einer meiner Vorredner sind ein Beispiel dafür - und Rechtsextreme versuchen zunehmend, die Einheit Europas und die europäischen Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu untergraben, von Italien mit deklarierten Post-Faschisten über Schweden, die Niederlande, bis zur Slowakei und Ungarn. Die zunehmende Salonfähigkeit rechtsextremen Gedankenguts darf nicht schöngeredet werden und niemals, niemals akzeptiert werden. (Beifall bei GRÜNEN, NEOS und SPÖ.) Sie zerstört unser Europa, sie zerstört unsere parlamentarische Demokratie, sie zerstört jahrzehntelang Aufgebautes. Wir können in Europa und der ganzen Welt beobachten, was es bedeutet, wenn rechte Autokraten an die Macht kommen. „Wehret den Anfängen!“ ist keine abstrakte Floskel, sondern reale Gefahr für die liberale Demokratie, für Feminismus und LGBTIQ-Rechte, für Freiheit, für Toleranz.

 

Der Schock der letztwöchigen Nachricht vom Tod von Alexei Navalny‘s steckt uns allen aufrechten Demokraten und Demokratinnen auf der ganzen Welt noch in den Gliedern. Dieser Schock darf aber auf keinen Fall zu einer Starre bei unserer Verteidigungsbereitschaft für die liberale Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit, für die Einhaltung der Menschenrechte in Österreich, in Europa und der ganzen Welt führen. Im Gegenteil, die Bedrohungslage für Europa, die mit Putin‘s Russland einhergeht - und es wurde heute schon einige Male die Ukraine und die wichtige, nachhaltige Unterstützung für die Ukraine angesprochen - braucht eine gemeinsame europäische Antwort. Wir GRÜNE haben immer gesagt, es braucht eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Sicherheitspolitik und eine gemeinsame Verteidigungspolitik. Und zwar genau in dieser Reihenfolge, und das ist wichtig, Außenpolitik, darauf aufbauend Sicherheitspolitik und dann eine europäische Verteidigungspolitik auf Basis der Menschenrechte und des Friedens.

 

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