Gemeinderat, 50. Sitzung vom 22.02.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 103
Gegen Putin und seine Freunde auch hier in Europa gibt es keinen besseren Schutz als eine Europäische Union, die zusammensteht. Deshalb ist es auch mein und unser gemeinsames grünes Ziel im Europaparlament, dass keine EU-Milliarden an die sogenannten illiberalen Autokraten überwiesen werden dürfen, die die EU nur als Bankomat für die Finanzierung ihrer nationalistischen und auch chauvinistischen Politik missbrauchen. Bei den EU-Förderungen ist uns das, ist auch mir das als Verhandlungsführerin gelungen, dass kein Euro mehr an Mitgliedsländer vergeben werden darf, die Geschlechtergleichstellung und LGBTIQ-Rechte missachten. (Beifall bei den GRÜNEN sowie von GRin Martina Ludwig-Faymann und GR Dr. Kurt Stürzenbecher.)
Dieser Rechtsstaatsmechanismus, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss erhalten und weiter ausgebaut werden, kein Rabatt auf Menschenrechte, keine falsche Toleranz bei der Missachtung, bei der Verletzung von Grundrechten. Deshalb sollte es auch möglich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen - und ich weiß, die Stadt Wien ist ja auch an der Seite des Europaparlaments -, EU-Fördermittel künftig direkt an Stadtverwaltungen auszahlen zu dürfen und nicht mehr nur über die nationale Ebene. Wir GRÜNE setzen uns seit vielen Jahren bereits dafür ein, ich habe selbst viele Gespräche mit Kommissionspräsidentin von der Leyen dafür geführt, damit Autokraten wie Orbán Städte wie Budapest nicht mehr willkürlich aushungern können. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ sowie von GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc.) EU-Kommissar Hahn, die Stadt Wien und das Europaparlament sind auch Teil dieser wichtigen Städteinitiative. Und ich betone das bewusst jetzt und hier, bei meiner letzten Rede als Europa-Abgeordnete hier im Wiener Gemeinderat, weil diese Bemühungen wie zum Beispiel das „direct funding for cities“ oft hinter der Kulisse und ohne großes Medienecho stattfinden. Aber mein politisches Selbstverständnis war immer, auch wenn sich Politik oft in Schlagzeilen bemisst, Politik braucht in erster Linie Schlagkraft, auf europäischer Ebene genauso wie auf regionaler oder auf nationaler Ebene. Politik ist nicht nur Show, sie ist in erster Linie Sachpolitik, die manchmal nur von wenigen wahrgenommen wird, aber dafür umso mehr Auswirkungen auf Bürger und Bürgerinnen hat. Und Sie wissen das, meine Damen und Herren als GemeinderätInnen, Sie wissen das, Sie sind am nächsten bei den BürgerInnen dran. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)
Die Europa-Wahlen im Juni werden entscheiden, gibt es weiter ein starkes Europäisches Parlament, das europäische Grundwerte verteidigt, und Rat, aber auch Kommission als Motor die europäische Integration antreibt, oder erleben wir einen Rückfall in den Nationalismus, einen Rückbau europäischer Strukturen und Willensbildung, wenn Rat, Kommission und Europaparlament noch in diesem Jahr bei den Neunominierungen aller Gremien bei der Vollendung der Europäischen Union dann bremsen. Als DemokratInnen und EuropäerInnen müssen wir gemeinsam - auch das hat der Herr Stadtrat heute schon gesagt - die Menschen überzeugen, wie besonders wichtig es diesmal sein wird, wählen zu gehen. Natürlich haben wir das bei jeder Europa-Wahl gesagt, und ich war bei einigen dabei, aber ich denke, diesmal könnten wir tatsächlich nach dieser Wahl aufwachen und unser Europa nicht mehr wiedererkennen.
2019 war zum Beispiel die deutlich gestiegene Beteiligung bei jungen WählerInnen mitverantwortlich für ein Europaparlament, das progressive Mehrheiten ermöglicht hat, vom Renaturierungsgesetz bis zum Green Deal. Eine hohe Wahlbeteiligung derer, die Europa positiv gestalten wollen, die Europa stärken wollen, aber auch progressive Reformen vorantreiben wollen, ist also entscheidend, und ich denke, das wissen Sie besser als ich, die Städte werden zu dieser Wahlbeteiligung in hohem Ausmaß beitragen.
Viel zu wenig wird kommuniziert - und ich sage das ganz bewusst als konstruktive Kritikerin der Europäischen Union -, was die Europäische Union an Vorteilen gebracht hat, auch für einzelne Bürger und Bürgerinnen, nicht nur auf einem abstrakten Niveau. Sie hat Europa-weite Mindeststandards in Bereichen wie Work-Life-Balance, Rechtsanspruch auf Papa-Monat, KonsumentInnenschutz gebracht, bis zum Bereich des Kampfes gegen Gewalt gegen Frauen, eine Richtlinie, die wir jetzt in Kürze noch beschließen werden. Sie hat die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt gebracht, Frauenquoten in Aufsichtsräten, die Abschaffung der Roaming-Gebühren, um nur ein sehr populäres Beispiel zu nennen, und sogar den langjährigen Kampf, der wirklich nicht leicht war, um eine Richtlinie zu einem EU-weiten Mindestlohn haben wir geschafft, oder die LGBTIQ-Freedom-Zone. Und ich denke, man kann wirklich mit Fug und Recht sagen, die Europäische Union ist trotz der aktuellen Bedrohungslage von außen das größte Friedensprojekt unserer Geschichte, faszinierend in seiner Gestaltung (mit zunehmend tränenerstickter Stimme), und es ist unser aller Aufgabe, sie zu erhalten und gegen die Feinde der Demokratie abzusichern. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.) Mein Klub hat mir erlaubt, ein paar Tränen zu vergießen, denn unser Klubobmann weint schon bei manchen Fußballergebnissen, insofern darf ich auch. Ich habe den Freibrief bekommen, entschuldigen Sie.
Einer der größten Zukunftsaufgaben der Europäischen Union wird es sein, die längst fälligen Reformen - die ich angesprochen habe -. dieses andere Europa voranzutreiben, nämlich zu einer echten Klima- und Sozialunion. Ich denke, es ist einer der größten Versäumnisse der zu Ende gehenden Legislaturperiode, dass die Ergebnisse der BürgerInnen aus der Konferenz zur Zukunft Europas schubladisiert wurden und vom Rat blockiert werden. Das war eine großartige Konferenz mit hunderten von einzelnen Ergebnissen und Forderungen, BürgerInnen, Zivilgesellschaft, Institutionen waren eingebunden, und ich denke, für die Schaffung einer Sozialunion, die mir ja immer so ein Anliegen war, wäre es jetzt unerlässlich, nach dem Mindestlohn, den wir geschafft haben, auch ein Europa-weites Mindesteinkommen für alle, die es brauchen, einzuführen. Ein Fünftel der Menschen in Europa ist armutsgefährdet, insbesondere Frauen, und ich denke, wenn man eine Wirtschafts- und Währungsunion will, muss man auch an einer Sozialunion bauen. Und Europas
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