Gemeinderat, 50. Sitzung vom 22.02.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 103
es sich um ein Unternehmen, und wir haben - das nehme ich jetzt vorweg, Joe - uns in einem Kodex über die Entwicklung der Wirtschaft vorgenommen, zwischen wirtschaftlichem Engagement und operativer Tätigkeit und der politischen Ebene zu trennen. Das heißt, in unserem Betrieb funktioniert das nicht so, dass der Bürgermeister anruft und der Generaldirektor hüpft, so ist das bei uns nicht, und es wäre auch nicht gut, das so zu machen.
Das Zweite ist: Mein Freund Kurt Stürzenbecher hat mich auf einen Artikel im heutigen „Standard“ hingewiesen (GR Dr. Kurt Stürzenbecher: Im gestrigen!) - im gestrigen, Entschuldigung, ich habe es erst heute gekriegt, darum. Ein gewisser Johannes Benigni schreibt einen Leitartikel im „Kommentar der anderen“ und weist zu Recht darauf hin, dass die Lösung des Gasproblems eine Frage der Zurverfügungstellung der Infrastruktur ist, zum Beispiel der Leitungen. Das ist im Strombereich dasselbe, es ist die Frage der Verträge auf internationaler Ebene. Die Gaskrise wird man dann lösen können, wenn es auf europäische Ebene geht, Österreich alleine wird nicht mit Katar verhandeln. Das heißt, es wird nicht die Gemeinde Wien, auch nicht die Republik Österreich alleine dieses Problem lösen können. Das ist eine europäische Agenda und als solche sollte man das auch sehen. Das klingt jetzt böser, als es gemeint ist, aber man soll nicht hergehen und immer Verantwortlichkeiten im operativen Bereich, die auf Bundesebene liegen, dann auf die regionale und kommunale Ebene hinunterschieben, die das ja nicht alleine regeln kann! (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Du hast den Antrag nicht gelesen, das steht extra drinnen! - GR Nikolaus Kunrath: Das stimmt ja nicht!) Ich sage Ihnen jetzt offen dazu: Nicht an den Gemeinderat appellieren, dass er Ihnen hilft, etwas umzusetzen, sondern selber umsetzen, wenn Sie die dazugehörige Ressortministerin stellen, und das wäre es sozusagen. (GR Nikolaus Kunrath: Das ist ja unglaublich!) Unglaublich ist es eigentlich nicht, es ist einfach wahr, um es einmal so zu sagen. (Beifall bei der SPÖ.)
Das Zweite ist der Antrag betreffend das Ausreiseverbot für einen Wiener Bürger, für einen österreichischen Staatsbürger, der in der türkischen Republik festgehalten wird. Auch da trennt uns in der Sache nichts, denn Tatsache ist, die politischen und menschenrechtlichen Standards in der türkischen Republik sind problematisch, besorgniserregend. Zweitens gehört es sich nicht, dass man ihn dort festhält, auch das ist völlig richtig, aber drittens bin ich kein Fan davon - und da können Sie mir jetzt vorwerfen, dass ich ein Bürokrat bin, bin ich nicht, aber Sie können mir das vorwerfen -, dass wir hergehen und uns in diesem Antrag als Wiener Gemeinderat an die türkische Regierung oder an die türkische Republik wenden. Das ist falsch, denn eigentlich müssten wir uns an den österreichischen Außenminister wenden, damit er als Außenminister - das wäre seine Zuständigkeit - dort interveniert. (GRin Mag. Berivan Aslan: Das steht im Antrag! - GR Nikolaus Kunrath: Das steht im Antrag drinnen!) Das ist die erste Geschichte.
Die zweite Geschichte ist folgende: Ich rede gelegentlich mit Leuten, ich weiß, dass das österreichische Außenministerium konsularischen Schutz gewährt und sich bemüht, dieses Problem - klingt jetzt dumm - zu lösen. Aus meiner Erfahrung ist es manchmal günstig, wenn die Beamten des Außenministeriums diese Gespräche führen und man das nicht in aller Öffentlichkeit abhandelt - manchmal. Ob das hier der Fall ist, weiß ich nicht, ich weiß aber, dass es die Zuständigkeit der Österreichischen Bundesregierung ist, sich dieses Falles anzunehmen. Das heißt nicht, dass wir nicht mit den Betroffenen solidarisch sind, überhaupt nicht. Wir sind mit jedem Betroffenen in dieser Frage solidarisch, wir werden uns auch zusammensetzen, das haben wir vereinbart, und wir werden das auch in die Diskussion einbringen. Wir müssen uns einmal den Kopf zerbrechen, was im persönlichen Interventionsbereich im Einzelfall die Zuständigkeit des Wiener Gemeinderates und Landtages ist. Das heißt nicht, dass nicht jeder Fall wichtig wäre, aber man kann nicht über jeden Fall einen Antrag machen. (GRin Mag. Berivan Aslan: Das sind faule Ausreden!) Demzufolge bin ich der tiefen Überzeugung - das ist keine faule Ausrede -, dass wir uns konstruktiv zusammensetzen und eine Linie finden müssen, wo wir als Wiener Landtag und Gemeinderat in der Zuständigkeit intervenieren und wo wir das nicht tun. Wenn wir uns gemeinsam entscheiden, dass wir das machen, dann tun wir das, aber machen wir es nicht stückerlweise, meine Damen und Herren. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Sagt doch wenigstens, dass ihr euch nicht einig seid! Seid doch wenigstens ehrlich!)
Die Frage, die zu diskutieren ist, ist die Frage von Freiheit. Europa ist ja eigentlich der Kontinent der Freiheit, des Rechts. Als ich viel jünger war - vorgestern -, habe ich einen Spruch gelernt, der mich damals sehr nachdenklich gemacht hat, weil ich mir gedacht habe, dass das nicht wahr sein kann. Si vis pacem para bellum, auf Deutsch: Wenn Sie den Frieden erhalten wollen, bereiten Sie den Krieg vor! - Ich habe mir nie gedacht, dass das einmal eine Realität meines Lebens sein wird.
Meine Damen und Herren, das ist in Wirklichkeit traurig, aber wahr, eine Realität unseres gemeinsamen Lebens: Wir befinden uns in einer Situation, in der die Sicherheitslage in Europa sich total verändert hat. Damit meine ich nicht abstrakt eine Sicherheitslage, ich meine die Frage der Freiheit der Rede, ich meine die Frage der Toleranz, ich meine die Frage der Gleichheit der Geschlechter, die Frage des Rechts auf Abtreibung, ich meine die Rechte der LGBTIQ-Personen, ich meine den Kampf gegen Rassismus, ich meine letztendlich insgesamt die offene Gesellschaft. Diese offene Gesellschaft wird von einem Regime der Russischen Föderation massiv bedroht, und das zeigt sich unter anderem an der Frage des Einmarsches, des völkerrechtswidrigen Einmarsches der Russischen Föderation in die unabhängige und freie Ukraine. Das ist ein Kriegsverbrechen, das ist nach internationalem Recht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Ukraine hat natürlich jedes Recht, auch jeden Grund, sich zu verteidigen. Wir leisten dazu direkt oder indirekt einen Beitrag, meine Damen und Herren, und dazu stehe ich. Ich sage Ihnen ganz offen, dass wir uns über eine Sicherheitsarchitektur Europas den Kopf zerbrechen werden müssen, wenn das, was ich befürchte,
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