Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 109
der BesucherInnen vom Kultursommer kommen aus einkommensschwachen Haushalten, und entsprechend ist der Kultursommer für fast 60 Prozent der Befragten die einzige kulturelle Veranstaltung, die sie besuchen. Das ist einerseits erschreckend, aber auf der anderen Seite zeigt sich, wie wichtig es ist, hier auch gesellschaftliche Teilhabe - und das heißt ja auch demokratische Teilhabe - zu ermöglichen.
Dann haben wir gerade im Sommer die vielen Open-Air-Kinos, die auch teilweise gratis zu besuchen sind, vom Karlsplatz bis zum Volxkino, Sommerkinos auf Märkten, auf Plätzen und in Parks, die eben auch ein filmaffines Publikum versorgen. Dann haben wir für Literaturbegeisterte auch ein gratis Festival wie O-Töne im MuseumsQuartier, die regelmäßig auch wirklich voll besetzt gestürmt werden, wo öffentliche Lesungen stattfinden, oder eben auch im Herbst dann die Aktion „Eine Stadt. Ein Buch“, die auch weltweit einzigartig ist, wo über 100.000 Menschen von der Stadt gratis ein Buch zur Verfügung gestellt wird.
Jetzt gerade haben wir das Fest der Freude am 8. Mai gehabt oder eben auch sehr stark besucht und auch medial wirklich gut verbreitet die Eröffnung der Wiener Festwochen am Rathausplatz. Wir haben das Praterpicknick mit den Symphonikern, wir haben auch das Festival „Wir sind Wien“. Das beginnt übrigens am 1. Juni und ist datumsentsprechend immer in den Bezirken unterwegs, das heißt, am 1. Juni ist es im 1. Bezirk, am 2. im 2. Bezirk, und bringt über 23 Tage Kultur in die Bezirke.
Etwas Neues, das es auf dem Sektor auch gibt, ist die Klima Biennale, die mit 100 Partnerinnen und Partnern über die ganze Stadt verstreut ist. Auch das ist ein neues Event, das dem Modell folgt „pay as you wish oder pay as you can“, also die von uns, die gut verdienen, können da einfach für andere mitzahlen, und andere, die gar nichts haben, können trotzdem an der Klima Biennale teilhaben. Auch das ist ein Ereignis, das es weltweit nur in Wien gibt.
Und gerade im Bereich Wissenschaft, wo wir in die Bildung kommen, sind die Wiener Vorlesungen ein ganz wunderbares Tool des analogen Zusammenkommens - gleichzeitig wird das auch immer gestreamt -, oft im Rathaus, aber auch in anderen Orten wie dem Wien Museum. Hier geht es darum, sich wirklich auch aus dieser Wissenschaftsebene heraus eine Sprache zu überlegen, wie man interessierten Menschen aus der Bevölkerung auch wissenschaftliche aktuell brennende Fragestellungen unserer Zeit näherbringen kann, diskutieren kann, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, diskutieren kann. Und der Bogen reicht von genetischen Themen bis hin zur Künstlichen Intelligenz, zum Digitalen Humanismus bis zu politischen Fragestellungen.
Letztens gab eine ganz tolle Veranstaltung von einer israelischen Frauenorganisation, Women Wage Peace, die gemeinsam mit einer palästinensischen Frauenorganisation, Women of the Sun, an Frieden arbeiten und sagen, egal, was uns jetzt passiert, wir brauchen einen Frieden. Sie sind auch nominiert für den Friedensnobelpreis. Das war eben jetzt am 6. Mai 2024 im Rathaus, der Saal war voll, und das hat mich wahnsinnig gefreut. Wir brauchen das als Gesellschaft, weil wir genug Fragestellungen haben, die uns herausfordern und wo wir auch den analogen Austausch mit der Wissenschaft brauchen.
Dann gibt es auch noch das Vienna Humanities Festival, das das Institut für die Wissenschaft vom Menschen ins Leben gerufen hat, auch bei freiem Eintritt zugänglich ist und das Intellektuelle, WissenschaftlerInnen und SchriftstellerInnen, KünstlerInnen aus der ganzen Welt zusammenholt, um wichtige Themen zu diskutieren.
Also als politisches Fazit könnte man sagen, es ist wahnsinnig wichtig, in diesen Bereich zu investieren, es ist aber auch wichtig, verstärkt in die Vermittlung zu gehen, um mehr Menschen zu erreichen. Das Ringen um Aufmerksamkeit ist in dieser medialen Verfasstheit, wo wir mit so vielen Informationen zugemüllt werden, einfach schwierig geworden, deswegen braucht es die aktive Rolle von Institutionen, die wir unterstützen, damit sie dem auch gerecht werden können. Und es gab ja auch eine repräsentative Umfrage, die wir im Rahmen der Kulturstrategie durchgeführt haben: 52 Prozent der befragten Personen Wien-weit, die ein knappes oder nicht ausreichendes Einkommen angeben, haben gesagt, dass die Preise eine zentrale Rolle spielen, ob sie irgendwo hingehen oder nicht. Und gerade deswegen ist der Gratiseintritt vor allem für junge Leute, also zwischen 15 bis - zur abgeschlossenen Ausbildung - 29 Jahren so wichtig. Für diese 39 Prozent ist es ein wichtiges Entscheidungskriterium, ob sie irgendwo Teilhabe am kulturellen Leben der Stadt haben. Armut bedroht gesellschaftliche Teilhabe und es zeigt sich auch, je weniger man das erfährt im sozialen Bereich, umso weniger glaubt man an Demokratie. Also der Zusammenhang mit Wahlbereitschaft, sich wirklich aktiv einzubringen als Wählerin und Wähler - und wir brauchen das bei der EU-Wahl, wir brauchend das bei allen Wahlen - hängt auch mit der kulturellen Teilhabe zusammen.
Ich möchte auch eine sozialwissenschaftliche Grundlagenstudie zitieren, die im Auftrag des Bundes, namentlich des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport zur kulturellen Beteiligung in Österreich durchgeführt wurde: „Gäbe es keine Gratisveranstaltungen, würde sich die durchschnittliche Teilnahme am kulturellen Geschehen in Österreich von 13 auf 7 Besuche pro Jahr halbieren beziehungsweise würde sich der Anteil an kultureller Teilhabe in der Bevölkerung von 81 auf 75 Prozent senken, im untersten Einkommensdrittel von 74 Prozent auf 65 Prozent.“ - Ich glaube, das ist ein gutes Argument.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 1. Zusatzfrage kommt von der SPÖ. Frau GRin Däger-Gregori, bitte.
GRin Luise Däger-Gregori, MSc (SPÖ): Vielen Dank, Frau Stadträtin, für diese ausführliche Beantwortung. Gerade Kinder und Jugendliche sind ja nach zahlreichen Lockdowns jetzt nun zum zweiten Mal Leidtragende einer tiefgreifenden Krise. Meine Frage ist: Was unternimmt die Stadt Wien konkret, um kulturelle Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen zu verhindern?
Amtsf. StRin Mag. Veronica Kaup-Hasler: Ja, das ist eigentlich das wichtigste Feld, das wir haben, weil wir
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