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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 63 von 109

 

Wenn jetzt der frühere Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Paul Grosz angesprochen wurde, den ich nicht nur persönlich gekannt habe, sondern viele Jahre mit vielen Aktivitäten begleiten durfte, dann halte ich fest: Ihm war es wichtig, dass wir uns mit der Geschichte unseres Landes sehr kritisch auseinandersetzen, nämlich mit der Zeit der beiden Faschismen und mit dem Antisemitismus, der in unterschiedlicher Art und Weise in unserem Land begründet worden ist. Und Paul Grosz hat auch vor neuen faschistischen Bestrebungen gewarnt.

 

Er hat aber auch immer darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die jüdische Gemeinde in unserer Stadt zu unterstützen. Und auch das tun wir seit vielen Jahren beziehungsweise - wie ich sagen kann - seit vielen Jahrzehnten. Wir haben in Wien eine numerisch sehr kleine jüdische Gemeinde, im internationalen Vergleich aber wahrscheinlich eine der aktivsten jüdischen Gemeinden, die es gibt, und das auch deshalb, weil die Stadt Wien seit vielen Jahren viele dieser Einrichtungen und Organisationen unterstützt, um jüdisches Leben möglich zu machen, und zwar in allen Spielarten. Das bedeutet, dass das Bestehen entsprechender Lokale und Einkaufsmöglichkeiten gesichert wird. Es bestehen aber gerade auch im Bildungswesen, von Kindergärten über Schulen bis hin zu einem Pensionisten-Wohnhaus, viele Möglichkeiten, das jüdische Leben auch im Alltag umzusetzen, und das im Regelfall mit starker Unterstützung der Stadt Wien. Es ist nämlich wichtig, nicht nur aus historischen Gründen eine starke jüdische Gemeinde zu haben, sondern weil das Teil unseres gegenwärtigen Lebens ist und es ist sehr wichtig, dass man auch in der Gegenwart gegen jede Form von Antisemitismus auftritt.

 

Ich habe auf der schon angesprochenen Veranstaltung auf dem Ballhausplatz gesprochen, vier Tage nach dem furchtbaren Massaker, das die Hamas in verschiedenen Kibbuzim in Israel angerichtet hat. Es war dies ein Verbrechen, das durch nichts zu rechtfertigen ist. Es war ein besonders verbrecherisches, unmenschliches Massaker. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht auch Empathie empfinden kann für zivile Opfer im Gazastreifen.

 

Von daher ist es für uns ganz selbstverständlich, gegen jede Form des Antisemitismus aufzutreten, aber auch, zu sehen, wie wichtig es ist, Frieden zu schaffen in der Welt, aber auch dafür Sorge zu tragen, dass wir in unserer Stadt friedlich miteinander leben. In diesem Sinn bin ich sehr froh und stolz, dass wir insbesondere mit den Religionsgemeinschaften in unserer Stadt das beste Einvernehmen haben. Es ist hier im Unterschied zu anderen europäischen Städten auch möglich, dass die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften in unserer Stadt auch miteinander an Projekten arbeiten. Es gibt hier eine ganze Reihe von Projekten, die Europa-weit große Anerkennung gefunden haben.

 

Im Hinblick darauf ist es mir wichtig, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, gegen Antisemitismus aufzutreten. Und ich stehe da ganz in der Tradition jener Zeitzeugen, die viele von uns intensiv geprägt und begleitet haben. Ich will jetzt an dieser Stelle nur einen erwähnen, der mit mir jahrzehntelang in diesem Bereich tätig war, nämlich Prof. Rudi Gelbard, den viele von Ihnen und euch kennen und als Zeitzeugen schätzen. Er hat immer vor jeder Form des Antisemitismus gewarnt, aber auch gesehen, wie wichtig es ist, die jüdische Gemeinde so wie auch andere Communities in unserer Stadt zu unterstützen.

 

Von daher sehe ich es als meine große Aufgabe auch als Wiener Bürgermeister, die unterschiedlichen Vorstellungen, die die jüdische Gemeinde hat, auch in der Gegenwart zu unterstützen. Das haben wir seit vielen Jahren auf nationaler Ebene und auch auf internationaler Ebene getan. Wir haben als Stadt Wien ein hervorragendes Einvernehmen mit den Städten Jerusalem und Tel Aviv und auch mit anderen Städten, mit diesen beiden großen Städten im Besonderen, und zwar im Rahmen internationaler Städtenetzwerke, aber auch im bilateralen Austausch.

 

Es ist mir vor allem wichtig, das einleitend zu erwähnen, bevor ich jetzt ganz kurz auf Ihre Fragen eingehen möchte, und zwar deshalb kurz, weil es darüber hinaus noch viel mehr Initiativen und Aktivitäten gäbe, die ich jetzt aus Zeitgründen gar nicht alle auflisten kann.

 

Exemplarisch möchte ich jetzt zu Ihrer Frage 1 erwähnen: Österreich-weit befinden sich alle wesentlichen Institutionen zur Antisemitismusforschung, Antisemitismusaufklärung und Prävention in Wien und wurden zu einem großen Teil auch von der Stadt Wien mitaufgebaut beziehungsweise auch mitfinanziert.

 

Die Besorgnis um Wiederaufkeimungserscheinungen sowohl von tradierten als auch von neuen Formen und Phänomenen des Antisemitismus hat die Stadt Wien schon öfters dazu veranlasst, die Förderungen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes massiv zu erhöhen. So hat sich die Stadtregierung entschieden, die Zuwendungen an das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes auf 814.000 EUR zu verdoppeln.

 

Das Jüdische Museum Wien allein erhält mehr als 4 Millionen EUR an Förderungen der Stadt Wien. Das Wiener Wiesenthal Institut erhält jährlich mehr als 600.000 EUR an Zuwendungen, insbesondere, um nicht nur den vergangenen Antisemitismus zu bekämpfen, sondern auch Maßnahmen zu setzen, um gegenwärtigen Erscheinungsformen zu begegnen. Auch das gerade erst wieder neu eröffnete Wien Museum setzt sich intensiv mit der nationalsozialistischen Geschichte Wiens auseinander. Daneben bestehen auch andere wissenschaftliche Einrichtungen, deren Forschungsaktivitäten auch Antisemitismus zum Thema haben, wie das QWIEN - Zentrum für queere Geschichte, das Institut für die Wissenschaften von Menschen oder das Freud Museum, und auch Veranstaltungen wie das Fest der Freude sowie unzählige Mahnmäler im öffentlichen Raum erinnern an die von Antisemitismus geprägte Vergangenheit und die Gefahren, die es auch in der Gegenwart gibt. Im Hinblick darauf würde ich mich freuen, wenn wir auch bei den Anträgen, die notwendig sind, um diese finanziellen Unterstützungen auch hier im Gemeinderat abzusichern, zu einstimmigen Abstimmungsergebnissen kommen. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.)

 

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