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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 90 von 109

 

Projekt Stadtstraße. Gibt es Untersuchungen seitens der Stadt Wien, wie sich die Verkehrsfreigabe der Stadtstraße auf den Verkehrsmittelanteil des motorisierten Individualverkehrs auswirken wird? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Wann wird seitens der Stadt mit der Verkehrsfreigabe der Stadtstraße gerechnet?

 

Gemäß § 37 der Geschäftsordnung des Wiener Gemeinderates wird beantragt, dass die Anfrage verlesen und mündlich begründet werden kann und hierauf eine Debatte über den Gegenstand stattfindet. Wien, am 17.5.2024.“ (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Ich danke für die Verlesung. Für die Begründung der Dringlichen Anfrage sieht die Geschäftsordnung gemäß § 37 Abs. 1 eine Redezeit von 20 Minuten vor. Zur Begründung der Dringlichen Anfrage erteile ich nun GR Stark das Wort. Bitte.

 

19.39.45

GR Kilian Stark (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen und ZuseherInnen!

 

Wir stehen heute vor einer entscheidenden Frage: Wollen wir die Zukunft unserer Stadt aktiv gestalten und den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umgebung hinterlassen, oder wollen wir weiterhin mutlos zusehen, wie unsere Klimaziele in immer weitere Ferne rücken?

 

Erlauben Sie mir, mit einem kleinen Augenzwinkern zu beginnen. Manchmal kommt es mir vor, als ob wir beim Klimaschutz nur Zuschauer in einem spannenden Film wären. Wir sitzen bequem, knabbern Popcorn und hoffen darauf, dass am Ende alles gut geht. In diesem Film aber sind wir die HauptdarstellerInnen, wir alle in diesem Raum. Es liegt an uns, dass wir das Happy End schreiben. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Sie haben in den letzten Jahren sehr viel über Klimaschutz gesprochen. Sie haben zahlreiche Ziele präsentiert. Sie haben Versprechungen gemacht. Die Realität zeigt uns aber ein ernüchterndes Bild. Der Verkehr ist und bleibt das Klimasorgenkind unserer Stadt. Der Anteil des Autoverkehrs stagniert trotz unserer ambitionierten Klimaziele, trotz der wortreichen Beteuerungen und teurer PR und trotz der „Wien ist eh schon so super“-Rhetorik der SPÖ. Das ist aber nicht nur eine verpasste Chance, die man später wiedergutmachen kann, sondern es ist tatsächlich eine Niederlage für den Klimaschutz, der nicht wiedergutzumachen ist, und aus unserer Sicht ein Verbrechen an den jungen und kommenden Generationen in Wien. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Denn Klimaschutz ist kein Selbstzweck, Klimaschutz ist Menschenschutz. Dem Klima ist es herzlich egal, ob es ein, zwei oder drei Grad heißer wird. Die Natur wird sich irgendwie anpassen. Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist, dass wir alle zusammen die Erderhitzung in Wien und global in einem Bereich halten, in dem wir uns noch daran anpassen können und in dem wir noch ein gutes Leben für alle in Wien und global schaffen können. Wir sind die, die eine intakte Umwelt und ein intaktes Klima brauchen. Wir brauchen es zum Leben, für die Gesundheit, für unsere Luft, für Wasser und vieles mehr.

 

Nicht zuletzt ist es auch eine wirtschaftliche und eine Standortfrage. Wird Wien für eine klimaneutrale Zukunft bereit sein? Werden wir zu den VorreiterInnen oder zu den Nachzüglern gehören? Führen wir an oder hinken wir nach? Der Wiener Klimafahrplan, beschlossen im Februar 2022, setzt ganz klare Ziele, die wir auch gut finden. Wien senkt bis 2030 die CO2-Emissionen pro Kopf um 55 Prozent gegenüber jenen im Jahr 2005 und ist ab 2040 klimaneutral. Dafür muss vor allem auch der Energieverbrauch drastisch gesenkt werden.

 

Für den Mobilitätsbereich heißt das im Wesentlichen, dass der Anteil des Autoverkehrs drastisch sinken muss, von heute 27 Prozent schon bis zum kommenden Jahr auf 20 Prozent und bis 2030 auf 15 Prozent. Was aber sehen wir stattdessen? Mehr Autos, mehr Verkehr und mehr Emissionen. (GR Wolfgang Irschik: Mehr Geld für den Finanzminister!)

 

Wir haben das illustriert, damit das auch klarer wird, weil es sehr viele Zahlen gibt. (Der Redner hält eine Tafel mit einem Balkendiagramm in die Höhe.) Wir haben in den letzten 3 Jahren in Folge keinen Fortschritt gemacht. 2021: 26 Prozent beim Autoverkehr, 2022: 26 Prozent beim Autoverkehr und 2023: 26 Prozent beim Autoverkehr. Das ist das Ziel: 15 Prozent. Wenn wir also so weitermachen, wächst die Klimalücke jedes Jahr weiter und weiter. (Bgm Dr. Michael Ludwig: Besser als vorher!) Das bedeutet auch, dass wir mehr Verkehr in Wien haben, weil Wien wächst und mehr Menschen unterwegs sind. Wenn der Anteil gleich bleibt, haben wir immer mehr Autoverkehr in Wien. Das Ziel ist klar: Es muss natürlich jedes Jahr weniger werden. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Mit dieser Politik des Weiter-wie-bisher wächst die Klimalücke einfach jedes Jahr und die Ziele rücken immer mehr außer Reichweite. Jetzt wäre das vielleicht egal, wenn der Verkehr so ein kleiner Sektor wäre. Der Verkehr macht aber den Löwenanteil der CO2-Emissionen der Stadt aus: über 40 Prozent. Von 5 CO2-Tonnen, die in Wien emittiert werden, kommen 2 aus dem Autoverkehr. Das heißt, ohne eine drastische Reduktion des Verkehrssektors können wir unsere Klimaziele überhaupt nicht erreichen. Das ist das übergeordnete Ziel. Darum geht es. Wir machen das nicht, weil es lustig ist, sondern weil es notwendig ist. Da bringt es nichts, in aufgeregten Presseaussendungen aufzuzählen, wie viele Euro man in dieses oder jenes Projekt investiert. Da bringt es nichts, aufzuzählen, wie viele Einzelprojekte mit viel PR präsentiert wurden. Da bringt es auch nichts, sich die Investitionen von über einer halben Milliarde Euro in eine Stadtautobahn schönzusaufen. Geht der Autoverkehr nicht zurück, hat die Klimapolitik versagt. Es geht nicht anders. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Es gibt keine erfolgreiche Klimapolitik ohne eine Mobilitätswende - das heißt, weniger Autoverkehr -, und es gibt keine erfolgreiche Mobilitätspolitik ohne Klimaschutz. (GR Erich Valentin: Ist ein Unterschied zwischen E-Autos und …) Die Ursachen, warum da nichts weitergeht, sind vielfältig. Einen der Hauptgründe sehen wir in der mutlosen Politik dieser aktuellen Stadtregierung.

 

Die Klimaziele erreichen sich nämlich nicht von allein - wenn man, wie ich vorhin erzählt habe, wie im Kino sitzt

 

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