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Gemeinderat, 56. Sitzung vom 27.06.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 113

 

in der Lage sind, Prognosen zu machen, Szenarien zu erarbeiten und vorauszudenken.

 

Deswegen war ich ganz besonders überrascht, Herr StR Wiederkehr, als Sie bei der letzten Anfragebeantwortung gesagt haben, Sie wussten vor der Corona-Pandemie, dass es zu Familienzusammenführungen kommen wird. Wir dachten alle, das ist jetzt wahnsinnig überraschend, wir müssen ad hoc darauf reagieren. (VBgm Christoph Wiederkehr, MA: Wer hat darauf nicht reagiert? - Ihr Bundesminister!) Nein, Sie wussten seit Jahren, dass es zu Familienzusammenführungen kommen wird. Jetzt frage ich Sie, was haben Sie denn mit diesem Wissen gemacht? Haben Sie die Bevölkerung darauf vorbereitet? Haben Sie einmal in diesem Hohen Haus gesagt, Achtung, es wird zu Familienzusammenführung kommen, wir müssen uns darauf vorbereiten? Haben Sie Kindergartenplätze geschaffen? Haben Sie Schulplätze geschaffen? Haben Sie Integrationsangebote vorausbauend geschaffen? (GR Peter Florianschütz, MA, MLS: Ja, haben wir!) Haben Sie Szenarien erarbeitet, was das für die Stadt bedeutet? Haben Sie überlegt, die Binnenmigration zu reduzieren? Haben Sie in irgendeiner Form Alarm geschlagen? Nein, das haben Sie nicht gemacht! (GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc: Ja natürlich!)

 

Sie haben ad hoc Containerklassen aufbauen müssen! Sie haben die Pädagogen in keinster Weise darauf vorbereitet. (GRin Mag. Dolores Bakos, BA: Doch, das haben wir!) Die sind psychisch am Ende! Ich spreche mit diesen Menschen, sie sagen, sie können nicht mehr, keiner hat sie auf diese Herausforderung vorbereitet. Das, Herr StR Wiederkehr, ist ein Paradebeispiel an politischem Versagen! (GRin Mag. Dolores Bakos, BA: Nein, ist es nicht!) Und das müssen Sie sich auch als Vorwurf gefallen lassen. (Beifall bei der ÖVP.) Kollegin Bakos, Sie können doch nicht ernsthaft sagen, dass der Aufbau von Containerklassen ad hoc passieren musste (GRin Mag. Dolores Bakos, BA: Hast du den Ukraine-Krieg vorhergesehen?), ohne dass die Eltern Bescheid wussten, ohne dass die Lehrer Bescheid wussten. (GRin Mag. Dolores Bakos, BA: Hast du den Ukraine-Krieg vorhergesehen?) Dass all das geplant war. Das ist ja noch ein viel größeres Versagen, dass der Aufbau von Containerklassen eine geplante Aktion war! Nein, ihr habt es einfach verschlafen, das ist die Wahrheit, ihr habt es verschlafen! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Dann haben Sie in Ihrem Alarmismus gesagt, Wien stemmt das nicht mehr. Ich dachte, wenn man sagt, Wien stemmt das nicht mehr, dann ist das derartig drastisch, dann werden irgendwelche Maßnahmen folgen. Das muss irgendwelche Folgen haben, wenn ein Regierungsmitglied sagt, wir können das nicht mehr stemmen. Jetzt habe ich mich gefragt: Was sind jetzt eigentlich die Konsequenzen aus dieser Feststellung? Wollen Sie die Binnenmigration nach Wien reduzieren, indem Sie Sozialanreize kürzen? Nein, haben Sie nicht gemacht. Haben Sie Mindestsicherungen subsidiär Schutzberechtigter gekürzt, um die Binnenmigration von subsidiär Schutzberechtigten zu reduzieren? Haben Sie nicht gemacht. Wollen Sie die Bezahlkarte für Asylwerber, um von Geld- auf Sachleistungen umzustellen? Nein, wollen Sie nicht. Wollen Sie verpflichtende gemeinnützige Arbeit für Asylwerber? Nein, wollen Sie nicht. Wollen Sie die Reduktion der Mindestsicherung für Vielkindfamilien, wie es in anderen Bundesländern der Fall ist? Nein, wollen Sie nicht. Was haben Sie bislang getan, um diese enorme Belastung zu reduzieren, Herr Stadtrat? Nichts. Sie haben gesagt, Wien stemmt das nicht mehr, und danach kam das große Schweigen. Wien stemmt das nicht mehr, und Sie als zuständiger Stadtrat schauen dabei zu! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Haken wir einmal das Thema Migration ab. Sprechen wir über Integration. Ich möchte die positiven Punkte hervorheben: Wir finden, dass das Management der geflüchteten UkrainerInnen gut funktioniert hat. Die Arbeitsmarktintegration könnte besser sein. Da gibt es Modelle in den Bundesländern, wo es besser funktioniert. Aber die Suche nach Schulplätzen, nach Wohnungen wurde gut gemanagt, glauben wir. Ich finde auch, dass die vermehrte Wissenschaftlichkeit zu bemerken ist. Wir werden öfter zu Fachkonferenzen eingeladen. Wir haben den Eindruck, dass Sie sich auch mit schwierigeren Themen auf wissenschaftlicher Basis auseinandersetzen. Das halte ich für eine gute Entwicklung. Ich halte auch dieses „Community Manager“-Projekt für einen guten Ansatz, der wissenschaftlich basiert ist. Das ist eine gute Umsetzung. Wir haben gesehen, wie viel es mehr kostet und wie viel weniger effektiv es ist, wenn das die SPÖ in Form der Volkshilfe macht. Ich glaube, dass Sie das gut im Griff haben und dass das Community-Projekt ein guter Ansatz ist, wie es der Magistrat auf Ihre Initiative macht.

 

Jetzt zur Liste der Versäumnisse. (GR Mag. Josef Taucher: Oh je.) Ich glaube, es gibt wenige Themen, die wichtiger sind für die Zukunft unserer Stadt als das Thema Integration. Klimawandel ist zweifelslos eines, Fragen der Mobilität sind wichtig. Aber die Frage, ob wir die Integration neu zugewanderter Menschen schaffen, entscheidet nicht nur darüber, wie wir heute zusammenleben, sondern auch darüber, wie wir in Zukunft zusammenleben werden. Wie wird das sein? Wird das sein segregiert nach Ethnien, nach liberalen, orthodoxen Muslimen? Wir das sein segregiert nach Privatschule, Privatmedizin und öffentlicher Medizin, nach Wohnbezirk, nach Grätzl, nach Straßenzügen? Wird das sein segregiert nach unterschiedlichen Sprachen und Möglichkeiten der persönlichen Freiheit?

 

Meine Damen und Herren, wenn wir uns den Segregationsbericht des Bundesministeriums anschauen, dann sehen wir bereits, dass es Segregationstendenzen nach Grätzln gibt, und die Grätzl, die einen hohen Ausländeranteil haben, haben bei den Indikatoren schlechte Werte. Das heißt, die Menschen, die dort leben, die Kinder, die dort geboren werden, haben viel schlechtere Chancen. Die Segregationstendenzen gibt es bereits örtlich. Wir haben über die Anzahl der muslimischen Volksschüler gesprochen. Wenn wir uns die Anzahl der muslimischen Mittelschüler anschauen, dann sehen wir eine gewisse Segregation nach dem Bildungsweg: ein Drittel muslimische Volksschüler, die Hälfte muslimische Mittelschüler. Das heißt, sie schlagen nicht die gleichen Bildungskarrieren ein. Wir sehen eine Segregation nach Sprache, ein Drittel

 

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