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Gemeinderat, 56. Sitzung vom 27.06.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 58 von 113

 

Sie meinen, das ist alles absurd? Dann ein kleines Gedankenbeispiel. Stellen Sie sich vor, Herr Föttinger hätte in dem Interview nicht gesagt: „Die Josefstadt ist durch mich relativ rot geworden.“ Sondern er hätte gesagt: „Die Josefstadt ist durch mich relativ blau geworden.“ Das wäre Subventionsharakiri auf offener Bühne gewesen, aber jedenfalls radikaler, mutiger, spannender und origineller. (Heiterkeit bei GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc. - GR Mag. Manfred Juraczka: Das wäre auch nicht so progressiv gewesen!) Es wäre aber origineller gewesen als die drei Veranstaltungen, die ich mir aus dem Programm der Wiener Festwochen herausgepickt habe und auf die ich kurz eingehen möchte.

 

Erstens hat Milo Rau als Theatermacher und Fan des Regietheaters im Sinn gehabt, die Oper zu dekonstruieren. Das ist ihm gelungen. Schade nur für alle Besucher, die erstmals mit dieser wunderbaren Musik von Mozart in Berührung kamen, denn es war zu viel Theater auf der Bühne und zu wenig Fokus auf die Musik. Ich war selbst dort. Beizeiten musste man die Augen schließen, um vor lauter Ablenkung und Getümmel auf der Bühne nicht die Musik zu überhören. Die Tatsache, dass die Oper, die sich um die Milde des Kaisers dreht, ob der Gewaltszenen auf der Bühne für Jugendliche über 18 empfohlen wurde, sagt auch einiges aus.

 

Milo Rau machte also, was er wollte. Er dekonstruierte die Oper als Format, versetzte das mit Gesellschaftskritik und würzte das Ganze mit einer großen Portion „Wir sind die Guten“. Da kann bei seiner Anhängerschaft auch gar nichts schiefgehen. Nur, mutig, radikal und originell ist das sicher nicht. Das ist ein Griff in die Mottenkiste der Alt-68er. (Beifall bei der FPÖ.) Was vor allem ausgeblieben ist, ist der Schrei der Empörung. So gesehen, ist die Rechnung für Milo Rau nicht aufgegangen - und das aus einem einfachen Grund: Der Wein war alt, der Schlauch war auch nicht neu.

 

Modern und radikal wäre es gewesen, wenn die politisch hoch aufgeladenen Kunstveranstaltungen nicht immer nach demselben Muster gestrickt wären. Modern und radikal wäre es, einmal die linken Besucher zu provozieren, auch wenn das bei deren geringer Empörungstoleranz keine allzu große künstlerische Herausforderung gewesen wäre. (Heiterkeit bei GR Mag. Manfred Juraczka und GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc.) Modern und radikal wäre es, einmal politisch unkorrekte Inszenierungen auf die Bühne zu bringen, wie Pippi Langstrumpf oder Winnetou 1 in der Originalversion. (GR Jörg Neumayer, MA: Pippi Langstrumpf ist sehr links! Das ist progressiv! Das ist Kultur!) So weit reichen Milo Rau‘s Radikalität und sein Mut für eine zweite Moderne aber offenbar nicht, zumal er selbst elitär, europäisch und offenkundig männlich ist.

 

Nichts anderes gilt zweitens für „Sancta“. Auch da war die Bereitschaft, sich zu empören, durchaus enden wollend - nicht nur seitens der Kritik der Medien und des Publikums, sondern selbst die Kirche, die ein langjähriges Feindbild der Linken darstellt, gähnte unüberhörbar, obwohl Blut auf der Bühne fließt. Eine Künstlerin lässt sich ein linsengroßes Stück Haut herausschneiden und brät es auf der Bühne. Angesichts der Gräuel, die derzeit auf dieser Welt stattfinden, ist eine Selbstverstümmelung wohl nichts mehr als eine Geschmacklosigkeit. (Beifall bei der FPÖ. - GR Jörg Neumayer, MA: Bitte?) Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ meint dazu: „Auch hier zeigt sich sowohl die künstlerische Bedeutungslosigkeit wie auch die politische Wirkung. Mediale Empörung über Holzinger‘s Performance will nicht aufkommen. Die Katholische Kirche bleibt ruhig.“ Also auch da ist die Rechnung nicht aufgegangen. (GR Jörg Neumayer, MA: Großartig! - GR Mag. Dietbert Kowarik - Daumen und Zeigefinger der rechten Hand gegeneinander reibend: Für ihn schon!) Mit der Empörung war es aber nicht so weit.

 

Drittens die „Wiener Prozesse“: Ein Klamauk, der ganz Österreich vor das Tribunal der Republik zitiert und doch nur eine Verhöhnung der Opfer von Schauprozessen ist. Anstatt den Schauprozess als Klimax einer politischen Justiz zu brandmarken, inszenierte man selbst einen - bezeichnenderweise gegen die FPÖ.

 

Wahre Demokratie, meine Damen und Herren, ist ohne Pluralismus nicht zu haben. Demokratie ohne Pluralismus ist ein Konzept der kommunistischen Volksdemokratie. Was Sie (in Richtung SPÖ) bewegt, wenn Sie die FPÖ als demokratiefeindliche Kraft verunglimpfen (GR Jörg Neumayer, MA: Das ist nachweisbar!), ist nicht die Sorge um die Demokratie, sondern die Angst vor Ihrer Abwahl. - Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist GR Weber. Ich erteile es ihm. Die gewählte Redezeit beträgt zwölf Minuten. Bitte.

 

15.13.10

GR Thomas Weber (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Gäste! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Liebe Veronika! Liebe Kunst- und Kulturschaffende! Liebes Publikum unserer wunderbar diversen Kunst- und Kulturszene! (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Was ist da divers?)

 

Rechnungsabschlussdebatten sind ja immer eine gute Gelegenheit, ein bisschen Bilanz zu ziehen, ein Resümee zu ziehen, in den Debatten des politischen Alltags innezuhalten und kurz darüber nachzudenken: Was ist gelungen? Was ist weniger gut gelungen? Für mich sind Rechnungsabschlussdebatten aber immer auch eine schöne Übung, mir selber bewusst zu werden, welch unglaubliches Privileg es ist, politisch tätig sein zu dürfen, und mit welch großer Freude und mit wie viel Vertrauen man dabei ausgestattet ist. Das ist etwas, was uns in den täglichen Auseinandersetzungen hier oder in unserem täglichen Job vielleicht nicht so bewusst ist und was wir öfters verlieren. Ich erinnere mich aber jedes Mal, wenn ich beim Rechnungsabschluss oder beim Budget hier stehe, dass es etwas Schönes ist, mit so einer Verantwortung ausgestattet zu sein und Politik machen zu dürfen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

 

Ich möchte aber so wie jedes Jahr den Rechnungsabschluss auch zum Anlass nehmen, Danke zu sagen - in dem Fall den Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtratsbüro, den Kolleginnen und Kollegen der MA 7, der MA 8, der MA 9 und den Museen der Stadt Wien - nicht nur für den Beitrag für Kunst und Kultur. Der Beitrag für Kunst

 

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