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Landtag, 6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 64

 

Außer Sie stimmen heute dem von uns eingebrachten Antrag zu, dass sich der zuständige amtsführende Stadtrat der Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke als Eigentümervertreter deutlich gegen eine Tariferhöhung bei den WIENER LINIEN ausspricht.

 

Des Weiteren möge eine Machbarkeitsstudie insbesondere über die Auswirkungen von Tariferhöhungen beziehungsweise Tarifreduktionen in Auftrag gegeben werden, wie der im Verkehrskonzept angestrebte Modal Split von 45 Prozent für den öffentlichen Verkehr tatsächlich erreicht werden kann.

 

Es ist, nämlich wenn ich Lhptm Häupl ernst nehme, und er hat viel auch über makroökonomische Theorien gesprochen, nicht nachvollziehbar. Da gibt es, glaube ich, keine einzige Gedankenrichtung im Bereich der Volkswirtschaft und der Makroökonomie - jetzt kenne ich nicht alle, aber alle wesentlichen -, die davon ausgeht, dass, wenn etwas teurer wird, mehr Menschen das in Anspruch nehmen können. Es gibt da eine Ausnahme in der Geschichte, das ist diese Frage des Brotpreises. Warum, wenn der Brotpreis teurer wird, tatsächlich mehr Menschen Brot kaufen. Ja, das ist die Angst vor Hamsterkäufen, und er könnte noch viel weiter steigen.

 

Aber bei öffentlichen Verkehrsmitteln und in einer Situation ohne Not, ist nicht davon auszugehen, dass, wenn die Tarife erhöht werden, tatsächlich mehr Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen werden, sondern es werden weniger sein. Ich hoffe, soweit können mir auch alle, die nicht über eine volkswirtschaftliche, mathematische, wie auch immer, Vorbildung verfügen, folgen. Das ist auch nicht sehr schwer: Wenn etwas teurer wird, wollen es weniger Personen.

 

Gleichzeitig ist aber festgeschrieben im Verkehrskonzept, wir streben den Modal Split von 45 Prozent an. Es steht auch im öffentlichen Personennahverkehr, dass angestrebt wird, dass mehr Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.

 

Ja, wenn jetzt schon so eine einfache volkswirtschaftliche Rechnung zeigt, dass man genau das Gegenteilige erreicht, wieso tun Sie es dann? Sind bei Ihnen wirklich auch wieder nur rein die betriebswirtschaftlichen Kriterien im Vordergrund?

 

Und da, glaube ich, ist es schon die Verantwortung der Stadt, insbesondere in Zeiten - und wir haben das heute schon gehört - von hoher Arbeitslosigkeit, hoher Inflationsrate, höchster Steuer- und Abgabenquote, dass die Stadt Wien tatsächlich zu gegensteuern beginnt und nicht an der Inflationsschraube weiterdreht, indem in Wien eine Gebührenlawine auf uns zurollt. Mir hat ja auch das Beispiel, das Kollege Gerstl eingebracht hat, nicht so schlecht gefallen.

 

Das ist eine falsche Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es ist auch insofern falsch, weil es die Alternativmöglichkeiten, die es tatsächlich gäbe, nicht berücksichtigt. Denn in derselben Aussendung, wo StR Rieder sagt, ja, wir können uns höchstwahrscheinlich eine Tariferhöhung auf 1,50 EUR vorstellen, steht drinnen: Aber selbstverständlich werden die Abschleppgebühren nicht erhöht. Jetzt frage ich Sie: Werden die Gebühren fürs Schwarzfahren auch nicht erhöht? - Weil entweder man sagt, es gibt Verwaltungsübertretungen, und Verwaltungsübertretungen gehören subventioniert und dürfen überhaupt nie teurer werden. Jetzt ist es so: Suchen wir uns bei den Abschleppgebühren, die nicht annähernd kostendeckend sind, denselben Kostendeckungsgrad fürs Schwarzfahren heraus. Dann kommt man möglicherweise sogar darauf, dass Schwarzfahren billiger wäre, als sich einen Fahrschein zu kaufen. Aber so weit wollen Sie denn doch nicht gehen. Sie wollen lieber auf Kosten der Benutzer und Benutzerinnen des öffentlichen Verkehrs das Abschleppwesen in Wien weiterhin subventionieren. Das ist schlichtweg unsozial. Das müssen Sie sich von uns gefallen lassen, und da hat absolut nichts die Bundesregierung damit zu tun, dass Sie das in dieser Art und Weise erledigen und nicht in einer anderen Art und Weise.

 

Es ist, wenn wir uns insgesamt die Diskussion ins Gedächtnis rufen, die in den letzten Wochen und Monaten auch auf Bundesebene stattgefunden hat über Sozialleistungen, Abbau von Sozialleistungen, Sozialstaat, schon so, dass ich eine Bemerkung vom Vormittag ein bissel relativieren muss. SPÖ, ÖVP und FPÖ sind in der Wirtschaftspolitik nicht ein und dasselbe. Ich muss das nämlich wirklich leicht abschwächen. Während möglicherweise die große Koalition den Sozialabbau tatsächlich unter Druck der leeren Kassen betrieben hat, etwas Besseres ist ihr nicht eingefallen und der Lobbyismus der Unternehmen war halt zu dem Zeitpunkt erheblich stärker als der Lobbyismus der Gewerkschaften, ist durch die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen schon ein wesentlicher Zug noch dazugekommen, den ich den Wiener Sozialdemokraten oder auch den Sozialdemokraten allgemein nicht unterstellen will. Weil die Freiheitlichen machen das nicht nur auf Grund der leeren Kassen. Die Freiheitlichen wollen den Sozialstaat zerschlagen. Das ist der große Unterschied. Sie wollen den Sozialstaat zerschlagen, an allen wesentlichen Schaltstellen der Macht sitzen und versuchen, möglichst lange an der Macht zu bleiben. Ganz klar der Weg in die Zweidrittelgesellschaft. Die zwei Drittel, denen es gut geht, die werden immer die Mehrheit stellen, gegenüber dem einen Drittel, dem es schlecht geht. Und das ist der gravierende Unterschied.

 

Und in diesem Sinne hoffe ich, dass, wenn ich mir heute die Rede von Lhptm Häupl angehört habe und auch Teile der Rede vom Landtagsabgeordneten Hufnagl, es nicht nur bei der Theorie bleibt, sondern dass es längerfristig tatsächlich einmal dazu kommt, dass das, was theoretisch Ihrerseits recht gut klingt, auch zumindest ansatzweise in die Praxis umgesetzt wird.

 

Wenn ich auf das Interview von Herrn Lhptm Häupl in der "Presse" kurz zurückkommen darf, bin ich mir ja nicht mehr ganz so sicher, wie das wirklich gemeint ist. Wenn da wortwörtlich drinsteht, "zur Senkung der Lohnnebenkosten hätte man die Arbeitslosenversicherung kürzen können, statt das Budget auszuräumen", dann frage ich mich: Was hat den Kollegen Landeshauptmann da geritten?

 

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