Landtag,
6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll
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Außer Sie stimmen heute dem von uns eingebrachten Antrag zu,
dass sich der zuständige amtsführende Stadtrat der Geschäftsgruppe Finanzen,
Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke als Eigentümervertreter deutlich gegen
eine Tariferhöhung bei den WIENER LINIEN ausspricht.
Des Weiteren möge eine Machbarkeitsstudie
insbesondere über die Auswirkungen von Tariferhöhungen beziehungsweise
Tarifreduktionen in Auftrag gegeben werden, wie der im Verkehrskonzept
angestrebte Modal Split von 45 Prozent für den öffentlichen Verkehr
tatsächlich erreicht werden kann.
Es ist, nämlich wenn ich Lhptm Häupl ernst nehme, und
er hat viel auch über makroökonomische Theorien gesprochen, nicht
nachvollziehbar. Da gibt es, glaube ich, keine einzige Gedankenrichtung im
Bereich der Volkswirtschaft und der Makroökonomie - jetzt kenne ich nicht alle,
aber alle wesentlichen -, die davon ausgeht, dass, wenn etwas teurer wird, mehr
Menschen das in Anspruch nehmen können. Es gibt da eine Ausnahme in der
Geschichte, das ist diese Frage des Brotpreises. Warum, wenn der Brotpreis
teurer wird, tatsächlich mehr Menschen Brot kaufen. Ja, das ist die Angst vor
Hamsterkäufen, und er könnte noch viel weiter steigen.
Aber bei öffentlichen Verkehrsmitteln und in einer
Situation ohne Not, ist nicht davon auszugehen, dass, wenn die Tarife erhöht
werden, tatsächlich mehr Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen
werden, sondern es werden weniger sein. Ich hoffe, soweit können mir auch alle,
die nicht über eine volkswirtschaftliche, mathematische, wie auch immer,
Vorbildung verfügen, folgen. Das ist auch nicht sehr schwer: Wenn etwas teurer
wird, wollen es weniger Personen.
Gleichzeitig ist aber festgeschrieben im
Verkehrskonzept, wir streben den Modal Split von 45 Prozent an. Es steht
auch im öffentlichen Personennahverkehr, dass angestrebt wird, dass mehr
Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.
Ja, wenn jetzt schon so eine einfache
volkswirtschaftliche Rechnung zeigt, dass man genau das Gegenteilige erreicht,
wieso tun Sie es dann? Sind bei Ihnen wirklich auch wieder nur rein die
betriebswirtschaftlichen Kriterien im Vordergrund?
Und da, glaube ich, ist es schon die Verantwortung
der Stadt, insbesondere in Zeiten - und wir haben das heute schon gehört - von
hoher Arbeitslosigkeit, hoher Inflationsrate, höchster Steuer- und
Abgabenquote, dass die Stadt Wien tatsächlich zu gegensteuern beginnt und nicht
an der Inflationsschraube weiterdreht, indem in Wien eine Gebührenlawine auf
uns zurollt. Mir hat ja auch das Beispiel, das Kollege Gerstl eingebracht hat,
nicht so schlecht gefallen.
Das ist eine falsche Politik, meine sehr geehrten
Damen und Herren. Es ist auch insofern falsch, weil es die
Alternativmöglichkeiten, die es tatsächlich gäbe, nicht berücksichtigt. Denn in
derselben Aussendung, wo StR Rieder sagt, ja, wir können uns
höchstwahrscheinlich eine Tariferhöhung auf 1,50 EUR vorstellen, steht
drinnen: Aber selbstverständlich werden die Abschleppgebühren nicht erhöht.
Jetzt frage ich Sie: Werden die Gebühren fürs Schwarzfahren auch nicht erhöht?
- Weil entweder man sagt, es gibt Verwaltungsübertretungen, und
Verwaltungsübertretungen gehören subventioniert und dürfen überhaupt nie teurer
werden. Jetzt ist es so: Suchen wir uns bei den Abschleppgebühren, die nicht
annähernd kostendeckend sind, denselben Kostendeckungsgrad fürs Schwarzfahren
heraus. Dann kommt man möglicherweise sogar darauf, dass Schwarzfahren billiger
wäre, als sich einen Fahrschein zu kaufen. Aber so weit wollen Sie denn doch
nicht gehen. Sie wollen lieber auf Kosten der Benutzer und Benutzerinnen des
öffentlichen Verkehrs das Abschleppwesen in Wien weiterhin subventionieren. Das
ist schlichtweg unsozial. Das müssen Sie sich von uns gefallen lassen, und da
hat absolut nichts die Bundesregierung damit zu tun, dass Sie das in dieser Art
und Weise erledigen und nicht in einer anderen Art und Weise.
Es ist, wenn wir uns insgesamt die Diskussion ins
Gedächtnis rufen, die in den letzten Wochen und Monaten auch auf Bundesebene
stattgefunden hat über Sozialleistungen, Abbau von Sozialleistungen,
Sozialstaat, schon so, dass ich eine Bemerkung vom Vormittag ein bissel
relativieren muss. SPÖ, ÖVP und FPÖ sind in der Wirtschaftspolitik nicht ein
und dasselbe. Ich muss das nämlich wirklich leicht abschwächen. Während
möglicherweise die große Koalition den Sozialabbau tatsächlich unter Druck der
leeren Kassen betrieben hat, etwas Besseres ist ihr nicht eingefallen und der
Lobbyismus der Unternehmen war halt zu dem Zeitpunkt erheblich stärker als der
Lobbyismus der Gewerkschaften, ist durch die Regierungsbeteiligung der
Freiheitlichen schon ein wesentlicher Zug noch dazugekommen, den ich den Wiener
Sozialdemokraten oder auch den Sozialdemokraten allgemein nicht unterstellen
will. Weil die Freiheitlichen machen das nicht nur auf Grund der leeren Kassen.
Die Freiheitlichen wollen den Sozialstaat zerschlagen. Das ist der große
Unterschied. Sie wollen den Sozialstaat zerschlagen, an allen wesentlichen
Schaltstellen der Macht sitzen und versuchen, möglichst lange an der Macht zu
bleiben. Ganz klar der Weg in die Zweidrittelgesellschaft. Die zwei Drittel,
denen es gut geht, die werden immer die Mehrheit stellen, gegenüber dem einen
Drittel, dem es schlecht geht. Und das ist der gravierende Unterschied.
Und in diesem Sinne hoffe ich, dass, wenn ich mir
heute die Rede von Lhptm Häupl angehört habe und auch Teile der Rede vom
Landtagsabgeordneten Hufnagl, es nicht nur bei der Theorie bleibt, sondern dass
es längerfristig tatsächlich einmal dazu kommt, dass das, was theoretisch
Ihrerseits recht gut klingt, auch zumindest ansatzweise in die Praxis umgesetzt
wird.
Wenn ich auf das Interview von Herrn Lhptm Häupl in der
"Presse" kurz zurückkommen darf, bin ich mir ja nicht mehr ganz so
sicher, wie das wirklich gemeint ist. Wenn da wortwörtlich drinsteht, "zur
Senkung der Lohnnebenkosten hätte man die Arbeitslosenversicherung kürzen
können, statt das Budget auszuräumen", dann frage ich mich: Was hat den
Kollegen Landeshauptmann da geritten?
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