Landtag,
7. Sitzung vom 28.02.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 53
stadt
Wien): Herr Präsident! Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Frau Abg Jersualem, Sie haben einen Antrag angekündigt.
Wir werden ihn prüfen, aber grundsätzlich kann ich für meine Fraktion sagen,
dass wir diesem Anliegen durchaus positiv gegenüberstehen.
Frau Abgeordnete, Sie haben heute den Kinder- und Jugendanwälten
sehr viele Rosen gestreut. Ich muss sagen, bei mir fielen die Rosenknospen, bei
mir bleiben eigentlich nur Dornen übrig. Ich werde Ihnen das auch begründen.
Ich erwarte von den Damen und Herren Jugendanwälten, dass sie parteilich für
Kinder agieren, dass sie aber nicht parteipolitisch motiviert sind! (Beifall bei der ÖVP und bei der FPÖ.)
Meine Dame, mein Herr Jugendanwalt, wie ein roter
Faden zieht sich Ihr ideologisches Denkmuster durch Ihre Gesetzesbegutachtungen.
In erster Linie sind es Gesetzesbegutachtungen und Presseaussendungen, die
Ihren Bericht zieren. Ich war jahrelang Volksanwältin und weiß, dass
Gesetzesbegutachtungen gemacht werden müssen. Ich halte auch Kritik für sehr
wichtig und notwendig, aber so, wie Sie das tun, dass Sie nicht die Kinder in
den Vordergrund Ihrer Überlegungen stellen, sondern tatsächlich andere
Überlegungen, das ist etwas, was meine Fraktion nicht zur Kenntnis nimmt! (Beifall bei der ÖVP und bei der FPÖ.)
Sie müssten nämlich Lobbyisten für unsere Jugend sein
und da hätten Sie eine ganz besonders verantwortungsvolle Aufgabe. Sie tun es
aber nicht. Ich bringe Ihnen einige Beispiele:
Ich fange an mit dem Kinderbetreuungsgeld. Dieses
Gesetz lehnen Sie sehr ab. Ich zitiere: "Für die Situation von Kindern und
Jugendlichen kann es katastrophal sein, wenn der Kündigungsschutz, wie im
Gesetzesentwurf geplant, nicht während der gesamten Anspruchszeit
besteht." - Halten Sie Eltern für unmündige Bürger? 30 bis 36 Monate
Karenzzeit an Stelle von 18 bis 24 Monaten, Kündigungsschutz von
24 Monaten statt 18 Monaten oder 30 Monate, vorher
24 Monate, also auf jeden Fall ein halbes Jahr höher. Ist das schlecht für
die Kinder? Das ist etwas, was Sie ablehnen? 9 Milliarden S oder
650 Millionen EUR mehr Geld für Familien, in der Endphase
16 Milliarden S. Ist das schlecht für die Kinder und Jugendlichen? -
Nein, es ist gut für Kinder und für Familien! (Beifall bei der ÖVP und des Abg Heinz Christian Strache.)
Sie finden es zum Beispiel auch böse, wenn Studentinnen,
Hausfrauen, Bäuerinnen, Selbständige, die bis jetzt kein Karenzgeld oder nur
Teilkarenzgeld gehabt haben, das jetzt bekommen. Sind diese Kinder Kinder
zweiter Klasse? - Für uns, für die Österreichische Volkspartei, meine Damen und
Herren, stand und steht immer das Kind im Mittelpunkt, für Sie offenbar nicht! (Beifall bei der ÖVP.)
Dasselbe gilt für die Wahlfreiheit.
200 000 S oder 15 000 EUR Zuverdienst halten Sie für
falsch. Vorher waren es 3 000 EUR. Das bedeutet eben mehr Vereinbarkeit
von Beruf und Familie. Das bedeutet, dass es auch jungen Vätern leichter fallen
wird, Kinderbetreuung zu übernehmen. Ich frage Sie: Was ist daran schlecht?
Prof Zulehner - ich glaube, das habe ich hier schon
einmal erwähnt - hat es auf den Punkt gebracht, als er gemeint hat: "Die
heutige Gesellschaft leidet nicht an einer Übermütterung, aber sie leidet an
einer Unterväterung." - Auch dafür ist das Kinderbetreuungsgeld ein
Schritt in die richtige Richtung! (Beifall
bei der ÖVP.)
Mit diesem Vorschlag haben junge Familien mehr
Freiheit zum Wohl ihrer Kinder. Sie machen einen Gegenvorschlag. Ihr Modell ist
ein Basiseinkommen von 4 000 S für jedes Kind ab Geburt. Bis zum
14. Lebensjahr dürfen das die Eltern verwalten, aber natürlich muss man
darüber ganz genau Buch führen. Ab dem 14. Lebensjahr könnten Jugendliche
selbst über diese 4 000 S verfügen. Als Finanzierung schlagen Sie
Familienbeihilfe und Steuerabsetzbeträge vor. Meine Damen und Herren, das ist
nicht unser Modell und wir sind überzeugt, dass das auch nicht zum Wohle der
Kinder und deren Familien ist! (Beifall
bei der ÖVP.)
Nächster Bereich: Kindschaftsrechtsänderungsgesetz,
gemeinsame Obsorge. Sie sind gegen gemeinsame Obsorge.
Meine Damen und Herren! Kinder lieben ihre Eltern.
Kinder brauchen eine gedeihliche Entwicklung und dafür brauchen sie beide
Elternteile. Sie brauchen ihre Liebe, sie brauchen ihre Obsorge, auch nach
einer Scheidung, dann vielleicht ganz besonders. Daraus leitet sich ab, dass
Kinder ein Recht auf eine kontinuierliche Beziehung zu beiden Elternteilen auch
nach einer Scheidung haben sollen. Österreich war bis zu dieser Novellierung
wirklich das Schlusslicht, das einzige Land in der EU, das nach der Scheidung
eine Alleinzuteilung der Elternrechte vornimmt.
Offenbar wollen Sie, meine Dame und mein Herr Jugendanwalt,
dass das Verantwortungsgefühl beider Eltern oder des Elternteils, wo das Kind
nicht wohnt, mit der Scheidung endet. Wir wollen das nicht! (Beifall bei der ÖVP.)
Wir haben pro Jahr ungefähr 20 000 Scheidungen.
Es sind 17 000 Kinder davon betroffen. Das sind 17 000 Schicksale.
Was können Kinder dafür, wenn die Eltern sich nicht mehr verstehen? - Es ist
intensiv parlamentarisch beraten worden, es hat ein zweitägiges Expertenhearing
gegeben und letztendlich hat der Gesetzgeber ein Angebot gemacht, dass jene
Sorgeregelung - eigentlich etwas ganz Selbstverständliches -, die während
aufrechter Ehe besteht, auch für die geschiedenen Eltern beziehungsweise für
die Familie nach der Scheidung gilt. Glauben Sie mir, gerade als Volksanwältin
bin ich mit sehr vielen Scheidungsschicksalen konfrontiert worden und weiß,
wovon ich rede. Ich weiß, wie wichtig die gemeinsame Obsorge ist. Wenn ein
Elternteil mit dieser Regelung unzufrieden ist oder an einer Konfliktlösung
überhaupt nicht interessiert ist, kann das Gericht angerufen werden. Aber wir
wissen aus internationalen Beispielen, dass das ganz selten der Fall ist. In
Deutschland sind es 5 Prozent.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, meine Damen und Herren,
dass dieses Modell die Belastungen der Kinder
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