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Landtag, 9. Sitzung vom 27.06.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 49

 

Was sagen Sie zu dieser Möglichkeit des Ausschlusses einer Wählerliste, die damit komplett aus allen hoheitlichen Rechten ausgeschlossen ist? (Abg Mag Christoph Chorherr: Also so etwas Scheinheiliges habe ich schon lange nicht erlebt! - Weitere Zwischenrufe bei den GRÜNEN.) - Denken Sie nach!

 

Präsident Johann Hatzl: Frau Stadträtin.

 

Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Ich sehe überhaupt kein Problem darin, dass man von allen verlangt, sich an österreichische Gesetze zu halten. Die österreichischen Gesetze, in diesem Fall die Verfassung, sehen diese Regelung vor, und alle haben sich daran zu halten - Punkt. So ist das bei uns und dazu bekenne ich mich.

 

Ich kann Ihnen aber in der Praxis diese Sorge nehmen. Denn es ist nicht so - wie hier manchmal getan wird -, dass Wien mutterseelenallein auf weiter Flur daran denkt, ein Wahlrecht für Drittstaatsangehörige nach einer gewissen Aufenthaltsdauer einzuführen, sondern es gibt dafür viele, viele internationale Beispiele. Bei diesen Beispielen gibt es viele Dinge, die wir daraus lernen können, und das soll man sich sehr genau anschauen.

 

Ich kann Ihnen sagen, es hat noch kein einziges Mal eine ethnisch orientierte Liste gegeben, sondern es war so, wie wir es auch erwarten und wie ich es - das sage ich auch persönlich ganz offen - für richtig halte, dass ZuwanderInnen entsprechend ihrer politischen Meinung auf politischen Listen kandidieren. Das finde ich persönlich auch gut so. Denn wir gehen davon aus, dass wir alle Mitbürger und Mitbürgerinnen sind, und wir orientieren uns nach politisch unterschiedlichen Meinungen. Das ist gut so, und das gilt ganz genauso für Drittstaatsangehörige. Das zeigen auch alle internationalen Beispiele. (Abg Gerhard Pfeiffer: Was ist jetzt mit den Gemeindewohnungen?)

 

Präsident Johann Hatzl: Dritte Zusatzfrage: Frau Abg Sommer-Smolik.

 

Abg Claudia Sommer-Smolik (Grüner Klub im Rathaus): Frau Stadträtin!

 

Auf die Argumentation der FPÖ möchte ich eigentlich nicht näher eingehen.

 

Sie haben vorhin, in der ersten Runde, von der neuen Heimat gesprochen. In unseren Augen geht es nicht wirklich um die neue Heimat, um die Frage der neuen Heimat, sondern um die Weiterentwicklung eines demokratischen Systems, das modernen Einwanderungsgesellschaften entspricht. Ein Mensch mit einer Niederlassungsbewilligung hat ein Recht, hier zu Hause zu sein, egal, wie lange er diese besitzt. Alle anderen wären ja Touristen und für diese ist kein Wahlrecht vorgesehen. (Abg Gerhard Pfeiffer: ... eine Wohnungsbeihilfe hat!)

 

Wenn wir Ihren neuen Heimatbegriff hernehmen: Können Sie mir erklären, wieso dann der Aufenthalt ununterbrochen fünf Jahre dauern muss? - Als Beispiel: Es lebt ein Drittstaatsangehöriger acht Jahre in Wien, hat hier seinen Hauptwohnsitz, geht dann für ein bis eineinhalb Jahre beispielsweise nach Salzburg, Linz, Tulln oder Klosterneuburg, hat dort seinen Hauptwohnsitz, und kommt wieder retour, weil er ja hier in Wien sein Zuhause hat. Dann beginnt die Zeit wieder neu zu laufen. In Ihren Augen ist er dann nicht mehr hier zu Hause. Oder wie ist das jetzt? (Abg Gerhard Pfeiffer: Man kann auch schon im Ausland ...!)

 

Präsident Johann Hatzl: Frau Stadträtin.

 

Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Ich denke, Gesetze müssen praxisnahe sein, und Gesetze müssen so sein, dass sie auch vollziehbar sind. Ich glaube, ehrlich gesagt - und würde bitten, das in der grünen Fraktion zu diskutieren -, dass wir der - so glaube ich trotz alledem doch - gemeinsamen Sache nichts Gutes tun, wenn wir jetzt anfangen, an den Haaren Dinge herbeizuziehen, die passieren können, und damit eine Regelung, die ich als Quantensprung in der demokratischen Entwicklung bezeichnen würde, zerreden.

 

Ich darf Ihnen auch begründen, warum ich das so sehe: weil ich hier Aufregung in der ersten und vierten Reihe sehe. Genauso könnte ich jetzt argumentieren, dass man die Stichtagsregelung abschaffen muss. Denn die Stichtagsregelung kann dazu führen, dass ein Wiener, der ewig hier gelebt hat und sonst die ganze Zeit da ist, sich ausgerechnet in der Woche mit dem Stichtag überlegt, dass er nach London studieren geht, und sich abgemeldet, sodass er am Stichtag nicht angemeldet ist. (Abg Gerhard Pfeiffer: Aber nicht jetzt mit der Gemeindewohnung!) Deswegen müsste man dann die Stichtagsregelung abschaffen, weil es den Fall geben kann, dass einer gerade zu diesem Zeitpunkt nicht in Wien gemeldet ist. (Zwischenrufe bei den GRÜNEN.)

 

Ich habe dieses absurde Beispiel genannt, weil ich damit zum Ausdruck bringen möchte, dass man bei allen Regelungen Fälle konstruieren kann, sodass man dann sagen kann: Warum darf der nicht, warum darf der schon?

 

Die Grundidee ist, dass Menschen, die hier eine gewisse Zeit lang gelebt haben, sich in diese Gesellschaft einfügen und mitbestimmen können und dass sie hier deswegen einen gewissen Aufenthalt haben. Wir müssen dieses Gesetz praxisnahe gestalten, und wir müssen dieses Gesetz so gestalten, dass es nachvollziehbar ist. Deswegen denke ich an eine Regelung, wie sie in vielen, vielen anderen Bereichen auch vorhanden ist: dass die Voraussetzung für die Inanspruchnahme irgendeiner Leistung - in diesem Fall eines demokratischen Rechts - eine gewisse Frist ununterbrochenen Aufenthalts ist. Das ist nichts Ungewöhnliches, das ist nichts Neues, das gibt es in vielen anderen Fällen auch. Ich glaube, dass das ein guter Weg ist, um ein Gesetz oder eine Regelung zu machen, die inhaltlich einen großen Fortschritt bedeutet.

 

Präsident Johann Hatzl: Vierte Zusatzfrage: Herr Abg Tschirf.

 

Abg Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Frau Stadträtin!

 

Uns geht es darum, verfassungskonforme Landesverfassungsgesetze oder Landesgesetze zu schaffen. Das gilt auch für die Wahlordnung. Wir hätten es daher lieber gehabt, dass tatsächlich ein Hearing stattgefunden hätte. Sie wissen genau, es gibt viele andere, sehr renommierte Verfassungsrechtler - ich nenne jetzt beispielsweise Prof Schäfer -, die in überwiegender Zahl anderer Ansicht als Prof Mayer sind.

 

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