Landtag,
18. Sitzung vom 18.12.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 42
Vom Wiener Behinderten-Gleichstellungsgesetz, das auch von
Ihnen angeführt wurde, ist weit und breit nichts zu sehen. (Abg Erika
Stubenvoll: Da warten wir auf das Bundes-Gleichstellungsgesetz!) Da soll
man nicht immer warten. Wissen Sie, Frau Präsidentin, man kann auch Vorreiter
sein. Gerade Wien hätte schon die Aufgabe, hier eine Vorreiterfunktion
innezuhaben. (Beifall bei der ÖVP.)
Aber nun, meine Damen und Herren, zum negativen Höhepunkt
der Wiener Behindertenpolitik im Europäischen Jahr der Behinderten, das durch
Ihr Verhalten, das Verhalten der Mehrheitsfraktion, zum Negativjahr gemacht
wurde! Die Behindertenorganisationen erhalten jährlich eine Aufwertung, die
sich in der Vergangenheit in etwa mit der Erhöhung der Gemeindebediensteten
getroffen hat. Was war 2003 der Fall?
Im Jahr 2003 hat man zunächst acht Monate lang
überhaupt nicht über die Finanzierung gesprochen. Fünf Briefe wurden von den
Trägerorganisationen geschrieben, geantwortet hat man nicht. Am 10. 11.
kam ein telefonischer Anruf: Erhöhung der Tagessätze ab 1. 9. - nicht ab
1. 1., sondern ab 1. 9.! - um 1 Prozent, mit
1. 1. 2004 um 1,6 Prozent. Was heißt das konkret? - Die öffentliche
Hand billigt der Betreuung von behinderten Menschen im Nachhinein nur
0,33 Prozent zu. Ich erinnere daran, dass die Gemeindebediensteten mit
1. 1. eine Erhöhung von 2,1 Prozent erhalten haben; wenn man die
Biennalsprünge dazurechnet, kommt man auf ungefähr 3 Prozent. 3 Prozent
zu 0,33 Prozent - das ist die Behindertenpolitik in Wien! (Beifall bei
der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Die Verlierer dieser
skandalösen Vorgangsweise sind natürlich die Behindertenorganisationen und ihre
Mitarbeiter, von denen mit sehr viel Engagement, sehr viel ehrenamtlichem
Engagement gute Arbeit geleistet wird. Aber vor allem wären von so einer
Regelung die behinderten Bürgerinnen und Bürger und deren Angehörige betroffen.
Würde man nämlich dabei bleiben, dann hätte dies natürlich eine Auswirkung auf
das Zeitmanagement und auf die Betreuungsqualität.
Es wurde ein Brief an Bgm Häupl geschrieben und ein
Gegenvorschlag gemacht. Abgelehnt! Das ist die soziale Kälte in Wien, und da
zeigen Sie wieder einmal - (in Richtung Abg Kurt Wagner:) auch wenn Sie
den Kopf schütteln, Herr Kollege Wagner - Ihr wahres Gesicht! (Beifall bei
der ÖVP.)
Man sieht es ja auch, wenn man sich das Budget
anschaut. Sehen Sie sich den Rechnungsabschluss 2002 an: Da haben wir
140 Millionen EUR für Behindertenarbeit ausgegeben. Im Budget 2004,
zwei Jahre später, haben Sie nur 135 Millionen, also um 5 Millionen
weniger, dafür vorgesehen. Das ist auch eine Tatsache, die Sie nicht leugnen
können. Ich nehme an, Sie haben das Budget genauso wie ich genau gelesen. Das
sind eben Fakten.
Dass bei den Freizeitdiensten überhaupt halbiert
wurde, ist auch etwas, was Sie nicht abstreiten können. (Abg Erika
Stubenvoll: Das stimmt ja nicht! ... hauptsächlich angestiegen!) Dabei sind
die Fahrtendienste überhaupt ein ungelöstes Problem. Bitte, seit einem Jahr sind
sie ohne Verträge, Frau Präsidentin, das wissen Sie auch. (Beifall bei der
ÖVP. - Zwischenruf des Abg Kurt Wagner.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die
Interessengemeinschaft der Behinderten hat im Frühjahr mit Frau Vbgmin Laska
ein Gespräch gehabt. Die Frau Vizebürgermeisterin hat sich quasi verabschiedet
und hat gemeint, die Agenden gehen zu Frau Dr Pittermann. Ein Gespräch mit Frau
Dr Pittermann hat es nicht gegeben, weil Frau Dr Pittermann gemeint hat, sie
sei dafür nicht zuständig. Da hat sich die Interessengemeinschaft gedacht: Dann
gehe ich natürlich eine Instanz weiter, dann gehe ich zum Bürgermeister; wir
wollen wissen, wie es weitergeht, so viel ist im Umbruch!
Was
ist passiert? - Eineinhalb Monate lang wurde der Brief nicht beantwortet. Dann
hat der Herr Bürgermeister einen Brief schreiben lassen, in dem er sich für die
Mitarbeit bedankt. Gespräch hat es keines gegeben. Meine Damen und Herren, da
hat man schon den Eindruck, diese Menschen, die tatsächlich Idealisten sind,
werden von Ihnen nicht wirklich ernst genommen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine
Damen und Herren! Das Jahr 2003 ist das Jahr der Behinderten und nicht das Jahr
der Behinderung! Ich habe den Eindruck, dass das vielleicht gerade die
Mehrheitspartei missverstanden haben könnte. Herr Bürgermeister - wie immer
nicht da -, Sie sind gefordert! Lassen Sie nicht nur nette Briefe schreiben,
sondern setzen Sie auch Taten!
Die
Oppositionsparteien werden morgen beim Tagesordnungspunkt 42 einen
Abänderungsantrag einbringen. Meine Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion!
Mit Ihrer Zustimmung zu diesem Abänderungsantrag können Sie morgen beweisen,
dass Ihnen die Anliegen der Behinderten und die Gerechtigkeit tatsächlich von
Bedeutung sind. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident
Johann Hatzl: Als nächste Rednerin hat sich Frau StRin Mag
Vassilakou gemeldet. Sie hat das Wort.
StRin
Mag Maria Vassilakou: Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte
Damen und Herren!
Menschen, die mit behinderten Menschen arbeiten, sie betreuen,
sie begleiten und unterstützen, werden durch eines ausgezeichnet: Geduld, sehr,
sehr viel Geduld! Wer in diesem Bereich arbeitet, muss Geduld haben, muss einen
langen Atem haben und muss einiges ertragen können. Denn weiß Gott, auf diesem
Gebiet sind Fortschritte oft sehr mühsam und erst sehr, sehr langsam zu
ersehen.
(In Richtung SPÖ:) Daher ist es für mich umso
erstaunlicher, dass Sie es gerade in diesem Jahr, in diesem EU-Jahr der
Menschen mit Behinderungen, geschafft haben, den Behindertenorganisationen, den
Trägerorganisationen, den Betreuungsorganisationen den Kragen zum Platzen zu
bringen. Sie haben es geschafft, und jetzt hören Sie nicht einmal zu! Die
Hälfte Ihrer Fraktion ist nicht anwesend, und im Übrigen ist auch die angeblich
zuständige Sozialstadträtin, Frau Grete Laska, nicht anwesend.
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular