Landtag,
20. Sitzung vom 04.03.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 56
Kinder- und Jugendpflege und für die Schulen der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege nicht besetzt sind und es viel zu wenig ErgotherapeutInnen gibt, damit die Patienten und Patientinnen rascher und effektiver rehabilitiert werden können.
Was bedeutet der Standort Wien für das Lebensgefühl?
Da hat auch der Herr Abg Strobl gesagt, die Studie sagt, Wien ist
Lebensqualität pur. Ich gebe Ihnen Recht. Ich bin zwar in Graz geboren und lebe
seit vielen Jahrzehnten in Wien. (Abg Heinz Hufnagl: Da haben Sie es sich
verbessert!) Ich finde, diese Stadt ist liebenswert, aber es gibt einfach
irrsinnig viele Menschen, die von dieser Lebensqualität pur sehr wenig, sehr,
sehr wenig erleben. Die von Ihnen zitierte Studie wurde ja quasi nur im Ausland
oder bei Ausländern abgefragt. Interessant wäre, so eine Studie zu Fragen, die
Wienerinnen und Wiener Lebensgefühl ... (LhptmSt
Dr Sepp Rieder: Leben in Wien!). Was bedeutet der Standort Wien für das
Lebensgefühl? (LhptmSt Dr Sepp Rieder:
Leben in Wien! Leben in Wien!) Gangbetten in den Wiener Spitälern. Lange
Wartezeiten bei orthopädischen Interventionen. Die teuersten
Kinderbetreuungsplätze in Österreich. Dass es in Wien Kinder- und
Jugendarbeitslosigkeit gibt, Obdachlosigkeit gibt, wird überhaupt negiert. Expertinnen
und Experten sprechen von 300 Kindern und Jugendlichen in Wien, die
obdachlos sind. Dass wir die Kinder und Jugendlichen am Karlsplatz haben. Wenn
man in Wien nach einer Oberschenkelhalsoperation eine Rehabilitation braucht,
dann gibt es einen Teil, der das Glück hat und in das Sophienspital kommt. Da
zahlt der Sozialversicherungsträger. Wenn ich ein Pech habe und in die
Kurzzeitpflege ins Geriatriezentrum am Wienerwald komme, bin ich plötzlich ein
Pflegefall und bin ausgesteuert. Das ist Zwei-Klassen-Medizin. Diese Liste
ließe sich endlos fortsetzen.
Wir würden - ich fange bei dem an, wo Sie geendet
haben - uns erwarten, dass wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine
Wiener Technologie- und Innovationsagentur gemeinsam machen. Vielleicht wäre
das ein Weg, hier wirklich innovative Dinge einzubringen. Wir erwarten uns
auch, dass die versprochene Pflegemilliarde kommt, damit die Menschen, die in
dieser Stadt möglicherweise pflegebedürftig werden, die Geborgenheit erhalten,
die ihnen gebührt. (Beifall bei der FPÖ.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Als Nächste zum Wort gemeldet ist die Frau Abg
Cordon. Ich erteile es ihr.
Abg Waltraud Cécile Cordon (Grüner Klub im
Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!
„Wien - Standort für Innovation und Lebensgefühl.“
Ja, bei Innovation - wir sind sicher sehr offen - aber schauen wir uns einmal
die Vorbereitung der Wiener Politik auf die demokratische Entwicklung unserer
Gesellschaft an. Es stimmt schon, Wien wird bis zum Jahr 2030 eine der
jüngsten unter den alternden Städten sein. Wir sind sozusagen in guter
Gesellschaft: Berlin, Warschau, Budapest, Prag, Bratislava sind in derselben
Situation. Trotzdem sind jetzt schon 43 Prozent der Wahlberechtigten auch in
Wien über 50.
Nun frage ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren: Wie
sieht die Innovation dieser Stadt für eine Gesellschaft, die viele ältere
Menschen und zunehmend Hochbetagte hat, eigentlich aus? Welches Lebensgefühl
können Sie diesen älteren Menschen in dieser Stadt geben? Wie sieht die
Erneuerung auch im Hinblick darauf aus, dass es in Wien sehr viele ältere
Menschen und hier insbesondere Frauen gibt? Panikartige Ausgliederungen sind
Ihre Antwort darauf. Aber das wird nicht reichen. Wo sind die großen Würfe im
Pflegesystem? Wo sind die vorausschauenden Vorgaben für eine Stadt, in der es
noch viele Substandardwohnungen gibt und gerade bei alten Menschen und hier
wiederum gerade bei älteren Frauen?
Ich freue mich wirklich, wenn Sie Experten zu einer
Pflegeenquete einladen, die Ihnen dasselbe sagen wie wir in unserem Antrag
schon gesagt und gefordert haben, den Sie aber leider abgelehnt haben. Aber
vielleicht glauben Sie dann doch den ExpertInnen, dass es sehr wichtig ist,
dass die Menschen rechtzeitig ihre Wohnungen für ihre alten Tage adaptieren.
Wie sieht es in Arbeit und Wirtschaft aus? Heute
schon in die Zukunft schauen und in einer altersgerechten Arbeitswelt
etablieren, ist von Betrieben und der Politik gefordert. Jetzt beginnen die
größeren Betriebe langsam, sich darauf umzustellen. Ein Zitat aus der
oberösterreichischen Arbeiterkammer: „Es sind solche Unternehmen finanziell zu
unterstützen, die alles tun, damit ihre Beschäftigten bis zum Pensionsalter
gesund und leistungsfähig bleiben.“ Auch dieser Antrag von uns wurde abgelehnt.
Jetzt fängt die Wiener Wirtschaft langsam damit an.
Andere Länder wie Finnland und Japan sind uns hier
weit voraus. Fort- und Weiterbildung, lebenslanges Lernen ist ein Motto der
Zukunft und zwar für alle Bevölkerungsgruppen. Dafür entledigt sich die Stadt
zum Beispiel der Verantwortung, Lehrlingen eine zusätzliche Bildungsmöglichkeit
mit den Lehrlingsbüchereien angedeihen zu lassen. Sie dürfen hier auf ziemlich
dilettantische Art und Weise weiterwurschteln.
Aber ich möchte Ihnen ganz kurz ein Zitat aus dem
„Kurier“ von Herrn Bernd Rießland, Geschäftsführer des Wiener
Wirtschaftsförderungsfonds, vorlesen, der sagt: "Es wäre vermessen zu
glauben, Konzerne würden sich nur wegen der Staatsoper oder der
Kaffeehauskultur hier ansiedeln." Was sicher ein angenehmes Lebensgefühl
vermittelt. Entscheidend sei bei vielen Firmen das Bildungsniveau. Da geht es
um die Qualität unserer Facharbeiter. Die werden wir uns dann in allen
altwerdenden Städten sozusagen gegenseitig abluchsen. Ich kann hier auch nur
wiederum sagen: Was haben die Finnen, was wir nicht haben? Und ich muss immer
wieder feststellen: Vieles. Sie sollten das wirklich eingehender studieren.
In vielen deutschen Städten erarbeitet die Politik
bereits Konzepte für die Zukunft ihrer demografischen Entwicklung in der
Gesellschaft. Auch Wien ist hier anders. Unser Antrag dazu wurde auch hier
wieder abgelehnt. Wien ist anders. Sie haben Recht. Auf geniale Art und Weise
machen wir das. Wir wurschteln halt so dahin.
Ich denke an die Messe. Ein toller
Bau,
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