Landtag,
23. Sitzung vom 24.09.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 69
Abg Dipl Ing Martin Margulies (Grüner Klub
im Rathaus): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann!
Sie haben meines Erachtens eine ganz wesentliche
Sache vergessen, wenn es darum geht, was die Steuerreform der Bundesregierung
Wien und vor allem der Wiener Wirtschaft bringt: Rund
150 Millionen EUR weniger an Ausgangsbasis bei den kommenden
Finanzausgleichsverhandlungen, 150 Millionen EUR, die Wien
tatsächlich fehlen werden! Aber ich denke, der Finanzausgleich wird auch in der
nächsten Frage noch zur Debatte stehen.
Darüber hinaus habe ich ein
bisschen mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass Sie in Wirklichkeit eine
Grundsteuererhöhung, eine Grundsteueranpassung kategorisch ablehnen, wenngleich
ich Ihnen in einem Punkt Recht gebe: Selbstverständlich ginge das nur dann,
wenn die Überwälzbarkeit auf die Betriebskosten abgeschafft würde, das heißt
die Grundsteuer tatsächlich von denjenigen zu tragen wäre, die Eigentum
besitzen, und meines Erachtens auch mit einem gewissen Freibetrag.
Aber sonst habe ich überhaupt
nichts darüber gehört, was Ihr Kollege Matznetter in seiner Erstpräsentation
zum Teil noch versucht hat, ein bisschen visionär darzustellen: Ein
Sozialstaat, ein Wohlfahrtsstaat braucht eine gewisse Steuer- und Abgabenquote,
insbesondere in Zeiten einer Rezession oder in wirtschaftlich noch nicht sehr
prosperierenden Zeiten. Ich würde sagen, in so einer Situation befinden wir uns
derzeit. Da wird es notwendig sein, das Gesamtsteueraufkommen, welches zu
verteilen ist, nicht immer weiter zu reduzieren, zu reduzieren und zu
reduzieren.
Präsidentin Erika Stubenvoll (unterbrechend):
Kommen Sie zur Frage.
Abg Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend):
Ich habe Ihren Ausführungen jetzt entnommen, dass Sie anscheinend doch eher
darauf setzen, die Steuer- und Abgabenquote in ihrer Gesamtheit noch weiter zu
senken. Sind Sie sich bewusst, dass wenn Sie in diese Richtung
Wirtschaftspolitik betreiben, es dann nicht möglich sein wird, den
Wohlfahrtsstaat auch in seiner jetzigen Form länger aufrechtzuerhalten?
Präsidentin Erika Stubenvoll: Herr
Landeshauptmann, bitte.
Lhptm Dr Michael Häupl: Es tut mir
Leid, da sind wir wirklich fundamental unterschiedlicher Auffassung. Wenn wir
heute davon ausgehen, dass das oberste Ziel einer Wirtschaftspolitik nicht die
Frage der Geldwertstabilität ist, weil wir hier ja kein Problem haben, sondern
die Frage des Wirtschaftswachstums, dann muss ich doch darüber nachdenken, wie
ich wirtschaftswachstumsinduzierende Maßnahmen setze.
Da gibt es eine ganze Palette von Maßnahmen, die man
setzen kann, auch im Bereich öffentlicher Investitionen und Förderung
öffentlicher Nachfrage, aber selbstverständlich und in allererster Linie, würde
ich meinen, auch der privaten Nachfrage. Das heißt, ich muss etwas tun - wobei
wir in Wien ja durchaus auch einen besonderen Erfolg erzielt haben, wie sich
zeigt, wenn man sich österreichische und internationale Statistiken anschaut -,
um die individuelle Kaufkraft zu stärken. Diese Kaufkraftstärkung wird es
zwangsläufig nach sich ziehen, dass man den Leuten auch mehr Geld in der Tasche
lässt.
Meine Kritik an der Steuerreform der Bundesregierung
ist nun weniger die, dass sie wirtschaftsfreundliche Maßnahmen gesetzt haben,
sondern die, dass sie keine Maßnahmen gesetzt haben, die im Sinne der
Wachstumsförderung kaufkraftstärkend wirken. Das heißt, das ist nicht gemacht
worden oder nicht genügend gemacht worden, wie etwa im Bereich der Lohnsteuer.
Daher sage ich ... (Abg Gerhard Pfeiffer: ... hinuntergesetzt worden!)
Entschuldigen Sie! Aber das glaubst du ja nicht
einmal selber, bitte. (Abg Gerhard Pfeiffer: Die ist hinuntergesetzt worden!
Zwei Millionen Österreicher zahlen keine Steuer mehr!) Nein, hör auf, sei
lieb! (Abg Gerhard Pfeiffer: Zwei Millionen Österreicher zahlen keine Steuer
mehr!) Geh bitte, das glaubst du doch selber nicht, nein, hör auf, aus mit
dem Schrott! (Beifall bei der SPÖ und den GRÜNEN. - Zwischenruf des Abg
Gerhard Pfeiffer.) Sei mir nicht böse, aber das glaubt nicht einmal mehr
das "Format". Das ist wirklich längst ... (Abg Gerhard Pfeiffer:
Zwei Millionen Österreicher zahlen keine Steuer mehr! - Amtsf StRin Mag Sonja
Wehsely: Das ist ja lächerlich!) Also gut, okay, soll sein. Das ist nicht
einmal Ortner, das ist Lopatka und sonst gar nichts! (Heiterkeit und Beifall
bei der SPÖ. - Zwischenruf des Abg Gerhard Pfeiffer.)
Das ist für mich - um mich wieder ernsteren Dingen
zuzuwenden - ein wesentlicher Punkt. Wenn ich also davon spreche, dass ich die
österreichische Staatsquote für eine sehr hohe halte, eine, die zweifelsohne in
der Öffentlichkeit - ich meine jetzt in der europäischen und auch
globalisierten Öffentlichkeit - gewisse Argumentationsschwierigkeiten hat, dann
ist es ganz unbestreitbar so, dass steuerliche Maßnahmen, wie sie auch von
dieser Regierung gesetzt worden sind im Bereich der Wirtschaft und sohin auch
im Interesse der Förderung des Wirtschaftswachstums, Ziele sind, zu denen ich
durchaus auch sage, dass sie okay sind, aber dass dort - vielleicht auch ein
bisschen im Sinne dieses bekannten Obermarxisten Henry Ford, der sagte: Autos
kaufen keine Autos - die Maßnahmen zweifelsfrei nicht genügend gestaltet
wurden.
Daher ist das, glaube ich, eine lohnende Diskussion,
die wir auch in Zukunft führen sollten. Denn da ist der Austausch von
Argumenten, wenn man das Ziel anerkennt: Wirtschaftswachstum unter bestimmten
Rahmenbedingungen und Kautelen, also aus meiner Sicht unter Beachtung sozialer
und ökologischer Grenzziehungen - wir müssen die Markwirtschaft hier allgemein
sehen -, eine wirklich sinnhafte, uns weiterbringende Diskussion. Ich gehe
einmal davon aus, dass wir sie in der Folge auch führen können, denn das würde,
insgesamt gesehen, das Land auch weiterbringen.
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke
schön. - Die 4.°Zusatzfrage: Herr Abg Dkfm Dr Aichinger.
Abg Dkfm Dr Fritz Aichinger (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Herr Landeshauptmann!
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