Landtag,
24. Sitzung vom 10.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 33
nächsten 0,6 Prozent, die auf Länderebene auf Biegen und Brechen eingespart werden müssen, die dann als Rechtfertigung für die nächsten Steuergeschenke herhalten müssen!
Vergessen Sie nicht, diese Bundesregierung hat sich
ein Ziel gesetzt, nämlich das Senken der Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent.
Angesichts der dramatischen Zuspitzung der sozialen Situation in Österreich ist
dies ein Anschlag auf die österreichische Bevölkerung! Mit jedem
Stabilitätspakt, dem Sie zustimmen, stimmen Sie dieser Art der Politik zu und
leisten Vorschub dafür, dass die finanziellen Mittel bereitgestellt werden, die
Finanzminister Grasser dann auf Kosten der Bevölkerung den Wohlhabenden in
diesem Land wieder zukommen lassen will.
Aus diesem Grund werde ich jetzt einen
Resolutionsantrag einbringen, in dem sich der Wiener Landtag klar dafür
ausspricht, dass er einer gesellschaftspolitisch kurzsichtigen, den internationalen
Steuerwettbewerb anheizenden Politik, die auf einen umfassenden Rückbau des
Wohlfahrtsstaates abzielt, eine klare Absage erteilt; zweitens, dass die Wiener
Landesregierung aufgefordert wird, keinen Stabilitätspakt nach dem Muster des
Stabilitätspakts 2001 mit der österreichischen Bundesregierung einzugehen; und
drittens, dass die Wiener Landesregierung aufgefordert wird, dieses zentrale
ideologische Projekt der schwarz-blauen Bundesregierung, nämlich das Projekt
des Rückbaus eines solidarischen Wohlfahrtsstaates zugunsten der Forcierung
eines autoritären Wettbewerbsstaates, nicht zu unterstützen.
In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige
Abstimmung. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich komme zu einem zweiten, in den letzten Tagen
höchst umstrittenen Punkt, der Gesundheitsfinanzierung. Einer
Gesundheitsfinanzierung, der auf unterschiedlichen Ebenen drei Parteien ihre
Zustimmung gegeben haben, mit Rezeptgebührenerhöhung,
Spitalskostenbeitragserhöhung, Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge et
cetera. Manche Parteien fallen dann um, manche Parteien überlegen es sich
anders.
Nichtsdestoweniger - ich sage das ganz offen - halte
ich in dieser Diskussion die Position des sozialdemokratischen Parteichefs für
die sinnvollere als die der Wiener Sozialdemokratie. Ganz abgesehen davon muss
uns jetzt auch klar sein, dass es gegenwärtig nicht nur darum geht, sämtliche
Kosten - wo immer Kosten auftreten - zu reduzieren, sondern dass es in
Wirklichkeit darum geht, die finanziellen Mittel für ein Gesundheitswesen auf
höchstem Stand weiterhin nachhaltig und solidarisch bereitzustellen.
Prinzipiell ist es unseres Erachtens ein Fehler zu glauben, dass dies möglich
ist, wenn nur noch auf Beiträge aus Lohneinkommen abgestellt wird, denn
Lohneinkommen sinken seit Jahren beständig.
Letztendlich, etwas weiter gedacht: Geht die
Entwicklung in diese Richtung weiter, heißt das nichts anderes als, entweder
man spart auf Kosten der Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung ganz massiv ein,
oder man überlegt sich neben einer Strukturreform eine zweite Säule, die in
irgendeiner Art auf ein stabiles Beitragsniveau abstellt, auf eine
Beitragsgrundlage, die nicht so schwankt wie die Lohneinkommen, sondern - als
Beispiel - eine Beitragsgrundlage, die die gesamten Einkommen, die gesamten
personalisierbaren Einkommen, die in Österreich erwirtschaftet werden, als
Beitragsgrundlage heranzieht. Wäre dies der Fall, könnte eine deutliche Senkung
der Krankenversicherungsbeiträge in Anspruch genommen werden, wenn neben den
Beiträgen des Lohneinkommens personalisierbare Beiträge auf Einnahmen/Einkommen
aus Spekulationsgewinnen, Immobilienerträgen, Dividendenzahlungen analog zum
jetzt bestehenden System als zweite Säule der Finanzierung der
Krankenversicherung aufgebaut werden würden.
Aus diesem Grund stelle ich einen zweiten Antrag,
denn es gibt Alternativen, es gibt sowohl Alternativen im Bereich einer
Strukturreform als auch in einer Verschiebung der Einnahmen- und
Ertragssituation der Krankenversicherung:
„Der Wiener Landtag spricht sich daher gegen eine
Erhöhung der Beitragssätze zur Krankenversicherung, der Rezeptgebühr und des
Spitalskostenbeitrages aus. Um dennoch den erhöhten Finanzbedarf des
Gesundheitssystems nachhaltig und sozial verträglich zu sichern, spricht sich
kurzfristig der Wiener Landtag für eine Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage
aus. Um den Finanzierungsbedarf des Gesundheitssystems mittel- und langfristig
sicherzustellen, ohne Niedrig- und DurchschnittsverdienerInnen zu belasten,
spricht sich der Wiener Landtag für eine Erweiterung der Bemessungsgrundlage
zur Finanzierung der Krankenversicherung aus. In einer zweiten Säule sollen
Einkommen aus Vermögen wie Spekulationsgewinne, Immobilienerträge und
Dividenden analog dem Lohneinkommen zur Finanzierung der Krankenversicherung
herangezogen werden."
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der
Sozialdemokratie! Auch Ausgliederungen im Gesundheitsbereich sind kein
Allheilmittel, Ausgliederungen, wie Sie sie gegenwärtig zum Beispiel beim Fonds
Soziales Wien vorgenommen haben. Die Menschen, die dort arbeiten, und die
Menschen, die von den Leistungen des Fonds Soziales Wien profitieren, merken
diese Veränderung, und die Menschen, die dort arbeiten, versagen mittlerweile
der Sozialdemokratie die Unterstützung.
Im Fonds Soziales Wien, dem Kernbereich der
Sozialdemokratie, haben gestern Betriebsratswahlen stattgefunden. Die Mehrheit
der dort Beschäftigten hat mittlerweile auch von sozialdemokratischen
Gewerkschaftern die Nase voll: Im Fonds Soziales Wien haben sie eine Mehrheit
im Betriebsrat bei den Betriebsratswahlen verloren! Mittlerweile hat die
Namensliste der konsequenten Interessensvertretung, die sich immer gegen die
Ausgliederung ausgesprochen hat, die versucht hat, gemeinsam mit den Menschen
Alternativmodelle zu entwickeln, die darauf aufgepasst hat, dass es nicht darum
geht, permanent auf die Beschäftigten loszugehen, wenn es um Ausgliederungen
und dann Schlechterstellungen in diesen Bereichen geht - diese Namensliste hat
eine Mehrheit errungen, und dazu gratulieren wir! (Beifall bei den GRÜNEN.)
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