Landtag,
24. Sitzung vom 10.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 33
Phänomen.
Zweites Phänomen: Stockholm, Schweden. Der
schwedische Sozialstaat wurde lange Zeit von der Sozialdemokratie gelobt.
Welchen Luxus leisten sich denn die Schweden nicht, um auf der Ausgabenseite, auf
der Leistungsseite angemessen zu bleiben? Sie leisten sich nicht den Luxus von
Mehrfachstrukturen. Sie haben zwar auch Bund, Länder und Gemeinden, die
Leistungserbringer sind, aber Bund, Länder und Gemeinden sind gleichzeitig auch
Mitteleinnehmer, und sie ersparen sich das Problem der Kassen, sie ersparen
sich eine zweite Verwaltungsorganisation, die Sozialversicherungsträger und
Kassen heißt, weil die jeweilige Gebietskörperschaft nicht nur die Leistung
erbringt, rechtlich einklagbar, sondern auf der anderen Seite auch die Mittel
bereitstellt.
Unser Problem in dieser Diskussion ist ja auch, dass
wir uns gegenseitig ausspielen, nicht nur der Bund und die Länder, nicht nur
die Parteien, sondern auch die Nebenorganisationen wie die
Selbstverwaltungskörper, und damit bin ich bei der Arbeiterkammer. Was haben
die Arbeiterkammer und der Beitrag damit zutun?
Erstens: Der Arbeiterkammerbeitrag, der jetzt nicht
hereinkommen soll, ist ja nicht das, was die Arbeiterkammer schon hat, da geht
es ja nicht um die 0,5 Prozent, sondern da geht es um jene zusätzlichen
1,8 Millionen EUR, die die Arbeiterkammer bekommen würde. Ihr seid
zwar gegen die Pensionsharmonisierung, aber in Zuge der Pensionsharmonisierung
wird die Höchstbemessungsgrundlage von 3 450 EUR auf 3 540 EUR
angehoben, die berühmten 90 EUR, und diese Anhebung in der
Pensionsharmonisierung – von der SPÖ abgelehnt – führt auf der anderen Seite
dazu, dass die Arbeiterkammer 1,8 Millionen EUR Mehreinnamen hat. Das
ist nicht irgendwas, was sie den Leuten zusätzlich zur Verfügung stellen muss
oder was an Leistungen gekürzt werden muss, sondern das sind tatsächlich
zusätzliche Einnahmen.
Die Regierung ist zwar manchmal nicht ganz auf dem
richtigen Schiff, aber so deppert ist keiner (Abg Godwin Schuster: Danke für den Hinweis!), dass er der
Arbeiterkammer noch einmal 1,8 Millionen EUR zusätzlich dafür gibt,
dass ihr einen Werbespot gegen die Pensionsharmonisierung macht mit dem Geld,
das im Zuge der Pensionsharmonisierung hereinkommt. Da muss ich mir ja nach IRA-Methoden
in beide Knie hineinschießen, bevor ich das mache. (Beifall bei der FPÖ. – Abg Dipl Ing Martin Margulies: Von der Stadt
Wien Geld nehmen, aber auf die Stadt Wien schimpfen!) Das wäre ja, als wenn
ich mir bei der IRA selbst in das Knie schieße, nur damit ich euch
1,8 Millionen EUR gebe, damit ihr noch einen Werbespot gegen die
Pensionsharmonisierung macht. Also das macht doch kein Mensch! (Abg Godwin Schuster: Das ist doch nicht
wahr!) Natürlich ist das die Wahrheit, und ihr sollt das Geld nicht
kriegen. Ihr sollt das Geld nicht kriegen, weil es unzulässig ist. So einfach
ist das! (Beifall bei der FPÖ. –
Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den GRÜNEN.) Nein,
jetzt habe ich ein anderes Argument, tut mir Leid. Kollege Margulies, reden Sie
noch einmal, ich gehe nicht auf sie ein.
Noch etwas zur Arbeiterkammer und zur
Selbstverwaltung. Was hat denn die Selbstverwaltung mit dem Gesundheitssystem
zu tun? Jeder, der sich da ein bisschen auskennt, weiß es: Durch die
Pflichtmitgliedschaft in den Kassen und Sozialversicherungsträgern, die auch
Selbstverwaltungskörper sind. Was ist denn das für eine Selbstverwaltung? Wer
wählt denn die? Ich wähle die nicht, obwohl ich Pflichtmitglied in der WGKK
bin. Ich wähle sie nicht. Wie wird sie gewählt? Du weißt es? Indirekt über die
– was? (Abg Johann Driemer: Über die gesetzliche Interessensvertretung!)
Über die Arbeiterkammervertretung. Genau! So ist es.
Günther Barnet ist Pflichtmitglied in der WGKK,
eingeführt von eurem ehemaligen Klubobmann im Nationalrat, davor
Staatssekretär, jetzt Volksanwalt, Kostelka, er ist aber nicht wahlberechtigt.
Weil er nämlich Vertragsbediensteter ist und nicht Angestellter, deswegen wählt
er nämlich zur BV und nicht zur AK. Das heißt, ich bin Pflichtmitglied in einem
Selbstverwaltungskörper, auf den ich nicht einwirken kann. (Abg Johann Driemer: Sie sind Mitglied der Krankenkasse, aber nicht der
Selbstverwaltung! – Abg Godwin Schuster: Sie gehen von einem falschen Prinzip
aus! Das ist falsch, was Sie da sagen!) Dieser ist aber maßgeblich für die
Frage verantwortlich, wer in der Wiener Gebietskrankenkasse drinnen sitzt und
glaubt, die Mittel ständig erhöhen zu müssen, weil ihm nichts Besseres
einfällt, als die Leistungen zu garantieren, nach Mittelerhöhungen zu schreien,
anstatt sich einmal die Frage zu stellen, wie man Geld umschichten kann, ohne
dass Leistungen für die Betroffenen verringert werden. Das ist das Problem. (Beifall bei der FPÖ. – Abg Johann Driemer:
Der Zusammenhang ist noch immer nicht erklärt!) Dieser
Zusammenhang ist sehr wohl erklärt. Sie wollen ihn nicht verstehen, aber für
ein Privatissimum verlange ich mehr als das Schmerzensgeld, dass ich schon
kriege, da müssen Sie mir etwas extra zahlen.
Nun zu der Frage, warum das Land sich auch sonst im
Finanzausgleich selbst gefährdet. Es gefährdet sich selbst, weil es damit
natürlich die Strukturreformen wieder hinausschiebt. Die SPÖ tut ja so, als
wäre sie an einem Kompromiss beteiligt gewesen, von dem sie sich jetzt entfernt,
aber am zweiten Kompromiss ist sie nicht beteiligt, was nicht stimmt.
Es gibt in diesem Entwurf, von dem
gestern gesprochen worden ist, die 15a-Vereinbarung über die Frage der Reform
für das Gesundheits- und Spitalswesen, verhandelt mit den Ländern. Da muss ja
irgendjemand von euch dort gewesen sein. Ihr könnt doch nicht so tun, als ob
keiner von euch dort gewesen wäre. In dieser Vereinbarung steht drinnen, was
alles gemacht und in Zukunft vielleicht eingespart wird. Aber wann? In zwei
Jahren, wenn die Landtagswahl vorbei ist, damit Sie die Spitalsreform, von der
alle wissen, dass sie notwendig ist, erst nach der nächsten Landtagswahl machen
müssen. Das ist ja eh klar. Wir sind ja nicht so blöd, dass wir das nicht
wissen. Natürlich wollen Sie es erst in zwei Jahren machen. Tun Sie nicht so,
als wären sie beim ersten Kompromiss nicht beteiligt gewesen, während Sie
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