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Landtag, 25. Sitzung vom 25.11.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 72

 

Sozialdemokraten Bruno Kreisky, aber ich kann ihm ganz sicher nicht ein mangelndes soziales Gewissens vorwerfen! Aber er hat es als ganz selbstverständlich angesehen zu globalisieren. (Heiterkeit bei der ÖVP und den GRÜNEN.)

 

Jetzt kann man natürlich sagen: Bitte, Mallorca, das ist keine hemmungslose Globalisierung, das ist ja eine harmlose Globalisierung, weil Mallorca einmal zu den spanischen Habsburgern gehörte, und die Habsburger haben immer gute Verbindungen gehabt. Darum geht es eigentlich gar nicht.

 

Das zweite Beispiel ist brennender und noch instruierender. In einer dieser Fernseh-Talkshows, die ich in den letzten Monaten gesehen habe - da ging es um den Standort Deutschland, die meisten der Teilnehmer auf dem Podium habe ich gekannt -, saß ein mir unbekannter Mann. Er hat von der Optik und von der Physiognomie her eher wie der typische, smarte Vertreter und deutsche Statthalter eines großen multinationalen Konzerns ausgesehen. Als er den Mund aufmachte, hat er sich als Textilunternehmer auf der Schwäbischen Alb entpuppt. Er hat folgende Geschichte erzählt, und die hat mich sehr berührt.

 

Er hat erzählt, dass er seit 30 Jahren auf der Schwäbischen Alb ein Textilunternehmen führt, ein großes Produktionsunternehmen. Er hat in diesen ganzen 30 Jahren nie einen Mitarbeiter seines Unternehmens aus Arbeitsmangel entlassen, und zum Zweiten hat er das eiserne Prinzip, dass alle Kinder von Mitarbeitern, so sie einen positiven Schulabschluss haben, bei ihm, in seinem Unternehmen, einen Ausbildungsplatz und eine Anstellung bekommen. Toll, kann ich da nur sagen!

 

Er hat dort dann Folgendes gesagt: „Meine Damen und Herren, ich kann dieses Prinzip nicht länger durchhalten!“ Denn selbst auf der Schwäbischen Alb, wo er hoch gefeiert ist, verliert er mit seinen Frotteewaren Marktanteile, weil auch auf der Schwäbischen Alb die Leute immer mehr taiwanesische, chinesische oder slowakische Frotteetücher kaufen, da diese einfach etwas billiger sind als die Tücher, die er produziert.

 

Ich habe vor fast 20 Jahren einmal - das war noch die Zeit, in der von Politik nicht die Rede war - ein Buch über die Zukunft des Managers geschrieben; und diese Koketterie mit meiner Eitelkeit sei mir gestattet: Das einzige österreichische Managementbuch, das je in mehrere Sprachen übersetzt worden ist. Ich habe damals eine Voraussage getroffen, mit der ich furchtbar auf die Nase gefallen bin. Ich habe damals gemeint, spätestens zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden die Unternehmen von Rating-Agenturen nicht nur auf ihre finanzielle Bonität hin abgeklopft, sondern auch auf ihre ethische Bonität hin abgeklopft, und die Unternehmensspitzen werden genauso ängstlich und sorgsam auf ihr Triple-A-Rating in finanzieller Bonität schauen, wie sie - hoffentlich - auf ihr Triple-A-Rating in ethischer Bonität schauen werden, weil die Kunden - das war meine Voraussage - sonst keine Produkte bei diesen Unternehmen kaufen werden.

 

Das war damals nicht ein Gedanke aus Jux und Tollerei. Damals war gerade die Exxon Valdez gestrandet, und da gab es auch in Amerika Boykotts der Tankstellen von Exxon. Die Pelzwirtschaft ist in Verruf gekommen. Es hat erste Anzeichen von Boykotts von Unternehmen gegeben, die mit Kinderarbeit ihre Produkte auf den Markt bringen. Aber ganz ehrlich: Darüber hinaus ist seitdem nicht viel passiert. Es gibt "Fair Trade", ich weiß es schon, es gibt einige Fonds, die nur in ethisch - unter Anführungszeichen - wertvolle Unternehmen investieren, aber damit hat es sich auch schon.

 

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir alle so darauf gepolt sind, dass wir annehmen - und das hat sich bis jetzt auch bewahrheitet -, dass, wenn sich jeder Einzelne für sich betriebswirtschaftlich egoistisch verhält, trotzdem durch das, was Hegel die "List der Vernunft" nennt, daraus volkswirtschaftlich/gesamtwirtschaftlich etwas Positives und Wertvolles, nämlich mehr Wohlstand für alle, geworden ist und wird. Jetzt lässt die "List der Vernunft" etwas aus, und zwar - meine Damen und Herren, jetzt wieder zum Punkt zurück - nicht wegen des Raubtier-Kapitalismus und nicht wegen der so genannten hemmungslosen Globalisierung, sondern vor allem gerät unser derzeitiges System unter Stress - das wird manche überraschen -, weil der Kommunismus zusammengebrochen ist. Durch das Zusammenbrechen des Kommunismus treten plötzlich auf dem globalen Markt Wettbewerber auf, die es vorher nicht gegeben hat, mir einer ähnlich guten Ausbildung als die Mitarbeiter im Westen, aber zu wesentlich geringeren Kosten.

 

Jetzt erhebt sich natürlich die Frage: Was tut die Politik? Kann sie etwas tun? Wenn ja, was kann sie tun? Und da komme ich noch dazu - und ich werde nicht mehr allzu lange brauchen -: Wie wirkt sich das Ganze auf Wien aus, und was kann Wien tun?

 

Meine Damen und Herren! Es ist einmal ganz klar, dass wir Politiker - und ich bin der Erste, der das zutiefst bedauert - zur Kenntnis nehmen müssen, dass in freien Staaten, in denen es keinen Krieg gibt - in Israel ist es anders, es ist im Irak anders und dergleichen mehr -, die Wirtschaft dabei ist, die Führungsrolle von der Politik zu übernehmen. Christoph Chorherr hat das gestern - ich glaube, in seinem Beitrag zum Strategieplan - auch ganz klar und deutlich gesagt. Warum ist das so? Weil die Wirtschaft - unter Anführungszeichen - endlich - es hat ja auch viele Vorteile - in der Lage ist, völlig international und global zu agieren, während wir Politiker dazu - unter Anführungszeichen - verdammt sind, lokal und regional zu agieren.

 

Das hat nichts mit dem zu tun, was Barbara Tuchman in ihrem berühmten Buch die "Torheit der Regierenden" genannt hat. Es hat einfach damit zu tun, dass wir Politiker, genauso Sehnsucht haben wie Vorstandsmitglieder, unsere Verträge verlängert zu bekommen. Wir alle haben Vier- oder Fünfjahresverträge, auch die Vorstandsdirektoren haben das, und wir tun natürlich alles, um von unseren Aktionären - das ist jeweils unser lokaler, regionaler, nationaler Wähler - das Mandat verlängert zu bekommen. Wir kriegen nichts dafür, wenn wir an Lettland denken, wenn wir an Rumänien denken,

 

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